2023 steht ein entscheidender Personalwechsel am Saarländischen Staatstheater an Das Saarbrücker Schauspiel verliert Bettina Bruinier

Saarbrücken · Bettina Bruinier prägt seit 2017 das Schauspiel am Saarländischen Staatstheater. Jetzt wechselt sie nach Innsbruck. Was hat sie bewirkt?

 Setzte in Saarbrücken progressive Tendenzen im Schauspiel um: Bettina Bruinier.

Setzte in Saarbrücken progressive Tendenzen im Schauspiel um: Bettina Bruinier.

Foto: Saarländisches Staatstheater/HONKPHOTO HOLGER KIEFER

Das hört sich zunächst mal nicht nach einem Karrieresprung an: Co-Direktorin Schauspiel. In diese Funktion wechselt Bettina Bruinier, die seit 2017/18 im Saarbrücker „Team Busse“ zusammen mit dem Dramaturgen Horst Busch die Sparte Schauspiel leitet, ans Tiroler Landestheater Innsbruck. Zumindest ist es ein Systemwechsel. Denn das Innsbrucker Theater stellt sich derzeit neu auf, mit einem kollektiven Leitungsmodell, das in allen drei Sparten Doppelspitzen installiert, um, wie es heißt, eine „gesamtkünstlerische Verantwortung“ zu etablieren. Eine Intendantin gibt es freilich am Tiroler Haus immer noch. Doch mutmaßlich war es die Aussicht auf Erfahrungen mit einem progressiven Organisationsmodell, das Bruinier letztlich dazu veranlasste, ihren Vertrag mit dem SST nicht bis zum Ende zu erfüllen. Der war, wie das Staatstheater der SZ bestätigt, zunächst bis 2021/22 verlängert worden und dann, im vergangenen Sommer, nochmal bis 2024/25 – ohne dass das SST die zweite Verlängerung damals bekannt gegeben hätte. Bruinier bleibt noch bis 2023 an Bord, kann also noch eine Saarbrücker Spielzeit programmatisch gestalten. Ihr Kollege Busch, dessen Vertrag ebenfalls bis 2024/25 läuft, geht nun zusammen mit Busse auf Nachfolge-Suche.  

Ihr sei der Weggang aus Saarbrücken schwer gefallen, teilt Bruinier in einer Pressemitteilung des Staatstheaters mit, denn sie habe auch die Stadt Saarbrücken zu schätzen gelernt. Generalintendant Bodo Busse wiederum betont, Bruinier sei „mit ihren Stücken immer am Puls der Zeit“ und scheue sich auch nicht, „neue Formate auf die Bühne zu bringen“. Auch habe Bruinier die Digitalisierung am SST entscheidend vorangetrieben.

Bruinier stammt aus Wiesbaden, studierte Regie in München, assistierte bei Regiestars wie Armin Petras oder Dimiter Gottscheff und war zwischen 2009 und 2011 Hausregisseurin am Schauspiel Frankfurt. 

 In Saarbrücken gab Bruinier 2017 ihren Regie-Einstand mit einer Eigenbearbeitung von Lessings „Nathan der Weise“. Es blieb bis dato der einzige Klassiker in ihrer Saarbrücker Zeit, viel lieber begab sich Bruinier auf unausgetretene Pfade: Wagte sich an Uraufführungen (Rebecca Kricheldorf), formte Romane in Bühnenstücke um, etwa Ludwig Harigs   „Weh dem der aus der Reihe tanzt“, entwickelte eine „Glücks“-Revue. In vielen ihrer Arbeiten zeigte sie Mut zu Überspitzung, zu Trash und Klamauk. Nicht immer ging das gut. Auch gelang ein großer, glanzvoller Wurf im Großen Haus, der sie für ein breiteres Publikum zu einer Instanz gemacht hätte, nicht. Womöglich steht er demnächst an: Am 9. April hat ihr „Großer Gatsby“ Premiere.

Generell drängte Bruinier nicht in die öffentliche Sonne. Das bemerkte man bereits 2016, als der designierte Intendant Busse, der Dagmar Schlingmann ablöste, sie vorstellte. Von einem „Bruch“ oder einem „Neustart“ – Begriffe, die bei Führungswechseln in Theatern gerne inflationär gebraucht werden –  war damals von Bruiniers Seite nicht die Rede. Aber die kräftigen neuen Impulse, sie kamen dann sehr wohl. Insbesondere durch neue Gesichter brachte Bruinier eine neue Farbe ans SST. Außer Ali Berber und Christiane Motter finden sich heute keine Schauspieler aus der Schlingmann-Ära mehr im Ensemble. Darstellerisch ist ein Qualitätssprung unter Bruiniers Ägide unverkennbar. Docjh was die Auswahl von Gastregisseuren angeht, klappte ein künstlerischer Aufstieg nicht ähnlich gut wie in der Sparte Musiktheater, in der der Intendant selbst das Profil bestimmt. 

Bruiniers Interesse galt eindeutig der Entwicklung neuer Spielformen und der Erprobung von Misch-Formaten, die das Publikum überraschen und fordern. Staunenswert konsequent folgte sie zusammen mit Busch dem Zukunftstrend der Schauspiel-Szene, die die Bühne nicht mehr als bildungsbürgerliche Anstalt sieht, sondern als Kommunikations-Forum für politische Themen und ästhetische Prozesse.

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