Kolumne Homburger Woche Erinnerungslücke vor Gericht

Am kommenden Mittwoch wird die fünfte Kammer des Landgerichts Saarbrücken das Urteil gegen den seit knapp zwei Jahren suspendierten Homburger Oberbürgermeister Rüdiger Schneidewind (SPD) verkünden.

 Kommentarkopf, Foto: Robby Lorenz

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Foto: SZ/Robby Lorenz

Genau 23 Monate nach dem Urteil im ersten Prozess, das vom Bundesgerichtshof (BGH) gekippt und zur Neuverhandlung zurückgereicht wurde. Die lange Zeit hat durchaus Spuren hinterlassen und führt bei einigen Beteiligten anscheinend nicht nur zu Ermüdungserscheinungen, sondern sorgt auch für Erinnerungslücken. So behauptete Schneidewind-Verteidiger Joachim Giring im neuen Prozess bereits mehrfach, er könne sich nicht an Aussagen des früheren Rechtsabteilungsleiters der Stadt, Gerd-Michael Juen, erinnern, dass dieser im Jahr 2015 den OB darauf hingewiesen habe, eine Überwachung von Mitarbeitern durch eine Detektei dürfe zehn Tage nicht überschreiten. Und da geht es um eine für den Prozessausgang durchaus schwerwiegende Aussage. Erstens würde diese belegen, dass ein ranghoher Fachbereichsleiter seinen Chef sehr wohl gewarnt hat. Zweitens, dass Schneidewind gegen den juristischen Ratschlag den Auftrag verlängert und damit für die exorbitant hohe Detektiv-Rechnung allein verantwortlich ist. Der Untreue-Vorwurf würde untermauert. Doch Verteidiger Giring wollte sich auch in seinem Plädoyer nicht an diese Aussage erinnern. Klar, er will die Glaubwürdigkeit des Zeugen Juen erschüttern, was durchaus legitim ist. Das hatte aber zur Folge, dass Oberstaatsanwalt Peter Thomé am Mittwoch die Geduld verlor und einen so genannten Hilfsbeweisantrag stellte. Das bedeutet: Falls auch die Strafkammer tatsächlich davon ausgehen sollte, dass Juen oben genannte Aussage im ersten Prozess nicht getroffen hat, beantragt Thomé die Anhörung der Richter von vor zwei Jahren. Der Oberstaatsanwalt betont also, der Rechtsamtsleiter habe am 30. Januar 2019 vor dem Landgericht sehr wohl begründet, dass eine Überwachung über maximal zehn Tage möglich sei.

In der Tat hat unsere Zeitung einen Tag nach Juens Anhörung, am 31. Januar 2019, in ihrem Landesteil folgendes berichtet: „Der Verwaltungsmann (Juen) will seinen OB auch darauf hingewiesen haben, dass die Oberservation maximal zehn Tage dauern dürfe. Alles andere sei ,unverhältnismäßig’. Im Protokoll seiner polizeilichen Vernehmung und in einem Aktenvermerk sei davon nichts zu lesen, betonte Verteidiger Giring“ (Ende des Zitats). Letzterer hat also die Aussage nicht nur gehört, sondern sogar  darauf reagiert. Ob Juen den OB 2015 tatsächlich gewarnt hat – die Bewertung dieser Aussage ist Sache des Gerichts. Aber der Fachbereichsleiter hat in beiden Prozessen diese Aussage gemacht. Wessen Glaubwürdigkeit am Ende erschüttert ist, steht dahin.

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