Und wieder eine Stellungnahme zum Thema Windkraft in Blieskastel „Mit dem Artenschutz allein ist es nicht getan“

Blieskastel · Windkraft in Blieskastel: Biogeograf fordert „tiefergehendes Verständnis“ für die Belange von Klimaschutz und Artenschutz.

 Das Thema Windkraft in Blieskastel ist das seit Wochen beherrschende Thema in unserer Region und darüber hinaus.

Das Thema Windkraft in Blieskastel ist das seit Wochen beherrschende Thema in unserer Region und darüber hinaus.

Foto: Stadtwerke Merzig

„Daher weht der Wind – Reflexion eines Diskussionsprozesses zwischen Windwahn, Interessenvertretung und stadtplanerischer Verantwortung am Beispiel einer ländlichen Gemeinde im Bliesgau“: Mit diesen Worten hat Dr. Dieter Dorda, Dipl. Bio-Geograf und Fachautor zum Thema „Windkraft und Naturschutz“ seine Stellungnahme zu dem Thema überschrieben, das seit Ende vergangenen Jahres nicht nur in Bliekastel heftig diskutiert wird.

Nachfolgend die Ausführungen des Gersheimers. „Sagt diese Stadtratssitzung ab“, titelte die SZ am 15. Dezember und setzte sich damit - nicht nur bildlich gesehen - an die Spitze vieler der an gleicher Stelle gedruckten Stellungnahmen. „Es ist ein echter Skandal“, lautete der dazugehörige Kommentar. Von einer unwiederbringlichen Zerstörung einer ganzen Landschaft war die Rede, von einem Durchpeitschen in der Öffentlichkeit und unglaublichen Schäden an Wäldern, die wohl in Folge unvermeidbarer Rodungen entstehen.

Worum geht es? Im Rahmen ihrer kommunalen Planungshoheit strebt die Stadt Blieskastel eine Änderung ihres Flächennutzungsplanes an, um auf dessen Grundlage den Bau von Windenergieanlagen (WEA) prinzipiell zu ermöglichen. Das ist, aus dem Blickwinkel eines gänzlich Unbeteiligten, nichts anderes als planerischer Alltag. Von Scheinriesen des Klimaschutzes wird gesprochen, von Übertreibung, von einer Ausgrenzung der Bürger. Ist dieser Versuch einer öffentlichen Meinungsbildung nicht schon am ersten Tage aus dem Ruder gelaufen?

„Windkraft und Naturschutz“ ist ein vielseitiges und spannendes Thema, zweifellos aber auch eines mit der „Lizenz“ zu polarisieren, denn offensichtlich mögen sich die Beiden nicht. Da sind zum einen die Artenschützer, für die der Betrieb von Windenergieanlagen einfach nicht tolerabel ist. Auch sind da die Bewahrer der Kulturlandschaft, für die Windkraft schlicht zu einer Verspargelung der Landschaft führt. Andere Betrachter jedoch finden bei den mastenartigen Eingriffen in das Landschaftsbild durch WEA nichts Verwerfliches und verstehen die Aufgeregtheit einiger Zeitgenossen nicht, angesichts einer doch ungleich höheren, potenziellen Bedrohung des Lebens, z.B. durch Atomkraft. Für die einen ist Windkraft das Non plus ultra, für die anderen dagegen schon fast eine persönliche Bedrohung.

Gerade zum Thema „Windkraft“ hat sich seit den 2000er Jahren die Anzahl an wissenschaftlichen Publikationen mehr als verzehnfacht. Grund dafür ist eine wohl einmalige Forschungsdichte zu diesem Thema. Es lässt sich ohne Zweifel behaupten, dass die planerische Steuerung der Ansiedlung von Windenergie-Anlagen im Außenbereich mit zu den komplexesten Materien des europäischen Raumordnungs- und Planungsrechts gehört.

Es würde den vorgegebenen Rahmen einer Lesermeinung sprengen, würde man versuchen, das für die Genehmigung von WEA notwendige Prüfverfahren in seiner ganzen Länge zu skizzieren. Zum besseren Verständnis soll aber dennoch auf die Inhalte eines solchen Prüfverfahrens kurz eingegangen werden: Im Mittelpunkt der Betrachtung steht immer die Ermittlung der sogenannten „windhöffigen Flächen“, das sind Flächen, die durch eine ausreichende Windgeschwindigkeit gekennzeichnet sind. Davon „abgezogen“ werden die sogenannten „Ausschlussgebiete“ (zum Beispiel Schutzgebiete). Es ergeben sich die sogenannten „Konzentrationszonen“, die in einem Flächennutzungsplan als „Sondergebiete Windenergie“ dargestellt werden können. Auf der Basis von Konzentrationszonen werden schließlich die konkreten Standorte für die einzelnen Windkraft-Anlagen abgeleitet. Jeder dieser Standorte wird anschließend weiter geprüft im Hinblick auf den Immissionsschutz sowie auf den Artenschutz. Bei Letzterem stehen die „windkraftsensiblen Arten“ im Vordergrund. Ausschlaggebend dafür ist das Bundesnaturschutzgesetz (§ 44). Dieser formuliert Tötungs- und Störungsverbote für die besonders und streng geschützten Arten. In der Praxis ist eine artenschutzrechtliche Prüfung zwingend erforderlich. Dabei sind alle bau-, anlage- und betriebsbedingten Auswirkungen auf alle rechtlich relevanten Arten und deren Lebensräume zu begutachten.

Die Fachgutacher müssen nicht nur Abschaltpläne für die von den Windkrafträdern potenziell betroffenen Fledermäuse entwickeln. Auch müssen Mindestabstände von WEA zu Brutvorkommen/Rastplätzen von bestimmten Vogelarten erarbeitet und eingehalten werden. Grundlage dafür ist das „Helgoländer Papier“, das wiederum auf Abstandsempfehlungen der Vogelschutzwarten der einzelnen Bundesländer beruht und beim Rotmilan zum Beispiel einen Abstand von 3000 m um eine WEA vorgibt.

Mit dem Artenschutz alleine ist es aber nicht getan. Es geht auch um das Landschaftsbild – um dessen Bewertung sowie um einen Ausgleich für den durch das Aufstellen von Windkrafträdern entstehenden Eingriff in Natur und Landschaft. Hier sind standardisierte Bewertungsverfahren anzuwenden, die zwar bundesweit anerkannt sind – über die man aber auf fachlicher Ebene genüsslich streiten kann.

Dann, und nur dann, wenn ein für die Realisierung ins Auge gefasster potenzieller Windkraftstandort alle hier aufgezeigten Prüfschritte (mit positivem Ausgang) durchlaufen hat, ist er vom Grundsatz her genehmigungsfähig. Genehmigungsbehörde ist aber nicht die Kommune, sondern das Land.

Vor diesem Hintergrund muss auf einen weiteren Punkt eingegangen werden. Es ist die Forderung eines Teiles der Leser sowie die eines großen saarländischen Naturschutzbundes, den gesamten Bliesgau – (gemeint ist hier wohl das Biosphärenreservat – aus der Gebietskulisse für Windkrafträder komplett herauszunehmen. Das Biosphärenreservat Bliesgau heißt zwar so, es ist aber keines, jedenfalls kein solches im Sinne einer Käseglocke, in dem keine Nutzungen mehr möglich sein sollen. Das Biosphärenreservat Bliesgau ist vielmehr eine Modelllandschaft, in der auch zukunftsweisende Nutzungen erprobt und auch angewendet werden können. Gehört zu einer zukunftsweisenden Nutzung nicht auch die Windkraft? Wäre es nicht ehrlicher zu fordern, dass angesichts des hohen Arten- und Naturschutzpotentials gerade in der Biosphäre Bliesgau alle Prüfschritte für Windkraft-Standorte besonders gut eingehalten werden müssen?

Für das Gebiet des Biosphärenreservates Bliesgau wurde vor Jahren – gefördert mit Mitteln des Bundes – ein „Masterplan Klimaschutz“ aufgestellt. Ergebnis des Masterplanes ist, dass für die Gebietskulisse des Biosphärenreservates Bliesgau an regenerativen Energien nur Sonne und Windkraft in Betracht kommen. Wasserkraft spielt hier faktisch keine Rolle.

Wäre es nicht zielführend, im Bliesgau beides, die Gewinnung regenerativer Energie sowie den Artenschutz nebeneinander zu fördern? Angesichts der hohen Dichte an schutzwürdigen Arten und der vielen Ausschlussgebiete in Form von Naturschutzgebieten usw. ist per se zu erwarten, dass insgesamt nur wenige Standorte im Bliesgau für die Windkraft in Frage kommen. Das ist gut so. Artenschutz sollte im Bliesgau vor der Windkraftnutzung stehen. Aber doch nicht ausschließlich und nicht in der Form einer ethischen Position, die darauf bedacht ist, Probleme nicht im unmittelbaren Umfeld (Hinterhof) zu ertragen, was im anglophonen Sprachgebrauch mit „not in my backyard“ umschrieben wird .

 Der Diplom Bio-Geograf und Buchautor  Dieter Dorda.

Der Diplom Bio-Geograf und Buchautor Dieter Dorda.

Foto: Chiara Dorda

Im SZ Artikel vom 16. Dezember war in einem Kommentar die Rede davon, dass das Thema Windkraft ja längst noch nicht beerdigt wäre und im neuen Jahr wieder seinen Anlauf nehme. Wenn für das neue Jahr etwas offen ist, dann sei in die Region der Wunsch getragen, dass für den Fall, dass die Stadt Blieskastel den Flächennutzungsplan in Sachen Windkraft fortschreibt, dieses Verfahren mit weniger Polemik und einem tiefergehenden Verständnis für die Belange sowohl des Klimaschutzes als auch des Artenschutzes begleitet wird. Dabei ist vor allem den Anliegen der Bürger-Energie-Genossenschaft, die offensichtlich für den Bliesgau neue Wege beschreiten will, ein breiterer Raum an Verständnis entgegenzubringen.

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