Im Hier und Jetzt kann's schön sein

Irgendjemand sagte mal: „Das Leben ist zu kurz, um Deutsch zu lernen“. Ob's nun Mark Twain, Oscar Wilde, Woody Allen oder Voltaire war, ist eigentlich egal.

Ich weiß nur, dass ich heilfroh bin, dass ich Deutsch als Kind kroatischer Eltern einst im Kindergarten ganz mühelos erlernte. Und ich lernte noch etwas: Sprachen spiegeln auch die verschiedenen Mentalitäten wider.

Auch in Kroatien ist das Leben zu kurz, aber lang genug, um sich nicht drängen zu lassen. Wer einmal - und das ist kein böses Klischee - versucht hat, in Kroatien einen Handwerker zu bestellen, versteht, warum meine Landsleute kein eigenes Wort für Zeitnot kennen. Mehrwöchige Wartezeiten gehören dort schlicht zum Geschäft, und wenn sich ein Handwerker doch einmal um eine Ausrede bemüht, sagt er's deutsch: Die "cajtnot" war schuld. Ein anderes deutsches Wort machte in englischsprachigen Ländern Karriere. Wenn die Menschen dort von anderen Kulturen träumen, packt sie das deutsche "Fernweh".

Der Umstand, dass es das Wort in fast keiner anderen Sprache gibt, es meist als "Lust zu reisen" umschrieben wird, bei uns aber mit einem schmerzlichen Weh einhergeht, lässt die Vermutung zu, dass uns das Hier und Jetzt nicht immer reicht, selbst dann nicht, wenn wir Grund zur Freude hätten. Ein Beispiel? Anstatt sich über das neue Restaurant Manin, das sich neben La Résidence, Mercure-Hotel und Congresshalle einreiht und aus dem einst öden Kreisel eine italiensche Piazza machte, zu freuen, grummelt die halbe Stadt: zu groß, zu protzig, zu schick... Manch einer findet es gar anmaßend, dass uns ausgerechnet ein St. Wendeler so einen großstädtischen Laden vor die Nase setzte.

Tatsächlich ist Klaus Körner, der Chef des Manin, gebürtiger Saarbrücker. Vielleicht packte ihn schlicht das Gegenteil von Fernweh, das Heimweh. Und, liebe miesepeterige Deutsche, es ist schlicht nicht falsch, sich's im Hier und Jetzt schön, groß und schick zu machen...

Was finden Sie miesepetrig? Schreiben Sie mir eine Mail an marija.herceg@gmx.de.

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