Kalk hilft Bäumen im sauren Boden

Saarbrücken · Der Hubschrauberpilot Friedrich-Wilhelm Pfennig geht täglich mehrfach in die Luft und schüttet tonnenweise Kalk auf den Wald. Das hilft den Bäumen. Denn ohne den Kalk würde der Boden so sauer, dass alle Pflanzen eingehen.

 Waldkalkung bei Von der Heydt. Foto: Becker & Bredel

Waldkalkung bei Von der Heydt. Foto: Becker & Bredel

Foto: Becker & Bredel
 Kämpfen für den Wald: (v.l.) Förster René Fontaine, Pilot Friedrich-Wilhelm Pfennig, Radlader-Fahrer Jürgen Antel. Foto: Becker & Bredel

Kämpfen für den Wald: (v.l.) Förster René Fontaine, Pilot Friedrich-Wilhelm Pfennig, Radlader-Fahrer Jürgen Antel. Foto: Becker & Bredel

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Dass sich Friedrich-Wilhelm Pfennig in seiner Freizeit dem besinnlichen Hobby "Orchideen" hingibt, versteht man leicht, wenn man ihn in seinem anstrengenden Berufsalltag beobachtet. Der 61-Jährige ist Hubschrauberpilot in Diensten einer baden-württembergischen Firma. Sein Arbeitsplatz ist in diesen Tagen und Wochen der Saarkohlenwald, der aus dem Helikopter heraus gekalkt wird. Man will damit die Versauerung der Böden aufhalten. Fast 2200 Hektar sind zu bearbeiten, ausgenommen sind der Urwald sowie Bachläufe.

Unter Pfennigs Fluggerät hängt an einem 18 Meter langen Seil ein Verstreugerät, das knapp eine Tonne Kalk fasst und den Inhalt auf Knopfdruck freigibt. Das geschieht aus einer Höhe von etwa 30 bis 50 Metern, und zwar idealerweise fast im Minutentakt. Die Länge des Seils hat sich aus Gründen der Arbeitsökonomie so eingespielt: lang genug, damit der Kalk nicht durch den Wind der Rotoren aufgewirbelt wird und den Piloten "einnebelt". Und gleichzeitig kurz genug, damit Pfennig noch sieht, wo er die Fracht ablässt.

Es ist ein unentwegtes Landen, aufnehmen von Kalk, Abfliegen, Abwerfen von Ladung und Zurückkehren, um neuen Kalk zu "tanken". Wenn das Wetter passt, also bei klarer Sicht und Windstille, schafft der Berufsflieger über 200 Tonnen Kalk pro Schicht, das sind etwa 220 einzelne Flüge. Der Laie staunt, mit welcher Ruhe und Eleganz der Pilot den turbinengetriebenen, 780 PS starken Helikopter zwischen den Bäumen bewegt - oder auch 18 Meter über dem Boden in der Luft stehen lässt, während sein Kollege Jürgen Antel mit dem Hublader immer und immer wieder neuen Kalk in den leeren Behälter füllt. Oft sieht es so aus, als ob die Bäume rechts und links und vorn und hinten so stehen, dass die Rotorblätter genau dazwischen passen. Pfennig muss unentwegt dreidimensional denken und manövrieren. Dabei muss er "auch die Hochspannungsleitung mitbedenken", die als Erschwernis hier und da auch noch im Weg gespannt ist.

Damit aber kein falsches Bild aufkommt: Friedrich-Wilhelm Pfennig mag seinen Beruf sehr, wie er in einer Pause berichtet, die er jede Stunde einlegt. Nicht, dass er die unbedingt bräuchte, nein - der Hubschrauber wird alle 60 Minuten neu betankt mit 180 Litern Kerosin, gezapft aus einem Lastwagen auf der Waldlichtung. Das Hubschrauberunternehmen ist eigenständig und flexibel. Heute hier, morgen da. Wie es aussieht, so berichtet der Pilot, werde er bis 65 arbeiten - und vielleicht sogar bis 70, wenn man ihn nur lasse.

Er erinnert sich noch gut an die Anfänge der Waldkalkungen in Deutschland 1983: Man habe sich damals mit geliehenen Streugeräten aus der Landwirtschaft beholfen; bei jedem Flug habe man die Behälter neu an den Haken genommen. Heute dagegen sei diese Tätigkeit technisch gut und kosteneffizient entwickelt bis ins Detail. So sei die kleine Streuscheibe am unteren Auslass des Kalkbehälters elektronisch betrieben und wartungsarm. Früher sei diese Scheibe mit einem Verbrennungsmotor ausgestattet gewesen. Und dank moderner GPS-Technik ist gewährleistet, dass der Kalk auch wirklich gleichmäßig über den Wald rieselt - 6500 Tonnen insgesamt, 300 Gramm je Quadratmeter, wie Saarförster René Fontaine rasch ausrechnet, der Koordinator der Kalkung. Für Pfennig und Antel ist die Arbeit in den Staatswald-Revieren von Saarbrücken, Püttlingen, Sulzbach, Riegelsberg und Quierschied relativ entspannt. Was damit zusammenhängt, dass das Heranbringen und Zwischenlagern von Kalk gut gelingt und dadurch zügig gearbeitet werden kann. René Fontaine hat mit seinen Waldarbeitern etwa 30 Beladestationen im Saarkohlenwald ausgewiesen und eingerichtet. Dass zu Beginn der Arbeiten mal ein Lkw bei der Anlieferung im Forst stecken blieb und mühsam geborgen werden musste, war ein Zwischenfall, der rasch abgehakt wurde. "Kann mal passieren", heißt es. Der Nebel hätte eine Kalkung ohnehin vereitelt, und die Kosten trage der Spediteur.

Viele Gedanken macht sich Fontaine um die Sicherheit in den zu kalkenden Abschnitten. Sie werden alle gesperrt. Vereinzelte Spaziergänger halten sich jedoch nicht an die Betretungsverbote und bringen sich dadurch in Gefahr. Wie der gelernte Gärtner und Forstoberinspektor erklärt, sei der Kalk nicht giftig oder gefährlich. Es sei aber möglich, dass Steinchen umherflögen.

Die Waldkalkung - wie man hört, gut eine halbe Million Euro teuer - ist eine "internationale" Angelegenheit: Europaweit ausgeschrieben, ging der Zuschlag an eine baden-württembergische Firma, die wiederum Subunternehmen aus der halben Republik mit diversen Aufgaben betraut. Außer den ortskundigen Organisatoren vom Saarforst kommt auch viel Kalk aus der Heimat, genau gesagt aus einem Bruch in Perl-Besch. "Schön streufähig, gute Körnung", freut sich Pilot Friedrich-Wilhelm Pfennig.Derzeit wird der Saarkohlenwald gekalkt. Es ist nicht die erste Kalkung in der Region: 2007 ließ das Stift St. Arnual Kalk ausbringen über seinen Waldflächen in Klarenthal und St. Arnual. 2009 veranlasste der Saarforst-Landesbetrieb eine Kalkung des Warndtwaldes. Hat das genützt gegen die Versauerung der Böden?

Erich Fritz, Leiter des Geschäftsbereichs Forstplanung bei Saarforst, antwortet mit einem klaren Ja: "Die Kalkung wirkt." Wobei er noch keine Ergebnisse aus unserer Region vorliegen hat. Wohl aber aus dem Homburger Raum, in dem das Kalken 2006 begann. Der pH-Wert der Böden ist dort angestiegen - dieser Wert misst den Säuregrad: je niedriger, desto saurer. Vor allem habe der Ernährungszustand der Bäume sich merklich gebessert. Das misst man, erklärt er, indem man in Laubproben den Gehalt an wichtigen Nährstoffen untersucht. Speziell für Magnesium und Kalzium gebe es Grenzwerte. Liege der Gehalt der Blätter darunter, leide die Pflanze Mangel. Die Kalkung habe die Lage von sehr schlecht bis schlecht zu gut bis sehr gut oder gar optimal verändert.

Bei den Böden seien die Befunde unterschiedlich. In den oberen Schichten sei der pH-Wert zum Teil "signifikant" nach oben gegangen. In tieferen Schichten sei bisher wenig Veränderung festzustellen - es dauere halt, sagt Fritz, bis der Kalk nach unten wandere. Aber es gehe bei einer Waldkalkung auch nicht darum, den pH-Wert anzuheben. Ziel sei vielmehr, den Boden zu "puffern", damit Säure-Einträge seine Funktion als Pflanzen-Nahrungsspeicher nicht zerstören. Denn starke Versauerung ließe die Tonmineralien zerfallen, in deren Kristallgitter Magnesium, Kalzium und Kalium eingelagert sind. Und dann wären diese Nährstoffe für Pflanzen nicht mehr verfügbar.

In den Karbon-Böden des Saarkohlenwaldes liege der pH-Wert im Mittel bei 3,7. "Da ist eine Kalkung erforderlich", sagt Fritz. Einzelne Standorte mit Schluff in der Deckschicht seien noch weit saurer, mit Werten von 3,5 bis 3,6: "Da ist Kalken dringend erforderlich." Dass der frühere Staatssekretär Klaus Borger (Grüne) Kalkungspläne gestoppt hatte, bis auf einige - und längst nicht alle - Schluff-Flächen, sei "sachlich nicht zu begründen", sagt Fritz. "Für diese Standorte ist es ja fast schon zu spät." Kalken soll schließlich vorbeugen.

Eben drum habe man den Saarkohlenwald jetzt vorgezogen. Auch wenn nordsaarländische Böden noch saurer seien - im Saarkohlenwald drohe rasch fortschreitende Auswaschung von Nährstoffen. "Und da können wir noch mehr retten."

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