„Keiner will dem anderen wehtun“

Ginge es nach der Industrie- und Handelskammer (IHK) Saar, dann würden die Kommunen viel stärker bei Schwimmbädern, Mehrzweckhallen und Personal sparen. Hauptgeschäftsführer Volker Giersch erläutert im Gespräch mit SZ-Redakteur Daniel Kirch seine Forderung.

 Volker Giersch fordert größere Sparanstrengungen. Foto: Dietze

Volker Giersch fordert größere Sparanstrengungen. Foto: Dietze

Foto: Dietze

Herr Giersch, Sie fordern einen "Businessplan" für das Saarland. Was soll da drinstehen?

Giersch: Wir empfehlen der Landesregierung, ein schlüssiges Zukunftskonzept zu entwickeln, das aufzeigt, wie sich unser Land erfolgreich im Wettbewerb der Regionen behaupten kann - trotz aller Sparzwänge. Dieses Konzept muss dann Grundlage sein für eine Finanzplanung 2020. Beides gehört zusammen. Einen solchen Businessplan brauchen wir dringender denn je. Wir könnten damit nach innen und außen deutlich machen: Mit der richtigen Strategie und angemessener Solidarhilfe aus dem Bund hat das Saarland durchaus gute Zukunftschancen. Das wäre insbesondere auch wichtig, um im Land eine breite Aufbruchstimmung zu erzeugen.

Wie kommen Sie darauf, dass die Eigenständigkeit durch zu hohe Ausgaben gefährdet ist?

Giersch: Zunächst sollten wir zur Kenntnis nehmen, dass unser Land nur sehr begrenzt ein Einnahmeproblem hat. Nach dem Finanzausgleich haben Land und Kommunen je Einwohner nur etwa vier Prozent weniger zur Verfügung als die Länder im Schnitt. Das lässt sich durch eine kluge Politik, die klare Prioritäten setzt, wettmachen. Auf der Ausgabenseite hat das Land dagegen massive Sonderlasten zu tragen: Zinsen und Pensionen, die um rund 450 Millionen Euro über dem Durchschnittswert liegen. Deshalb brauchen wir dringend einen Altlastenfonds. Wir geben aber auch in anderen Bereichen zum Teil noch mehr aus als die übrigen Länder.

Wo wollen Sie mehr sparen?

Giersch: Zunächst sind die Ausgabenüberhänge konsequent abzubauen - auch beim Personal. Land, Kreise und Kommunen haben, je Einwohner gerechnet, seit 2007 rund 13 Prozent Personal aufgebaut. Sie beschäftigten zurzeit 17 Prozent mehr Staatsdiener als Schleswig-Holstein. Da ist ein Abbauziel von zehn Prozent bis 2020 nicht gerade ambitioniert. Ich sehe jedenfalls ein erhebliches Risiko, dass wir am Ende zu viel für Personal ausgeben und nicht genug Geld bleibt für Investitionen und Zukunftsgestaltung. Unser Land würde im Länderwettbewerb dann unweigerlich zurückfallen. Wir müssen alles tun, um die konsumtiven und investiven Ausgaben in der richtigen Balance zu halten. Dazu sind über kurz oder lang grundlegende Strukturreformen nötig.

Was schwebt Ihnen da vor?

Giersch: Der Magdeburger Professor Wolfgang Renzsch hat als Modell einen "Regionalstaat Saarland" entworfen. Er schlägt vor, Strukturelemente eines Stadtstaates auf unser Land zu übertragen - das heißt unter anderem, eine Verwaltungsebene zu streichen. Für dieses Modell habe ich viel Sympathie. Flachere Hierarchien sind nötig, wenn wir nachhaltig effizienter werden wollen.

Dafür gibt es in der Politik keine Mehrheit.

Giersch: Zumindest kurzfristig nicht. Umso wichtiger ist es, jetzt rasch über Teillösungen nachzudenken - darüber etwa, wie wir in den Kommunen das seit Langem zu große Angebot an Schwimmbädern, Sporteinrichtungen oder Mehrzweckhallen der sinkenden Nachfrage anpassen. Bei den Bädern leisten wir uns 60 Prozent mehr bewirtschaftete Wasserfläche als die Kommunen anderswo. Die Defizite sind entsprechend hoch. Sie müssen runter. Das Motto muss heißen: mehr Klasse, weniger Masse. Über andere Strukturen, etwa über landesweite Trägergesellschaften, ließe sich das erreichen.

Sind das eigentliche Problem der Kommunen aber nicht die steigenden Sozialausgaben?

Giersch: Sie sind es nur zum Teil. Auffallend ist, dass die Ausgaben für Sozial- und Jugendhilfe hier im Land relativ hoch sind. Wir müssen nach Wegen suchen, sie durch effizientere Förderstrukturen zu begrenzen. Aber auch der Bund sollte helfen - etwa beim weiteren Kita-Ausbau oder der Integration von Flüchtlingen. Die Saar-Kommunen werden dennoch nicht umhinkommen, ihre Personalkosten zu dämpfen, Defizite bei den Infrastrukturen abzubauen und stärker miteinander zu kooperieren.

Die Steuersenkungen seit 1998 haben nach Berechnungen der Gewerkschaften ein Loch von 160 Millionen Euro in die Gemeindekassen gerissen. Man müsste nur die Steuern erhöhen.

Giersch: Nur nicht! Das wäre angesichts des Rekordstandes bei den Steuern völlig verfehlt - zumal die Kommunen in acht Bundesländern bereits schwarze Zahlen schreiben.

Sie erwecken den Eindruck, als habe die öffentliche Hand im Saarland generell ein Problem mit sparsamem Haushalten.

Giersch: In unserem kleinen Land kennt jeder jeden und keiner will dem anderen wehtun. Das mag bisweilen dazu verleiten, allzu sehr auf Konsens zu setzen und bei schmerzhaften, aber nötigen Reformen zu zögerlich zu sein.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort