Energiewende im Saarland Klimabündnis will Politik Druck machen

Saarbrücken · Ein neues Bündnis hält den Ausbau der erneuerbaren Energien im Saarland für viel zu zögerlich. Es fordert eine radikale Wende.

 Im Saarland müssten nach Ansicht des neuen Klimaschutzbündnisses deutlich mehr Photovoltaik-Anlagen in Betrieb sein. Die große Koalition will dies nun angehen.

Im Saarland müssten nach Ansicht des neuen Klimaschutzbündnisses deutlich mehr Photovoltaik-Anlagen in Betrieb sein. Die große Koalition will dies nun angehen.

Foto: picture alliance / dpa/Patrick Pleul

„Wir haben nicht mehr viel Zeit.“ Der Satz fällt häufiger am Montag, als das neue Klimaschutzbündnis  Saar seine Forderungen präsentiert. Gemeint ist: Die Zeit, um die Klimaziele von Paris zu erreichen, läuft davon. Das Bündnis aus 15 Organisationen – darunter BUND und Nabu, Bürger-Energie-Genossenschaften, der Saar-Ableger des Bundesverbandes Windenergie, die Schülerbewegung „Fridays for Future“, der ökologische Verkehrsclub VCD oder das Netzwerk Entwicklungspolitik – wollen der Politik Dampf machen.

Was sie antreibt, ist Unzufriedenheit mit den verantwortlichen Politikern, ja Wut. Diese zeigten „keine Haltung“, sie wollten von längst beschlossenen Vorrangflächen für erneuerbare Energien inzwischen nichts mehr wissen, weil sie vor den Kommunalwahlen „die Hosen gestrichen voll“ hätten, schimpft Henry Selzer, der Landessprecher des Windenergie-Verbandes und Chef der Bürger-Energie-Genossenschaft Hochwald. Es gebe „einen merkwürdigen Widerspruch“ zwischen den Sonntagsreden und den Taten. In der Politik der Landesregierung gebe es „noch sehr viel Luft nach oben“, meint auch der BUND-Landesvorsitzende Christoph Hassel.

Das Bündnis fordert noch für dieses Jahr „eine eindeutige Handlungsverpflichtung“ der Landesregierung, dass sie zu den Zielen des Pariser Klimaschutzabkommens von 2015 steht, die Aufnahme des Klimaschutzes als Staatsziel in die Saar-Verfassung und ein saarländisches Klimaschutzgesetz. Das Ziel: Die Treibhausgas-Emissionen sollen um jährlich mindestens sechs Prozent bis 2035 auf null sinken.

Weil vor allem die Industrie und hier besonders die Stahlindustrie für den im Bundesvergleich  hohen CO2-Ausstoß im Saarland verantwortlich sind, soll die Politik gezielt Hilfe bei der ökologischen Modernisierung der Branche leisten. Hier bewirkten Einsparungen den größten und schnellsten Erfolg, um die Klimaschutzziele für das Saarland zu erreichen. Eine weitere Forderung: Das Saarland solle sich im Bund für eine sozialverträgliche und kostenneutrale CO2-Abgabe einsetzen.

Um die Klimaziele zu erreichen, hält das Bündnis einen massiv beschleunigten Ausbau der Windenergie und der Photovoltaik sowie eine Halbierung des Energieverbrauchs bis 2035 für nötig. Bürger sollten über Energie-Genossenschaften an der Energiewende beteiligt werden, dies stärke die Akzeptanz für Klimaschutzmaßnahmen.

Für den weiteren Ausbau der Erneuerbaren müssten auch Hindernisse im Land und in den Kommunen schnellstmöglich abgebaut werden. Es würden teilweise Vorschriften von vor 20 oder 30 Jahren angewandt, klagte Karl Werner Götzinger, Vorstandsvorsitzender der Bürger-Energie-Genossenschaft Köllertal. Auch müssten deutlich mehr Vorranggebiete ausgewiesen werden. „Wir haben einen enormen Zulauf und müssen die Tür zuhalten, weil wir nicht genügend Projekte realisieren können“, sagte er. Die Leute seien bereit, Anteile zu kaufen, aber es fehlten Flächen. Selzer machte dafür eine „unheilige Allianz“ verantwortlich, zu der er Teile von CDU, FDP und Linken sowie die AfD zählt.

Auch fordert das Bündnis deutlich mehr Photovoltaik-Anlagen auf Dächern, die öffentliche Hand müsse hier mit gutem Beispiel vorangehen. „Es gibt hunderte von Standorten mit großen Dachflächen, auf denen nix drauf ist“, sagte Götzinger. Hier sieht auch die große Koalition im Saarland Handlungsbedarf (siehe Bericht unten). Neben dem Ausbau der erneuerbaren Energien müsse der Wärmebedarf von Wohngebäuden reduziert werden, mit Förderprogrammen von Bund und Land.

Weiterhin macht sich das Bündnis für eine Verkehrswende stark. Diese müsse  „so schnell wie möglich“ kommen, sagte Susanne Speicher, die Sprecherin von „Fridays for Future“. Dazu seien mehr sichere Rad- und Fußwege, bessere Bus- und Bahnverbindungen und billigere Tickets  nötig, kurz: ein „neues Mobilitätskonzept jenseits des Individualverkehrs“.

Ulrike Dausend (Netzwerk Entwicklungspolitik) forderte eine stärkere Verankerung der Klimaproblematik im Bildungssystem, von der Kita bis zur Hochschule und zur VHS. Auch müsse mehr daran geforscht werden, wie die CO2-Emissionen gesenkt werden könnten.

 Henry Selzer, Windkraft-Lobbyist und Chef einer Bürger-Energie-Genossenschaft

Henry Selzer, Windkraft-Lobbyist und Chef einer Bürger-Energie-Genossenschaft

Foto: Ronald Maltha

Als nächstes will das Klimaschutzbündnis seine Forderungen den Landtagsfraktionen, dem Ministerpräsidenten sowie der Wirtschaftsministerin und dem Umweltminister vorstellen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort