Streit in der Saar-Groko Scholz bezieht Stellung im Impfpflicht-Streit – Rehlinger kontert Forderung von Hans

Update | Saarbrücken/Berlin · Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) pocht auf die Umsetzung der umstrittenen Corona-Impfpflicht für Personal in Pflegeheimen und Kliniken durch die Länder. Mit scharfen Worten reagiert Saar-Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger (SPD) auf die Forderung von Ministerpräsident Tobias Hans (CDU), die Impfpflicht im Gesundheits- und Pflegesektor auszusetzen.

Teil-Impfpflicht: Scholz pocht auf Umsetzung, Rehlinger kritisiert Hans
Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka

„Wir gehen davon aus, dass Gesetze eingehalten werden“, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nach Angaben des stellvertretenden Regierungssprechers Wolfgang Büchner am Mittwoch in Berlin. Büchner verwies auf die gültige Gesetzesregelung, die von Bundestag und Bundesrat beschlossen wurde. Die Länder hätten den Bund explizit gebeten, die Impfpflicht für Personal in Pflegeheimen und Kliniken als zusätzlichen Schutz für gefährdete Gruppen einzuführen. Für die Umsetzung seien die Länder zuständig.

Derweil kracht es wegen dieses Punkts kurz vor der Landtagswahl auch in der Großen Koalition im Saarland. Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) hatte am Dienstagabend in den „Tagesthemen“ im Ersten die Bundesregierung aufgefordert, die einrichtungsbezogene Impfpflicht bundesweit auszusetzen und nachzubessern. Hans begründete das mit Unterschieden zwischen den Bundesländern. Er sehe nicht, dass es eine „bundeseinheitliche Anwendung“ geben werde. „Es droht große Unterschiede zu geben in der Umsetzung“, sagte Hans. „Das führt dazu, das Chaos entsteht in Deutschland.“

Vize-Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) konterte Hans:„Verantwortliche Politiker sollten niemals Recht und Gesetz aus wahlkampftaktischen Gründen beiseite wischen.“ Es gehe um nicht weniger als den Schutz von Kranken und Pflegebedürftigen. „Da finde ich Ministerpräsidenten, die Opposition spielen, einfach unanständig“, so die SPD-Spitzenkandidatin für die Landtagswahl. Namentlich erwähnte Rehlinger ihren derzeitigen Regierungspartner in Saarbrücken nicht.

Juso-Vorsitzende stellt „Frage nach charakterlicher Eignung“ von Hans

Auch die Landesvorsitzende der Jusos Saa, Kira Braun, übt scharfe Kritik am saarländischen Ministerpräsidenten. „Der MP Tobias Hans hat in seinem Amtseid geschworen, Schaden von den Saarländer:innen abzuwenden. Wenn hier jetzt aus wahltaktischen Gründen mit der Gesundheit von Alten und Kranken gespielt wird, dann stellt sich die Frage nach der charakterlichen Eignung für dieses Amt“, schreibt sie auf Twitter.

Der Landesvorsitzende der Jungen Union Saar, Johannes Schäfer, wirft hingegen SPD und Jusos vor „die hochbrisante und hochdiskutable Frage“ der einrichtungsbezogenen Impfpflicht nutzen zu wollen, um Ministerpräsident Hans zu „diskreditieren“. Es sei wiederum „unanständig“, Hans unterstellen zu wollen, dass er mit der Gesundheit von alten und kranken Menschen spiele. Insbesondere von Seiten der Jusos sei hier eine Grenze überschritten worden.

Der Generalsekretär der Saar-CDU, Markus Uhl, warf Vize-Ministerpräsidentin Rehlinger ein „fragwürdiges Demokratieverständnis“ vor. Sie selbst habe „früher gerne gegen CDU-Bundespolitiker ausgeteilt“. „Frau Rehlinger wäre gut beraten mit ihren nervösen Äußerungen nicht weiter für Verunsicherung zu sorgen, sondern ihrer staatspolitischen Verantwortung gerecht zu werden“, so der Generalsekretär der Saar-CDU.

Uhl meint, dass mit der einrichtungsbezogenen Impfpflicht ein „Verschiebebahnhof“ des Personals in den Pflegeeinrichtungen zwischen den Ländern drohe. Es sei nicht im Interesse des Saarlandes, wenn Pflegekräfte von hier in andere Länder abwandern würden und die Träger „im Regen stehen gelassen werden“ mit der Frage, wie ungeimpfte Pflegekräfte zu behandeln seien. Es brauche vielmehr eine bundeseinheitliche Umsetzung, so Uhl.

Der gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Magnus Jung, knüpfte sich wiederum Ministerpräsident Hans vor. Für einen Auftritt in den „Tagesthemen“ sei Hans offenbar bereit „das Ansehen und Vertrauen in Politik aufs Spiel zu setzen“. Fakten seien auf der Strecke geblieben. Das Schreckgespenst „Verschiebebahnhof“ treffe nicht zu, denn Ungeimpfte dürften laut Gesetz nicht neu eingestellt werden. „Hans sollte auch nicht so tun als wäre die Umsetzung Problem des Bundes, nur weil sein saarländischen Gesundheitsministerium es nicht hinbekommt“, so Jung. Das Ministerium wird bekanntlich von CDU-Politikerin Monika Bachmann geführt.

Stichtag 16. März

Ab dem 16. März müssen Beschäftigte in Krankenhäusern, Altenheimen oder Arztpraxen nachweisen, ob sie gegen Covid-19 geimpft oder von der Krankheit genesen sind. Ausnahmen bestehen für Menschen, denen aus medizinischen Gründen eine Corona-Impfung nicht möglich ist. Im Saarland ist geplant, dass die Gesundheitsämter zunächst den Kontakt zu Angestellten suchen, deren Impfstatus unklar ist. Daran kann sich ein förmliches Verfahren anschließen, inklusive Bußgeldern. Aber in dieser Zeit dürfen die Beschäftigten weiterhin zur Arbeit gehen.

Die allgemeine Impfpflicht sei „in weite Ferne gerückt“

Für die einrichtungsbezogene Impfpflicht hatten im Bundestag neben den Ampel-Parteien auch CDU und CSU votiert. Im Bundesrat sprachen sich die von der Union geführten Länder ebenfalls dafür aus. Hans betonte, er habe „natürlich“ zugestimmt, doch das Gesetz sei „durch die Entwicklung mittlerweile überholt“. „Wir sind davon ausgegangen, dass die einrichtungsbezogene Impfpflicht der Auftakt ist zu einer allgemeinen Impfpflicht“, sagte er. Doch die allgemeine Impfpflicht sei „in weite Ferne gerückt“. Dagegen hielt Rehlinger, die jetzige Debatte drohe „das Vertrauen in Politik und demokratische Verlässlichkeit zu beschädigen“.  

Zuvor hatte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) angekündigt, die Neuregelung in seinem Land vorerst nicht umzusetzen. Auch der neue CDU-Parteichef Friedrich Merz hatte sich für deren Aussetzung ausgesprochen. Das sei die „ganz einhellige Meinung“ der Führungsgremien seiner Partei, sagte er bei einem Auftritt mit Tobias Hans am Dienstag in Saarbrücken.

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