Saarbrücker Schauspielschule Saarbrücken war seine Emanzipation

Saarbrücken/Bochum · Günter Alt kam 1982 aus der hessischen Provinz an die Saarbrücker Schauspielschule. Von hier aus brach er auf zu Engagements auf vielen Bühnen in ganz Deutschland.

 Günter Alt (links) spielte in Kafkas Prozess den Mann im Dom bei den Bad Hersfelder Festspielen und gewann dort einen Preis der Kritiker-Jury.

Günter Alt (links) spielte in Kafkas Prozess den Mann im Dom bei den Bad Hersfelder Festspielen und gewann dort einen Preis der Kritiker-Jury.

Foto: Klaus Lebfevre

An Preisen mangelt es ihm nicht. In den vergangenen beiden Jahren wurde Günter Alt gleich zweimal als bester Schauspieler ausgezeichnet. 2019 erhielt er von einer Kritiker-Jury in Bad Hersfeld den Großen Hersfeldpreis, 2018 den Preis des Freundeskreises des Bochumer Schauspielhauses.

Dennoch waren die beiden Jahre für den gestanden Theaterschauspieler nicht einfach. Denn 2018 setzte in Bochum der neue Intendant Johan Simmons das ganze Ensemble auf die Straße. Nach 30 erfolgreichen Berufsjahren in festen Engagements an Theatern, davon die letzten fünf in Bochum, muss sich Alt seitdem erstmals als freiberuflicher Darsteller durchschlagen. Sich anzupreisen liege ihm nicht, sich zu verkaufen habe er nie gelernt, sagt der 58-Jährige, der sich jetzt erstmals einen Agenten suchen will.

Auf der Bühne versteht es der Schauspieler, hört man Kritiker, sich selbst in Nebenrollen in die Herzen der Zuschauer zu spielen. Er ist dennoch sehr selbstkritisch. Dabei hat er schon seit dem Kindergarten unablässig Theater gespielt, gemerkt, wie er auf der Bühne aufblühte und Talent bescheinigt bekam. Und nicht nur fürs Schauspielen. „Ich war auch noch in zig Vereinen“, sagt er: Akkordeonorchester, Spielmannszug, Chorleiter, Leiter und Choreograf einer Mädchentanztruppe, Turniertänzer. Ein richtiger Allrounder also, wie geschaffen fürs Theater, wozu ihm viele rieten. Doch er zögerte lange, stammt er doch aus einem kleinen hessischen Dorf, einer Handwerkerfamilie, die mit Theater überhaupt nichts am Hut hatte. „Dann hab’ ich mir aber doch gesagt, ich muss es versuchen, damit ich mir später nicht vorwerfen kann, es nie probiert zu haben,“ erzählt Alt.

Also setzte er sich 1982 kurz vor dem Abi in den Zug nach Saarbrücken, um an der Schauspielschule, die ihm als „die unbürokratischste“ erschien, die Aufnahmeprüfung zu machen. „Alle um mich herum waren nervös, nur ich war entspannt“, weiß er noch – und bekam prompt eine Zusage. Im Herbst begann für Alt ein neues Leben: „Es war für mich eine richtige Emanzipationsgeschichte“, sagt er. „Ich habe meinen Dialekt abtrainert, arbeitete in einer bunt gemischte Truppe mit verschiedenen Nationalitäten und Mentalitäten, wohnte zum ersten Mal in einer Großstadt, das fand ich faszinierend“, erinnert sich Alt. Er genoss es, ins Kino gehen zu können, zu den ersten Max-Ophüls-Filmfestivals, zum Perspectives-Festival, überhaupt die Nähe zu Frankreich, die Kneipen. Schon ab dem ersten Jahr habe ihn außerdem der damalige Oberspielleiter Jürgen Lawrenz für kleine Rollen ans Landestheater geholt. Alles lief bestens. Doch trotz zahlreicher Vorsprechen fand Alt nach dem Abschluss erstmal kein Engagement, „weil die Theater mich zwar toll fanden, aber keinen jungen Dicken wollten“, wie er sagt.

Also jobbte er noch eine Zeit lang als Kellner. Erst als der saarländische Schauspieler Matthias Kniesbeck ihn in Darmstadt empfahl, bekam er seine Chance – und überzeugte. „Aus einem Stück wurden zwei und dann sechs Jahre“, so Alt. Von Darmstadt nahm ihn Schauspieldirektor Klaus Weise mit zum neuen Schauspiel Oberhausen. Nun kamen die großen Rollen. Etwa Hamlet. Zuschauer und Kritik waren begeistert. „Sie sagten, dass man noch mal neu zuhört, wenn da nicht der übliche schmächtige, junge Typ die Rolle spielt“, erinnert sich Alt, der in Oberhausen auch mit seinem Tenor in Operetten und Revuen und als Moderator aller Theatergalas brillierte und zweimal den Publikumspreis errang. Nach elf Jahren ging er mit Weise zum Bonner Schauspielhaus, und als dort nach zehn Jahren der Intendant wechselte, rief Bochum an. Bevor dort Schluss war, warben ihn zwar 2018 die Bad Hersfelder an, doch die können für ihre Festspiele leider nur Gastengagements für den Sommer vergeben. „Ich merke jeden Tag, wie mir das Spielen fehlt und auch jeden Tag zum Theater zu gehen und die Kollegen zu sehen“, sagt Alt. Doch aufgeben ist seine Sache nicht. Vor ein paar Tagen kam wieder ein Anruf. Im nächsten Jahr wird er wieder in Bonn gastieren.

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