Würmer im Dschungel und der Tod von „Wetten, dass..?“

Saarbrücken · Haben Fernsehzuschauer einen Anspruch auf Qualität? Wenn ja – wollen sie die überhaupt? Und wer entscheidet letztlich, was Qualitäts-TV ist und was nicht? Eine Diskussion in der Landesmedienanstalt des Saarlandes ging gestern diesen Fragen nach.

Dieser gemeinsame Geburtstag ist wohl kein Zufall: Zehn Jahre ist es her, dass im ersten "Dschungelcamp" von RTL die Würmer gereicht wurden. Und vor zehn Jahren entstand auch das Portal www.programmbeschwerde.de , eine Initiative der Landesmedienanstalt Saarland (LMS). Gestern hat die LMS diesen Geburtstag mit einer Veranstaltung über die aktuelle Fernsehkultur gefeiert: "Public Value und Partizipation: Braucht das Private Fernsehen einen Publikumsrat?" hieß die von LMS-Leiter Gerd Bauer moderierte Diskussion, die aber einen weiteren Bogen als die eigentliche Fragestellung schlug.

Norbert Schneider, ehemaliger Direktor der Landesanstalt für Medien in Nordrhein-Westfalen und heute Mitglied des Beirats des Kodex Deutschland für Telekommunikation und Medien (DVTM), sprach zur Einleitung über die verfassungsmäßige Freiheit des Rundfunks. Mit der werde so manches Schindluder getrieben, gerne von Privatsendern, die Tabus brechen, "weil das Touchieren von Grenzen immer Aufmerksamkeit schafft". Das voyeuristische TV-Format "Big Brother" etwa ist für ihn ein "Vorläufer des heute praktizierten Datendiebstahls". Für umso wichtiger hält er die Beschwerde des Zuschauers, auch wenn Sender die gerne abtäten, vor allem mit dem Argument, dass man über Geschmack nicht streiten könne - "eine der dümmsten Volksweisheiten".

Klaudia Wick sah das in der anschließenden Diskussion etwas anders. Für die TV-Kritikerin hat das Publikum durch das Ein- und Ausschalten die Macht zu einer gewissen Gestaltung, auch durch Kampagnen wie die Petition gegen Markus Lanz nach dem rustikalen Interview mit Sahra Wagenknecht. Nur: Manchmal reagierten Sender anders als gewünscht: Statt Lanz' Talkshow habe man jetzt, warum auch immer, "Wetten, dass?" beerdigt.

Claus Grewenig vertrat gestern die Privatsender. Für den Geschäftsführer des Verbands Privater Rundfunk und Telemedien (VPRT) ist der Zuschauer den vielkritisierten Formaten "ja nicht ausgeliefert", er könne jederzeit ausschalten - und auf sinkende Quoten würden Sender, die allein von Werbegeldern leben, sehr schnell reagieren.

Aus dem Publikum kam anschließend Widersprüchliches: "Das Publikum hat ein Recht auf Anspruch" hieß es da, an anderer Stelle aber auch: "Wir wissen ja, dass der Geschmack des Publikums nicht immer der beste ist." Auch um die Unkontrollierbarkeit der Inhalte bei Youtube ging es, bis Klaudia Wick am Ende von ihrer Erfahrung aus der Jury des Deutschen Fernsehpreises berichtete. Dort sichte man die schwerste Kost der eingereichten Produktionen, ob nun "Kleines Fernsehspiel" oder Syrien-Doku, immer am spätesten und zögerlichsten. Man wolle zwar das Recht auf Anspruch, aber eben nicht immer das Anspruchsvollste sehen: "Wir als Zuschauer sind selber so, wie wir nicht wollen, dass das Fernsehen ist." Da sprach sie wohl für viele Zuschauer, auch wenn manche das nicht wahrhaben wollen.

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