Anti-Impfpflicht-„Spaziergänge“ Warum der Zweibrücker CDU-Politiker Christoph Gensch bei einer Corona-Demo mitlief

Zweibrücken · In Sozialen Medien wurde über die Teilnahme des Zweibrücker Arztes und Landtagsabgeordneten Christoph Gensch an einem der Corona-„Spaziergänge“ gestaunt. Warum er teilgenommen hat und wie er die „Spaziergänger“ wahrgenommen hat, haben wir bei ihm nachgefragt.

Zwei Mal zogen die Demonstranten gegen die Corona-Politik bei ihrem „Spaziergang“ auch diesen Montagabend (14.2.) durch die Fußgängerzone.

Zwei Mal zogen die Demonstranten gegen die Corona-Politik bei ihrem „Spaziergang“ auch diesen Montagabend (14.2.) durch die Fußgängerzone.

Foto: Lutz Fröhlich

„Weswegen lief Christoph Gensch eigentlich beim Montagsspaziergang letzte Woche mit? Haben paar Vögel gezwitschert, dass er mitlief ... Gab sogar nette Fotos, die belegen, dass er mitlief. Warum eigentlich?“ Das postete am Dienstag eine Gegnerin der Corona-Politik auf der Merkur-Facebookseite. Auch auf Telegram (wo viele Impfpflicht-Gegner aktiv sind) wird bereits erstaunt über die Teilnahme des Arztes und seit Pandemie-Beginn neben Oberbürgermeister Marold Wosnitza (SPD) mit Abstand engagiertesten Vertreters der Corona-Politik in Zweibrücken an der „Spaziergang“ genannten Demonstration diskutiert.

Ist Gensch etwa unter die Imfpflicht-Gegner gegangen? Nein. Auf Merkur-Anfrage betonte der prominente CDU-Stadtrat und Landtagsabgeordnete am Dienstag, er habe seine Meinung nicht geändert: „Die einrichtungsbezogene Impfpflicht finde ich absolut sinnvoll und medizinisch richtig – sie sollte auch zeitnah umgesetzt werden.“ Eine allgemeine Impfpflicht schon ab 18 Jahren fände er zwar „nicht zielführend“ – aber für Risikogruppen wie Menschen ab 50 ebenfalls „sehr wichtig“. Denn auch wenn die Infektionszahlen wie erwartet bald zurückgehen, will Gensch keine Wiederholung der letzten beiden Sommer, als manche die Pandemie-Wellen schon für gebrochen hielten, im Herbst/Winter die Zahlen aber wieder hochschnellten.

Der Rückgang anderer Infektionskrankheiten zeige zwar, dass andere Coronaschutz-Maßnahmen Wirkung zeigen – aber das Coronavirus sei „so hochinfektiös und mutatiös“, dass Impfschutz für Risikogruppen unverzichtbar sei: „Wir sollten da über den Tellerrand hinausblicken. Der Herbst wird und sonst wieder Probleme bereiten!“

Warum aber lief Gensch dann trotz seiner klar anderen Haltung bei den insbesondere die Impfpflicht ablehnenden Coronapolitik-Gegnern mit? Gensch klärt auf: „Ich wollte mir ein Bild machen, was sie bewegt, welche Punkte sie haben.“ Er sehe es „als Grundpfeiler der Demokratie, miteinander zu sprechen“. Er beobachte mit Sorge, dass bei etlichen Themen wie Corona- oder Migrations-Politik sich Bürger „vom demokratischen Staat abzuwenden beginnen“. Das gelte es zu verhindern – denn ohne demokratischen Grundkonsens drohten „verbale Gewalt“ oder sogar Schlimmeres.

Er habe dabei mit etwa zehn der nach seiner Schätzung hundert Teilnehmer gesprochen, so Gensch. „Inhaltlich sind wir da in vielen Dingen nicht zusammengekommen, es gibt viel Trennendes.“ Aber Gensch freute sich: „Die Gespräche sind alle vom Tonfall her auf einer sehr vernünftigen Basis gelaufen.“ Und er habe auch Verständnis dafür – wenn ihm ein Mann etwa erzählt habe, dass er als Ungeimpfter nicht mehr zum Friseur gehen könne und sich die Hälfte der Familie von ihm abwende –, dass die Corona-Politik manchmal „emotionalisiert“ betrachtet werde. Politik könne aber einfacher Überzeugungsarbeit leisten, wenn man auch mit Kritikern im Gespräch bleibe.

 Christoph Gensch, hier nicht als Politiker, sondern 2020 als Arzt bei einem Coronatest-Einsatz.

Christoph Gensch, hier nicht als Politiker, sondern 2020 als Arzt bei einem Coronatest-Einsatz.

Foto: Norbert Schwarz

Dass sein Mitlaufen bei der Demonstration auch kritisch beäugt wird, sei ihm schon vor Ort aufgefallen, berichtet Gensch: „So oft wurde mir noch nie aus vorbeifahrenden Autos heraus der Vogel gezeigt.“

Auch diesen Montag gab es wieder eine Demonstration von Coronapolitik-Gegnern durch die Innenstadt. Laut städtischer Ordnungsbehörde war es seit der Premiere am 16. Dezember bereits der 17. „Spaziergang“ (montags und oft auch donnerstags) in Zweibrücken. Die Ordnungsbehörde zählte am Montag 115 Teilnehmer (laut Polizei 120, nach Merkur-Schätzung mindestens 150). Die meisten Teilnehmer gab es laut Stadt am 24. Januar mit 146.

Da die Demonstrationen politisch motiviert sind und nicht spontan stattfinden, müssen sie laut dem deutschen Versammlungsrecht eigentlich bei der Ordnungsbehörde angemeldet werden. Dies aber sei bei allen bisherigen Zweibrücker Spaziergängen nicht passiert, bestätigte Stadtsprecher Jens John am Dienstag auf Merkur-Anfrage.

Bereits Anfang/Mitte Januar hatte die Stadt erklärt, warum sie die Anmeldepflicht bislang nicht durchsetze: „Die überwiegende Zahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer gehört nach den Erkenntnissen der Ordnungsbehörde zum ,bürgerlichem Spektrum‘ und ist bisher weder politisch noch polizeilich in Erscheinung getreten.“ Die Veranstaltungen verliefen friedlich, und: „Der Großteil der Teilnehmerinnen und Teilnehmer kommt den Auflagen, Masken zu tragen und Abstand zu halten, bisher nach.“

„Gewalttätige Zwischenfälle gab es bisher in Zweibrücken keine“, bekräftigte die Stadt auch jetz am Dienstag.

Aber: Wie der Merkur-Reporter diesen Montagabend beobachtete, tragen die „Spaziergänger“ mittlerweile keine Masken mehr. Nach der Anfang Januar geltenden rheinland-pfälzischen Corona-Bekämpfungsverordnung konnte man bei Versammlungen Auflagen wie Masken-Pflicht erlassen – seit der neuen Verordnung vom 28. Januar ist dies sogar immer vorgeschrieben: „Bei Versammlungen nach Artikel 8 des Grundgesetzes gelten das Abstandsgebot nach § 3 Abs. 1 und die Maskenpflicht nach § 3 Abs. 2 Satz 2.“

Wenn die Zweibrücker Ordnungsbehörde die Demonstrationszüge nicht als politische „Versammlung“, sondern als bloße Spaziergänge/Zusammenkünfte (wie von den Organisatoren behauptet; Reden oder Transparente gibt es deshalb nicht) bewerten würde, wäre dies laut Corona-Verordnung eigentlich auch rechtswidrig. Denn dort steht: „Geimpfte, genesene und diesen gleichgestellte Personen dürfen sich im öffentlichen Raum nur mit bis höchstens zehn Personen gemeinsam aufhalten.“ Ungeimpfte sogar nur zwei Personen.

Auf die Merkur-Anfragen hierzu ging die Stadt in ihrer Antwort nicht konkret ein und verwies lediglich auf „die Verhältnismäßigkeit: „Alle ,Spaziergänge‘ wurden durch die Polizei und die Ordnungsbehörde überwacht. Dabei festgestellte Verstöße gegen das Versammlungsgesetz (bisher wurden Strafanzeigen gegen vier Personen eingeleitet) oder die geltende Corona-Bekämpfungsverordnung Rheinland-Pfalz wurden vor dem Hintergrund der Verhältnismäßigkeit beanzeigt.“

Die Zweibrücker Ordnungsbehörde befinde sich zudem „in ständiger Abstimmung“ mit der Polizei und den Nachbarkommunen.

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