Aktion gegen Fremdenfeindlichkeit Als „Dschihadist“ beschimpft: Jetzt wehren sich Saarbahn-Beschäftigte gegen Rassismus

Saarbrücken · Nahezu täglich müssen Saarbahn-Mitarbeiter diese Ungeheuerlichkeiten erdulden. Mit einer besonderen Aktion geht das Unternehmen jetzt dagegen vor.

Saarbahn: So kämpfen Beschäftigte gegen Rassismus und Diskriminierung
Foto: Iris Maria Maurer

Es erscheint unfassbar, was der Busfahrer Mustafa (26) aus Saarbrücken erlebt hat. Weil ein unzufriedener Fahrgast wegen einer aus seiner Sicht zu langen Verspätung auf seinen Bus warten musste, warf er Mustafa (der seinen Nachnamen zum eigenen Schutz nicht nennen will), der an seiner Saarbahn-Uniform erkennbar, aber schon im Feierabend auf dem Heimweg war, eine Dose mit Bier hinterher. Der Vorfall vom 30. Juni 2020 ist bei der Polizei dokumentiert.

Dabei steht schon im Grundgesetz: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Die Realität sieht jedoch an vielen Orten, auch im Saarland, zuweilen anders aus. Auch der aus Syrien stammende Yazan (25, auch er möchte seinen Nachnamen lieber nicht nennen), der seit sechs Jahren in Deutschland lebt und seit drei Jahren bei der Saarbahn arbeitet, berichtet Beschämendes: „Ich habe in der Saarbahn Fahrscheine kontrolliert und jemand hat sich geweigert, mir seinen Fahrschein zu zeigen. Zu meinem deutschen Arbeitskollegen hat der Fahrgast dann gesagt: Ihnen zeige ich gerne die Karte, dem anderen nicht. Der gehört ja nicht zu uns.“

Yazan muss sich nach eigenen Worten auch häufig Beschimpfungen als „Islamist, Dschihadist oder auch Mohammedist“ anhören. Manchmal versuche er noch zu diskutieren, meist vergebens. Doch für ihn gilt ein Grundsatz: „Ich selbst falle nicht aus der Rolle. Ich will nicht so sein wie mein Angreifer.“

Vorfälle, wie sie sich nach Angaben der Saarbahn-Geschäftsführung und des Betriebsrates nahezu täglich ereignen. Siegfried Sax, Betriebsratschef von Saarbahn Netz, tut sich schwer, für solche Vorfälle Erklärungen zu finden. „Viele Leute sind heute unzufrieden, haben Probleme, wissen aber nicht wohin damit, haben vielleicht auch keinen Arbeitsplatz.“ Das sei zwar schlimm, rechtfertige aber keinesfalls, dass sich Menschen an anderen abreagieren.

 Mit einer neuen Kampagne kämpfen die Saarbahn-Mitarbeiter gegen Rassismus und Diskriminierung.

Mit einer neuen Kampagne kämpfen die Saarbahn-Mitarbeiter gegen Rassismus und Diskriminierung.

Foto: Saarbahn

Die Saarbahn mit all ihren 600 Mitarbeitern aus 17 Nationen sowie ihren Beschäftigten mit Migrationshintergrund und deutschem Pass, die statistisch im Unternehmen nicht erfasst werden, setzt jetzt ein eindeutiges Zeichen gegen Rassismus und Diskriminierung. Sie hofft mit ihrer am Dienstag offiziell gestarteten Aktion zugleich darauf, dass möglichst viele Menschen in Saarbrücken und im ganzen Land dieses eindeutige Bekenntnis unterstützen. Dazu stellt Saarbahn-Geschäftsführer Peter Edlinger grundsätzlich klar: „Das einzige Kriterium für eine Einstellung in unserem Unternehmen ist die Qualifikation.“

Die Aktion läuft unter dem Motto „Wir heißt Alle! – Gegen jede Form von Rassismus und Diskriminierung“ Ziel ist es, „für mehr Toleranz und Verständnis im Öffentlichen Personennahverkehr zu werben“. Äußeres Zeichen sind Plakate mit den Bildern von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die zunächst auf einem Bus groß und nach und nach auch im Inneren der Busse zu sehen sein werden. Die Plakate sollen Aufmerksamkeit für die Kampagne wecken, sensibilisieren und auch aufklären.

Zugleich stellt das Unternehmen die internen und externen Strukturen auf den Prüfstand. „Respekt, Toleranz und Verständnis sind der Schlüssel für ein gutes Zusammenleben und Zusammenarbeiten“, sagt Edlinger. Um Personen, die sich diskriminiert fühlen, eine schnelle Anlaufstelle zu bieten, habe die Saarbahn „bereits vor Jahren eine Beschwerdestelle für Beschäftigte eingerichtet, die im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz auch vorgeschrieben ist“. Gemeinsam mit dem Anti-Diskriminierungsforum Saar, das die Saarbahn-Aktion aktiv als Partner unterstützt, werden alle Strukturen im Unternehmen wie auch die Beschwerdestelle im Hinblick auf ihrer Wirksamkeit überprüft, bei Bedarf auch umstrukturiert. „Das gilt ebenso für ein externes Beschwerdemanagement“, so Edlinger.

Ein runder Tisch aus Betriebsleitung, Personalabteilung, Betriebsräten und Marketing werde regelmäßig über Maßnahmen beraten. Auch liefen für das Fahr- und Kontrollpersonal Schulungen und Deeskalations-Trainings. Fahrgäste werden über Handzettel in der Innenstadt informiert, wie sie bei Vorfällen mit zur Deeskalation beitragen können, ohne sich in Gefahr zu bringen. Diese Tipps sind auch im Saarbahn-Service-Center erhältlich oder auf der Internetseite des Unternehmens. Unterdessen lassen sich Mustafa und Yazan nicht einschüchtern. Sie berichten von einem guten Zusammenhalt in der Belegschaft. Und wollen bei der Saarbahn bleiben. Yazan wird in Kürze Saarbahn-Fahrer, Mustafa fährt Bus, am liebsten bedient er die Linie 103. „Die ist lang. Und es kommen viele Fahrgäste.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort