Mehr als ein warmes Herz in kalter Zeit

Saarbrücken · „Menschenwürdig und auf Augenhöhe“ mit Gästen umgehen – das ist der Anspruch der Saarbrücker Wärmestube. Das bedeutet auch: „Bei uns ist jeder willkommen, und es muss niemand seine Armut nachweisen“, sagt der Leiter der Wärmestube, Albert Ottenbreit.

 Beliebt in der Wärmestube: Tischfußball. Dieses Foto entstand im Dezember 2010.

Beliebt in der Wärmestube: Tischfußball. Dieses Foto entstand im Dezember 2010.

Foto: Dietze

Da war Hans. "Er arbeitet viel und kann mit seiner Familie gut davon leben", erzählt Wolfgang Gottschalk, der ehemalige Leiter der Saarbrücker Wärmestube. Dann eine Unachtsamkeit, hohe Schadensersatzforderungen - und der Abstieg: "Frau weg, Alkoholsucht , Erwerbsunfähigkeit aufgrund einer psychiatrischen Diagnose." Aus dem Erfolgs-Handwerker ist ein "hilfsbereiter und aufmerksamer Gast" der Wärmestube geworden.

Oder Rudi. Er hat, als er jung war, nichts ausgelassen, was ihm Spaß machte. Er wurde heroinabhängig und hat auf Entzug einen Menschen so schwer verletzt, dass dieser an den Folgen starb. In der Jugendhaft hat er viel gelernt - nicht nur Gutes. Jetzt nimmt er keine harten Drogen mehr, trinkt "nur" noch. "Er sagt von sich, dass er nie gedacht hätte, 50 Jahre alt zu werden", erzählt Wolfgang Gottschalk. Rudi macht in der Wärmestube regelmäßig seine Wäsche, bleibt zwei Stunden "und trinkt dabei zu viel Kaffee!".

Rita, schätzt Gottschalk, ist etwa 70 Jahre alt. Ein übler Ehemann, zu viel Alkohol, die Kinder wurden ihr weggenommen, der Einstieg ins Berufsleben ist leider nicht wirklich gelungen. "Sie trinkt inzwischen nicht mehr so viel. Sie wolle nur noch ihre Ruhe und findet sie anscheinend in einer meist gut besuchten Wärmestube."

Diese Menschen und viele andere sind mit ihren Geschichten Teil einer weiteren Geschichte, die im November 1995 begann. Es war ein besonders kalter Winter, erinnern sich die, die damals nicht nur reden wollten. "Auf dem St. Johanner Markt hatten sich soziale Konflikte zugespitzt, die Fachleute hatten schon länger die Notwendigkeit eines Tagesaufenthaltes für wohnungslose Menschen angemahnt", heißt es in der Chronik der Institution, die eine Antwort auf all das war: die Wärmestube. Die evangelische Kirchengemeinde mit Pfarrer Gerd Hampel stellte Räume im Keller der Alten Kirche St. Johann zur Verfügung und organisierte gemeinsam mit dem "Initiativkreis Wärmestube" die erste Bleibe. Sie wechselte später in die Kirche St. Michael und in die Brauerstraße: Ab dem Winter 1998/99 ist die Wärmestube in der der Trierer Straße 64. Seit 2005 sorgt ein Trägerverein für den Betrieb. Seit einigen Jahren können Gäste der Wärmestube dort auch sozialversicherungspflichtig im Servicebereich arbeiten - also Essen kochen und verteilen.

Das Besondere und Wichtige sei, dass die Wärmestube "nicht nur, wenn es draußen kalt und das Herz warm wird" für Wohnungslose da ist, sagt deren Leiter, Albert Ottenbreit. Er und sein Team beraten Wohnungslose das ganze Jahr - in Zusammenarbeit mit anderen sozialen Einrichtungen.

Dabei sieht die Wärmestube ihre Aufgabe nicht nur darin, "Armut zu lindern". Man will helfen, die Ursachen von Armut zu bekämpfen. Die Hartz-IV-Sätze müssen angehoben werden, der Mindestlohn auch - und zwar auf ein Niveau, das sicherstellt, dass jemand der Vollzeit arbeitet, davon auch menschenwürdig leben kann, sagt Ottenbreit.

waermestube-sb.de

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 Zum Jahreswechsel 1995/1996 gab es eine erste Wärmestube. Dieses Foto entstand im November 1996, als Obdachlose eine Wärmestube forderten, in die sie, was dann auch möglich wurde, ihre Hunde mitnehmen dürfen. Foto: Becker&Bredel

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Foto: Becker&Bredel
 März 2015: Leitungswechsel in der Wärmestube, Wolfgang Gottschalk, links, übergab an Albert Ottenbreit. Foto: Rich Serra

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Foto: Rich Serra

Auf einen Blick Die Wärmestube in der Trierer Straße 64 ist von November bis April täglich (außer mittwochs), von Mai bis Oktober täglich (außer mittwochs und sonntags) von 9 bis 16 Uhr geöffnet. Rund 380 000 Euro kostet die Arbeit der Wärmestube im Jahr. Land, Stadt und Jobcenter finanzieren den größten Teil davon. Ohne Spenden wäre die Wärmestube aber nicht machbar. Die Spenden kommen von Kirchengemeinden, Firmen, aber auch von vielen Privatleuten. "Wir werden von der Stadtgesellschaft getragen", sagt Wärmestubenleiter Albert Ottenbreit. Das Spendenkonto bei der Sparkasse Saarbrücken : IBAN : DE 83 590 501 01 0000 690040, BIC: SAKS DE 55. Eine Feier unter dem Motto "Solidarität in einer bunten Stadt" mit Texten und Liedern aus der Musikwerkstatt der Wärmestube und von Reiko Wundersee gibt es am Dienstag, 15. November, 18 Uhr. Informationen: Tel. (06 81) 4 16 35 29, E-Mail: kontakt@waermestube-sb.de ols

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