3. Handball-Liga Chancenwucher macht Bullacher (fast) todtraurig

Zweibrücken · Handball-Drittligist SV 64 Zweibrücken schlägt die HSG Bieberau/Modau in der Westpfalzhalle nach einer packenden Schlussphase mit 24:23 (12:10). Die Löwen bleiben damit im dritten Saisonspiel ungeschlagen und liegen auf aussichtsreichem Kurs Richtung DHB-Pokal.

 SV 64-Spieler Tom Ihl (links) war von Gegner HSG Bieberau-Modau nur schwer zu halten.

SV 64-Spieler Tom Ihl (links) war von Gegner HSG Bieberau-Modau nur schwer zu halten.

Foto: maw/Martin Wittenmeier

Wären am Samstagabend Zuschauer in der Westpfalzhalle erlaubt gewesen, es hätte in der Schlussminute der Partie zwischen dem SV 64 Zweibrücken und der HSG Bieberau/Modau wohl keinen von ihnen auf seinem Sitz gehalten: 16 Sekunden vor der Schluss-Sirene führen die 64er in ihrem ersten Heimspiel der 3. Handball-Bundesliga mit 24:23. Aber die Gäste sind in Ballbesitz und nehmen ihre letzte Auszeit. Mit dem finalen Angriff wollen sie einen Punkt aus der Höhle der Löwen entführen. Die Hessen fackeln nach dem Wiederanwurf nicht lange, wollen auf halbrechts ihren besten Schützen, Jonas Dambach (6 Tore ) in Position bringen. Der Linkshänder kommt an den Ball – schließt ab – doch SV-Torwart Marko Ivankovic steht schon in der rechten Ecke und pariert. Dass Benni Zellmers Versuch, das Leder aus der eigenen Hälfte im Tor von Bieberau unterzubringen, an der Decke der Westpfalzhalle endet, interessiert am Ende keinen mehr. Denn danach ist Schluss – die Löwen bleiben auch in ihrem dritten Spiel ungeschlagen und liegen nach zwei Siegen und einem Remis auf aussichtsreichem Kurs Richtung Deutscher Handball-Pokal. Die ersten beiden Mannschaften der Siebener-Staffel qualifizieren sich für den Wettbewerb. Die zweitplatzierten Zweibrücker und Spitzenreiter HSG Rodgau Nieder-Roden sind die einzigen beiden Teams, die erst einen Verlustpunkt verbuchen mussten.

„Es ist nicht selbstverständlich, dass wir als Aufsteiger mit 5:1 Punkten vorne mitspielen. Und noch viel weniger selbstverständlich ist es, dass wir eine Mannschaft wie Bieberau so dominiert haben. Heute wäre von der Höhe ein ganz anderes Ergebnis möglich gewesen. Ich kann gar nicht zählen, wie viele Bälle wir frei vor dem Tor liegengelassen haben“, sagte SV-Trainer Stefan Bullacher. Sowohl im ersten, als auch im zweiten Durchgang verspielten die 64er jeweils einen komfortablen Vorsprung in dem sie zu leichtfertig mit ihren überlegen herausgespielten Großchancen umgingen. Aus einer geschlossenen Mannschaftsleistung ragten Spielmacher Tim Götz (sieben Treffer), Tom Ihl (4), Philipp Kockler (3) und Tom Grieser (3) heraus.

Es war am Samstag eine Partie zweier komplett unterschiedlicher Spielsysteme und Mannschaftsvoraussetzungen. Die Gäste aus dem Odenwald bevorzugten mit ihren körperlich überlegenen und groß gewachsenen Spielern eine defensive 6:0-Deckung und versuchten im Angriff ihre gefährlichen Distanzschützen in gute Wurfpositionen zu bringen. Die Zweibrücker hingegen suchten ihr Glück mit ihrem deutlich kleineren, aber dafür schnellen und beweglichen Kader in der offensiv ausgerichteten 3:2:1-Abwehr, um durch ihren Tempohandball einfache Tore zu erzielen. Die Abtastphase dauerte nur wenige Minuten. Nachdem die sogenannten Falken den Treffer zum 2:2 Ausgleich (7.) erzielten, übernahmen die Hausherren das Kommando auf dem Spielfeld. Die von Tom Grieser gut organisierte Abwehr stand sicher und ließ den Angreifern des ehemaligen Zweitligisten kaum Raum, sich zu entfalten. Lediglich Spielmacher Simon Brandt fand noch passende Lücken. Der torgefährliche Rückraum der HSG war nahezu abgemeldet.

Angeführt vom sehr gut aufgelegten Tim Götz erarbeiteten sich die 64er immer wieder Erfolg versprechende Einwurfmöglichkeiten, die auch konsequent genutzt wurden. Über 6:3 (12.), 8:4 (16.) und 10:5 (20.) bauten sie ihren Vorsprung kontinuierlich aus. Auch eine Auszeit von Falken-Trainer Thorsten Schmid konnte das zunächst nicht stoppen. Als Tobias Alt den Treffer zum 12:6 erzielte, deutete alles auf eine deutliche Halbzeitführung der Gastgeber hin. Doch wenige Minuten vor dem Seitenwechsel versagten dem SV-Team die Nerven. Bis zur Pause sollte kein eigener Treffer mehr gelingen. Zu viele Ballverluste quasi im Minutentakt durch drei technische Fehler und fünf vergebene Chancen bauten den Gegner auf und der komfortable Vorsprung schmolz auf 12:10 zusammen.

In der Kabine schien Bullacher aber die richtigen Worte gefunden zu haben. Denn nach der Pause zog seine Mannschaft wieder davon. Zwar vergaben Philipp Hammann, Sebastian Meister und Marc-Robin-Eisel per Siebenmeter weitere „Hundertprozentige“. Trotzdem lagen die Löwen nach einem sehenswerten Schlagwurf von Götz in der 48. Minute wieder mit fünf Toren vorne (20:15). Niemand hätte zu diesem Zeitpunkt mehr darauf gewettet, dass diese Begegnung nochmal spannend werde könnte. Doch in den letzten fünf Minuten verfiel die Bullacher-Mannschaft wieder in das gleiche Fehlermuster aus Halbzeit eins. Eine deutliche Vier-Tore-Führung (23:19/55.) schmolz durch drei Fehlversuche in Folge auf lediglich einen Treffer zusammen, bevor eine geniale Co-Produktion von Eisel und Schaller den Bann brach. Eisel hob den Ball in den Siebenmeterraum. Schaller lief von linksaußen ein und schraubte das Spielgerät per Kempa zum 24:22 in den rechten Torgiebel. Und dann wurde es wild in der Westpfalzhalle. Bieberau traf postwendend zum Anschlusstreffer. Noch vierzig Sekunden – Tim Schaller setzt sich auf Außen durch und scheitert an dem starken Gästekeeper Christopher Weizäcker. Der Abpraller landete direkt beim einwurfbereiten Löwenkapitän Philipp Hammann, aber auch ihm versagten die Nerven und Weizäcker parierte auch noch diesen Nachwurf, der zum Matchball hätte werden können. So bekamen die Gäste 16 Sekunden vor Schluss nochmal die Chance zum Ausgleich. Doch Ivankovic begrub alle Hoffnungen der Gäste, einen Punkt zu entführen.

„Unsere Abwehr war heute überragend gut. Flexibel, beweglich, aggressiv“, lobte Bullacher. „Bei allem Respekt wäre ein Unentschieden hier nicht verdient gewesen. Ich wäre todtraurig, wenn das heute noch schiefgegangen wäre.“ Lange Zeit, die Partie aufzuarbeiten hat der SV 64 nicht. Denn schon am Donnerstag um 17 Uhr empfangen die Zweibrücker im Nachholspiel den TV Gelnhausen (3:3 Punkte) in der Westpfalzhalle, bevor am kommenden Samstag um 18 Uhr das Duell mit Spitzenreiter Rodgau Nieder-Roden auf die Löwen wartet.

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