Inszenierung im Saarbrücker Theater im Viertel Ein Hamlet mit Vorschlaghammer

Saarbrücken · Dietmar Blume, künstlerischer Leiter des Saarbrücker Theaters im Viertel, erzählt den Shakespeare-Klassiker gänzlich schnörkellos: Familie, Liebe, Machtansprüche, Mord, Intrigen, Rache – fertig. Doch das mit Wucht und ungeheurem Einsatz.

 Dietmar Blume von Saarbrücker Theater im Viertel hat eine Schwäche für Shakespeares Tragödien. Wer ihn als Richard III. (Foto) gesehen hat, weiß, dass er wahnsinnige Charaktere beängstigend glaubhaft verkörpern kann. Jetzt inszeniert er Shakespeares Hamlet im Theater im Viertel.

Dietmar Blume von Saarbrücker Theater im Viertel hat eine Schwäche für Shakespeares Tragödien. Wer ihn als Richard III. (Foto) gesehen hat, weiß, dass er wahnsinnige Charaktere beängstigend glaubhaft verkörpern kann. Jetzt inszeniert er Shakespeares Hamlet im Theater im Viertel.

Foto: Kerstin Krämer

Er hat eine Schwäche für Shakespeares Tragödien, und wer ihn als Richard III gesehen hat, weiß, dass er wahnsinnige Charaktere beängstigend glaubhaft verkörpern kann. Jetzt nimmt sich Dietmar Blume, künstlerischer Leiter des Saarbrücker Theaters im Viertel (TiV), des rachsüchtigen Dänen-Prinzen Hamlet an. Und wieder mal spielt und inszeniert er das Ganze in Personalunion. Beim Text greift Blume auf die – heftig gekürzte – Originalübersetzung von Schlegel/Tieck zurück und präsentiert die königliche Familientragödie als surrealen Zwitter aus Schauspiel, Figuren- und Objekttheater: Er selbst schlüpft in die Rolle des Hamlet und manipuliert parallel sieben morbide Puppen, entworfen von seiner Frau Birgit, Chefmaskenbildnerin am Saarländischen Staatstheater.

Bühnenbild und Kostüme besorgte wie immer Blumes Stamm-Ausstatterin Susanne Wieltsch. Sie steckt die Hauptfigur in eine Aufmachung mit dunklem Mantel und Wappen auf der Hemdbrust und drückt ihr einen mörderischen Vorschlaghammer in die Hand. Klingt martialisch, ist es auch: Blumes Hamlet ist ein schizophrener Charakter, der über seiner familiären Tragödie irre geworden ist und auf Rache sinnt. Wie soll er es auch verkraften, dass sein eigener Onkel seinen Vater gemeuchelt hat und dass dieser verbrecherische Oheim dann auch noch sein Stiefvater wird, weil seine verwitwete Mutter den Brudermörder nichtsahnend zum Gatten nimmt? Und so stellt Blume hier die Frage, ob der Geist des ermordeten Vaters Hamlet wirklich erscheint oder ob er nur eine Einbildung ist – ein Gespenst seiner eigenen Persönlichkeit?

Nicht von ungefähr siedelt Wieltsch das Geschehen in einer Arena aus bewohnten Bilderrahmen an: Diese abstrakt reduzierte Manege taugt sowohl für dramaturgische Tricks und Theaterzauber wie für den finalen tödlichen Kampf Hamlets mit Laertes, seinem Schwager in spe. Der kommt als brennender Totenkopf auf einem Stab daher, und auch das Aussehen der anderen Puppen wird von ihrem Charakter diktiert: Das Gesicht des Onkels ist wurmzerfressen, die Königin macht einen eher halbseidenen Eindruck, und Hamlets Geliebte Ophelia ist berückend schön. Der Geist des ermordeten Königs dagegen füllt die gesamte Bühne aus; sein Gewand ist ein Vorhang, in dem der verzweifelte Hamlet sich heillos verheddert. Eigentlich, erklärt Blume, versuche der Dänenprinz, sich männlich und stark zu verhalten, aber im Prinzip sei er „ein Spielball seiner selbst“ – ein ewiger Zauderer, „der immer spät dran ist und sich partout nicht entscheiden kann“. Sein oder nicht sein? Das Schicksal erdulden oder sich dagegen wehren?

In der düsteren linken Hälfte der Bühne verstrickt Hamlet sich immer mehr in seinen gespenstisch herab baumelnden Lebensfäden, während Ophelia die rechte, lichte Seite bewohnt. Auf Projektionen und sonstigen Schnickschnack hat Blume diesmal verzichtet: „Alles passiert live, aber wir haben ein bisschen geschummelt, so dass man verblüfft ist, wie alles funktioniert.“ Die Geschichte selbst jedoch will Blume „ganz einfach und nah an die Leute herantragen – nicht so intellektuell verzerrt, dass man gar nicht mehr weiß, worum es eigentlich geht“. Das sei ja bei vielen Hamlet-Inszenierungen offenbar das Hauptziel, mutmaßt Blume: „Man versucht, nicht verstanden zu werden.“ Blume jedoch will die Tragödie so schnörkellos und begreifbar erzählen wie möglich: Familie, Liebe, Machtansprüche, Mord, Intrigen, Rache – fertig.

Auch an der musikalischen Untermalung war Blume selbst beteiligt: Er hat Sopran- und Tenorsaxofon eingespielt; Thomas Walter, ein befreundeter Musiker aus Berlin, hat verfremdete Gitarrensounds drunter gelegt. Die Musik kommt also aus der Konserve. Die Vorstellung im Theater im Viertel ist eine Saarbrücker Premiere; die Uraufführung lief Ende Mai auf der Freilichtbühne der TheaterScheune Neugersdorf, Blumes eigener Spielstätte in Sachsen. Auf den dort um Hamlet herum lodernden, über einen Meter hohen Feuerring muss das Publikum im TiV aus Sicherheitsgründen leider verzichten. Ein paar Effekte bringt Blume allerdings mit, inklusive eines zusätzlichen Technikers, der Florian Layes vom TiV unterstützen wird. Das Tempo der über 45 Szenen sei so rasant, dass man das nur zu zweit bewältigen könne, erklärt Blume. Vor Ort wird’s dann noch mal spannend: Das Team hat nur einen einzigen Tag, um alles einzurichten und in einem anschließenden Durchlauf zu testen. 

Hamlet: Freitag/Samstag, 10./11. September, je 19.30 Uhr, Theater im Viertel (TiV). Karten: (15/10 Euro). Infos: www.dastiv.de

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