Oliver Spurzem bei Ironman-EM in Frankfurt Dickes Fragezeichen über dem Hawaii-Start

Zweibrücken · Seit knapp zwei Jahren hat Oliver Spurzem keine Langdistanz mehr absolviert. Am Sonntag endlich ist es bei der Ironman-EM in Frankfurt soweit, wo für den Zweibrücker Triathleten normalerweise die WM-Qualifikation im Fokus steht.

 Nach zwei Jahren steht für den Zweibrücker Triathleten Oliver Spurzem endlich wieder eine Langdistanz an: bei der Ironman-EM in Frankfurt.

Nach zwei Jahren steht für den Zweibrücker Triathleten Oliver Spurzem endlich wieder eine Langdistanz an: bei der Ironman-EM in Frankfurt.

Foto: Spuzem/Privat

Die Schmerzen werden kommen. Da ist sich Oliver Spurzem sicher. Auch wenn sein Körper nach der langen Zeit nicht mehr genau weiß, wie diese sich anfühlen, so ist der Zweibrücker Triathlet doch darauf eingestellt, dass sie ihn im Laufe seiner ersten Langdistanz seit knapp zwei Jahren auf der Strecke irgendwann übermannen werden.

Grundsätzlich aber fühlt sich der 44-Jährige nach der langen Vorbereitungszeit, nach dem langen Hinfiebern fit für die Ironman-EM am Sonntag in Frankfurt. „Ich hab‘ Bock“, sagt Spurzem, der Ende Mai mit der Halbdistanz im österreichischen St. Pölten sein erstes Rennen seit Hawaii 2019, seit Beginn der Corona-Pandemie bestritten hatte. Einige kleinere Wettkämpfe folgten. „Ich habe es aber nicht übertrieben, habe alles nochmal geschüttelt und gerührt.“ Wie bei der längeren Sprintdistanz (750 m Schwimmen, 23 km auf dem Rad und 6,6 km Laufen; Altersklassensieg in 1:16,34 std) beim Kraichgau-Summertime-Triathlon am vergangenen Wochenende sowie bei der Olympischen Distanz sieben Tage zuvor in Frankfurt (1,5 km Schwimmen, 45 km Rad, 10 km Laufen; Altersklassenzweiter in 2:17,14 std). „Es läuft“, sagt Spurzem zufrieden mit seinem Körper. Dem die Wettkämpfe zuletzt vor allem „dem Runterfahren“ dienten.

Denn das alles war bislang nur Vorbereitung. Alles ist auf Frankfurt ausgerichtet. Eigentlich mit dem einen Ziel, dort erneut die Quali für die Ironman-WM auf Hawaii zu schaffen. Die fünfte Teilnahme Spurzems bei dem legendärsten Triathlon der Welt. Doch so einfach ist das auch in diesem Jahr nicht. Daher geht der Fokus vorerst vor allem auf die EM. „Es reicht jetzt auch echt nach knapp zwei Jahren ohne Langdistanz“, betont der Stabsfeldwebel des Fallschirmjägerregiments 26. Die insgesamt 226 Kilometer lange Distanz (3,86 km Schwimmen, 180 km Rad, 42,195 km Laufen) hat er letztmals überhaupt beim Ironman auf Hawaii 2019 in Angriff genommen. Dann kam Corona – und alle Pläne wurden über den Haufen geworfen. Der Sportalltag bestand plötzlich vor allem aus Training, Training und nochmals Training. Zunächst im selbst gebauten Pool im Garten, auf dem Rad und auf der Rolle, auf den Laufstrecken vor der Haustür. Reisen und Wettkämpfe fielen weg. Doch jetzt, nach dem Re-Start will Spurzem wieder angreifen. „Es geht mir auf der einen Seite darum, endlich mal wieder eine Langdistanz zu machen. Das ist ganz wichtig.“ Aber Hawaii ist in Frankfurt im Hinterkopf immer mit dabei. Doch, „was soll ich mit dem Slot, wenn ich aufgrund der Corona-Bestimmungen nicht einreisen kann?“, sagt der 44-Jährige etwas verdrießlich. Das sei die große Frage. „Die Amerikaner haben zwar gesagt, sie planen Einreisen für die Europäer, die geimpft sind. Aber klar ist das alles noch nicht.“

Sollte Spurzem sich am Sonntag tatsächlich für seine fünfte Hawaii-Teilnahme qualifizieren, so würde dieser Startplatz nur für dieses Jahr gelten. „Verschieben dürfen wir nicht.“ Eine Entscheidung müsste er bis 48 Stunden nach dem Rennen treffen. „Die Policy ist so: Melde ich mich für Hawaii an, zahle ich meine 1000 Dollar Startgebühr. Muss ich stornieren, bekomme ich 175 Dollar zurück. Den Rest hätte ich in den Wind geschossen. Aber wie sollen wir das machen, wenn wir nicht in die USA einreisen können?“, erklärt der Zweibrücker das Dilemma und fügt an: „Wir können natürlich irgendwie in die USA kommen, dafür müsste ich 15 Tage zuvor außerhalb des Schengen-Raums gewesen sein. Also entweder nach Mexiko fliegen und von dort einreisen oder nach Kroatien, dort 14 Tage bleiben und ich fliege am 15. Tag über die Türkei in die USA“, macht der ehrgeizige Athlet deutlich, dass er schon auch verschiedene Szenarien durchgespielt hat. „Aber eigentlich kann das so ja nicht sein“, erklärt Spurzem, der im Oktober „schon gerne nach Hawaii würde“, seine Bedenken.„Mein Problem ist zudem, dass ich zwei Wochen danach eigentlich noch ein Rennen in den USA habe (in Sacramento, Anm. d. Red.), das bereits mehrfach verschoben wurde. Dann wäre ich sechseinhalb Wochen weg. Das geht eigentlich nicht“, betont Spurzem, dass diese Situation wenig befriedigend ist. Bei aller Freude auf Frankfurt, auf eine Langdistanz. „Aber ich starte da ja nicht für eine neue Bestzeit. Oder einfach nur, um mal ein Ironman-Rennen gemacht zu haben. Ich mache das für die Weltmeisterschaft.“ Doch über der steht in ein ganz dickes Fragezeichen.

Das ist ein Punkt, „der dich schon belastet“. Das „Wofür“ sei gerade einfach nicht so deutlich zu sehen. „Das ist mental ein schwieriges Ding, bei dem ich einen Weg finden muss, den Fokus möglicherweise neu auszurichten.“ Möglicherweise ist die EM am Wochenende für Spurzem auch schon der verfrühte Saisonabschluss. „Noch habe ich mich nicht entschieden, was ich mache, wenn ich mich für Hawaii qualifiziere.“ Und auf die Challenge-WM Ende August in der Slowakei, für die er sich in St. Pölten qualifiziert hatte, verzichtet er. „Ich bin ja echt froh, dass es wieder offizielle Rennen gibt. Da gibt es andere Sportarten, die noch mehr Probleme haben“, ist Spurzem dankbar für die Möglichkeit, überhaupt an Wettkämpfen teilnehmen zu können. „Aber es ist dennoch alles nicht so einfach gerade.“ Nichtsdestotrotz will er am Sonntag sein Bestes geben. „Ich werde ein gutes Rennen machen, einfach auf die ganzen Sachen achten, die ich mir neu angeeignet habe.“ Vor allem mit der Ernährung habe er sich viel beschäftigt. „Denn da kann man noch optimieren.“

Damit alle Voraussetzungen für ein bestmögliches Abschneiden am Sonntag gegeben sind, ist Spurzem bereits am Donnerstag in die Mainmetropole gereist. Zum Gewöhnen an das fremde Bett, zur perfekten Vorbereitung. Daher war in dieser letzten Woche nach dem monatelangen Quälen im Training vor allem auch auch Erholung angesagt. „Neben ein paar kleinen Belastungen. Der Körper schläft sonst weg. Der ist so faul, das geht echt schnell, wenn du eine Woche nichts machst.“

Spurzem hofft, durch die optimale Vorbereitung am Renntag ausgeschlafen zu sein, wenn der Wecker bereits sehr früh in der Nacht klingelt. Denn schon um 6.35 Uhr steht der Start der ersten Gruppe nach den Profi-Männern an, in der der Zweibrücker ins Wasser geht. Normalerweise hat er bei der EM in Frankfurt stets versucht, sich an die vor ihm gestarteten Profifrauen dranzuhängen. Doch die sind dieses Mal hier nicht dabei. „Mal sehen, an wem ich mich jetzt orientieren kann.“

Doch nicht nur das ist anders am Sonntag. Auch die Strecke der EM, die Spurzem in der Vergangenheit bereits mehrfach absolviert hat, wurde abgeändert. Die Raddistanz ist dadurch um fünf Kilometer gewachsen. „185 Kilometer und deutlich mehr Höhenmeter – das wird interessant“, sagt der Zweibrücker. Es geht durch die Hügel und kleinen Dörfer der Wetterau. „Da ist auch der Straßenbelag nicht so gut und auf dem Rückweg vermute ich, wird es netten Gegenwind geben“, sagt Spurzem, der die Strecke bereits erkundet hat. „Da kannst du dich energetisch auch völlig ins Aus schießen“, ist der 44-Jährige gespannt, der in der Vorbereitung extra viele Rennen in der Region um Frankfurt gewählt hatte „um schon so ein bisschen immer wieder auf der Autobahn Frankfurt zu sehen, Frankfurt im Kopf zu haben“. Beim City-Marathon vor zwei Wochen ist er auch die Laufstrecke mit dem Rad bereits abgefahren. „Das ist gut für mein Mentaltraining, das alles schon mal zu sehen.“ Im Kopf Brücken oder Wendemarken schon mal durchgehen zu können. Der Fokus ist also voll auf Frankfurt ausgerichtet, auf die ersehnte Langdistanz, auf der er alles aus sich herausholen will. Egal, wie groß die Qualen auch werden. „Das ist wie ein erstes Mal. Der Körper vergisst diese Schmerzen einfach schnell. Du weißt ja, dass sie kommen, aber du kannst dich nicht daran erinnern“, sagt Oliver Spurzem mit einem Lachen. Doch er ist sicher, dass sein Körper das auch nach der langen Zeit noch kann. „Jetzt ist der Kopf gefragt. Jetzt versuche ich erstmal vollkommen in dem Rennen zu sein, nicht das ganze nervige Drumherum zu beachten – und dann sehen wir, was passiert.“

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