Saarbrücker helfen Einwanderern

Saarbrücken · Aus welchem Land sie auch kommen, Flüchtlinge fühlen sich am neuen Aufenthaltsort oft mit der Sprache und den Behörden überfordert. Der Verein Pro Ehrenamt und die Stadt Saarbrücken haben deshalb Ehrenamtliche zu Betreuern von Flüchtlingen ausgebildet. Denn sie sollen ja ankommen – ganz wie es der Projektname schon sagt.

 Das St. Johanner Mehrgenerationenhaus des Roten Kreuzes ist der Mittelpunkt des neuen Hilfenetzes für Einwanderer. Suvada Kadic (Zweite von links) und Hans Joachim Müller (Dritter von rechts) begrüßen Ehrenamtliche am Eingang. Foto: Iris Maurer

Das St. Johanner Mehrgenerationenhaus des Roten Kreuzes ist der Mittelpunkt des neuen Hilfenetzes für Einwanderer. Suvada Kadic (Zweite von links) und Hans Joachim Müller (Dritter von rechts) begrüßen Ehrenamtliche am Eingang. Foto: Iris Maurer

Foto: Iris Maurer

Von Soldaten bedroht, flüchtete eine vierköpfige Familie vergangenen Herbst aus ihrer syrischen Heimat. Drei Tage lang irrte sie ohne Essen durch die Wälder. Bis sie die rettende Grenze zur Türkei erreichte. Von dort schafften es die vier nach Deutschland, in die Flüchtlingsaufnahmestelle Lebach und schließlich nach Saarbrücken.

Hier sind sie in Sicherheit - aber noch lange nicht angekommen. "Viele mussten ihre Familie zurücklassen, sind schwer traumatisiert. Hier wird dann von ihnen erwartet, sich direkt zu integrieren, die deutsche Sprache zu verstehen, sich mit den Ämtern auszukennen. Dabei muss man sich ihnen erst einmal auf menschlicher Ebene nähern", sagt Suvada Kadic, die in Montenegro geboren wurde und 1995 vor dem Bosnienkrieg nach Deutschland flüchtete.

Ihre Erlebnisse brachten sie dazu, das Projekt "Ankommen - Netzwerk für Flüchtlingsarbeit" auf die Beine zu stellen. "Ich habe mitbekommen, dass die Beratungsstellen für Flüchtlinge heillos überfüllt sind, und dachte mir, dass bestimmt noch mehr Menschen helfen wollen." So wandte sie sich an Hans Joachim Müller, den Präsidenten des Vereins Pro Ehrenamt. Dieser war sofort bereit, die Kosten des Projekts zu tragen.

Auch Martin Becker vom Zuwanderungs- und Integrationsbüro der Stadt Saarbrücken sicherte seine Unterstützung zu.

Acht bis zehn Helfer hatten Kadic und ihre Mitstreiter nach ihrem Aufruf in der Saarbrücker Zeitung erwartet. Am Ende ließen sich 42 Freiwillige zwischen März und Mai in wöchentlichen Sitzungen im Saarbrücker Mehrgenerationenhaus zu Flüchtlingsbetreuern ausbilden. "Wir waren völlig überwältigt, wie viele helfen wollen", sagt Kadic: "Die Gruppe ist so bunt wie unsere Gesellschaft. Die Hälfte kommt aus dem Ausland, und es sind viele Berufsgruppen in jedem Alter vertreten - Hausfrauen, eine Journalistin, ein Arzt, eine Rechtsanwältin."

Vorträge klärten die Teilnehmer über die derzeit größten Flüchtlingsländer wie etwa Syrien, Somalia und Eritrea auf. Auch wie sie den Flüchtlingen bei Asylanträgen helfen können, erfuhren sie. Eine Psychologin erläuterte, wer seelischen Beistand braucht - und wo dabei die Grenzen der Ehrenamtlichen liegen.

Kadic und ihr Stellvertreter Ahmet Kadas koordinieren das Netzwerk. Sie gehen in die Flüchtlingshäuser und vermitteln die Neuankömmlinge direkt an die Betreuer. "Es gibt eine Liste, auf der steht, wer was kann, wo seine Stärken und Schwächen liegen", sagt Kadic.

Helferin Sana Balich kümmert sich um die anfangs genannte syrische Familie, begleitet sie zu Behörden und Ärzten und dolmetscht für sie. "Die Familie leidet unter schlaflosen Nächten. Die Mutter glaubt immer noch, Explosionen zu hören", sagt die gebürtige Marokkanerin. Umso wichtiger sei es, die Familie abzulenken, mit ihr etwa in die Stadt zu gehen.

Auch Katharina Schuh setzt sich für die Flüchtlinge in Saarbrücken ein. Die 28-Jährige hat bereits zwei Syrer zum Amtsgericht begleitet, um mit ihnen Asylanträge zu stellen. Für sie war die Flüchtlingskatastrophe vor Lampedusa der Auslöser, sich zu engagieren. "Das ist genau das Richtige für mich", sagt Schuh: "Auch wenn es einen ganz schön mitnimmt, wenn ein gebildeter, 37-jähriger Syrer plötzlich ganz starr vor Angst wird, sobald im Amtsgericht ein Polizist vorbeiläuft."

Auch für die anderen Teilnehmer scheint "Ankommen" das richtige Projekt zu sein, wie das abschließende Treffen im Mehrgenerationenhaus zeigt. Dort diskutieren sie rege darüber, wer Eritreern bei der Wohnungssuche helfen oder wie ein Familienvater aus dem Südsudan, dessen Frau und zwei Kinder ermordet wurden, in einen Verein integriert werden kann. "Das Projekt zeigt mir vor allem eines", sagt Schuh: "Dass unsere Zivilgesellschaft funktioniert."

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Auf einen BlickIn Saarbrücken leben derzeit nach Angaben der Stadt 130 Flüchtlinge. Zwischen Januar und April hat das Saarland insgesamt 632 Asylbewerber aufgenommen. Nach Angaben des Innenministeriums haben davon 301 Zuwanderer aus Syrien, 72 aus Eritrea, 69 aus Afghanistan und 53 aus Serbien einen Asylantrag gestellt.Eine Beratung für Flüchtlinge bieten die Organisatoren des Projekts mittwochs zwischen 17.30 und 20 Uhr im Mehrgenerationenhaus in der Ursulinenstraße 22 in Saarbrücken an. Wer das Projekt "Ankommen - Netzwerk für Flüchtlingsarbeit" unterstützen will, kann sich bei Suvada Kadic melden unter Tel. (06 81) 3 96 10 18 oder per E-Mail: ankommen@pro-ehrenamt.de.

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