„Speed Dating“ mit Handpuppe im Theater im Viertel Theater-Date mit einem „Päckchen“

Saarbrücken · „Speed Dating“ mal anders: Melanie Streibelt und ihre Handpuppe „Päckchen“ gingen im Theater im Viertel auf Tuchfühlung.

 Melanie Streibelt und ihre Handpuppe "Päckchen" beim "Speed Dating" im erfreulich gut besuchten TiV Saarbrücken.

Melanie Streibelt und ihre Handpuppe "Päckchen" beim "Speed Dating" im erfreulich gut besuchten TiV Saarbrücken.

Foto: Krämer/KERSTIN KRAEMER

Speed Dating? Ausgerechnet jetzt? Wo es ratsamer wäre, zuhause zu bleiben und Kontakte zu reduzieren, statt mit wildfremden Leuten auf Tuchfühlung zu gehen? Wie soll das Kennenlernen überhaupt funktionieren – mit Maske?!

Berechtigte Fragen. Und so ist das „Speed Dating“, das man am Wochenende im sehr gut besuchten Theater im Viertel (TiV) erleben konnte, auch keins, bei dem sich im Minutentakt verschiedene Partnersuchende gegenüber hocken. Vielmehr versteht es sich als kabarettistischer Ratgeber für bereits existierende und zukünftige Beziehungen, bei dem aus weiblicher Sicht über die Liebe im Allgemeinen räsoniert wird. Und über das Verhältnis von Mensch zu Puppe.

Denn „Speed Dating“ ist das neue Programm der Saarbrücker Autorin und Performerin Melanie Streibelt und ihrer Handpuppe namens „Päckchen“ – eines ebenso redseligen wie kontaktfreudigen Fantasiewesens femininen Geschlechts. Päckchen ist knopfäugig, knubbelnasig und strubbelhaarig; es will mit jedermann befreundet sein und Groß und Klein das Leben leichter machen.

Außerhalb der Bühne trifft man es daher oft auf Kindergeburtstagen und Lesungen, aber auch im Krankenhaus, bei aktivierenden Spielen für Demenzpatienten und Mitmachprogrammen für pflegende Angehörige sowie bei Veranstaltungen zu Konfliktmanagement, Anti-Gewalttraining und Kommunikation.

Mit Melanie Streibelt, die auch als Theaterpädagogin, Bildungsreferentin und Fair Trade-Aktivistin unterwegs ist, bildet Päckchen schon seit über 20 Jahren ein festes Team. Wobei Streibelt meist im Hintergrund agiert, denn Päckchen ist eindeutig eine Sprechpuppe: eine vor Selbst- und Sendungsbewusstsein schier platzende Quasselstrippe, die in einem undefinierbaren Dialekt vor sich hin blubbert und am Ende eines Satzes gern verzückt aufgluckst.

Jetzt aber darf endlich auch mal Streibelt zu Wort kommen; unterstützt von Pianistin Barbara Schmal, die hier obendrein als Quiz-Moderatorin eine Umkleidepause charmant überbrückt und zum Finale im Duett mit Streibelt die Barcarole aus „Hoffmanns Erzählungen“ singt.

Warum klappt's nicht mit der Liebe? Darüber treten Päckchen als neutrale, weil völlig trieb- und bedürfnislose Beziehungsexpertin und Streibelt als hoffnungsvolle Speed Dating-Kandidatin in einen Dialog (sofern Päckchen nicht gerade wieder endlos vor sich hin schwadroniert) und garnieren das mit szenischen Dreingaben.

Exemplarisch arbeiten sich die beiden an realen wie fiktiven Frauenfiguren ab, wobei Päckchen vorgibt, die Damen persönlich zu kennen. Beispielsweise die in Liebesangelegenheiten bekanntlich nicht eben glückliche Marilyn Monroe, der sie im Silberlamé-Kleid mit „I wanna be loved by you“ ein Ständchen trällert. Auch die Verführungsstrategien der Opern-Femme Fatale Carmen werden analysiert, wobei Streibelt, in eine rote Tischdecke gewickelt, ihrer Sehnsucht tanzend Ausdruck verleiht und die Habanera singt. Daneben kommt uns Päckchen als hüftwackelnde „Zuckerpuppe von der Bauchtanztruppe“, derweil Streibelt, von Päckchen zu mehr Fröhlichkeit animiert, die heitere Marquis-Arie der Adele aus der „Fledermaus“ schmettert.

Die Manipulation der Puppe mit verstellter Stimme gelingt Streibelt hervorragend, aber inhaltlich wirkt das Ganze recht willkürlich zusammengestückelt; es geht nett, oberflächlich, harmlos und betulich zu – auf den angekündigten Tabubruch wartet man vergebens. Wirklich Spaß macht das Stück dann, wenn Päckchen mit pragmatischem Mutterwitz punktet und Streibelt die Marotten ihrer Puppe lakonisch kontert oder mit einem gespielt dramatischen Ausbruch darauf reagiert.

Das Verhältnis zwischen Puppe und Spielerin birgt ein humoristisches Potenzial, das gern tiefer ausgelotet werden könnte. Eher unfreiwillige Komik entfaltet dagegen Streibelts klassischer Gesang. Oder sollte das – wie der Tabubruch? – satirisch gemeint sein? Dann bitte mehr von derlei Selbstironie, statt langatmiger Geschwätzigkeit: Päckchens Bericht, wie es beinahe den kleinen Prinzen geehelicht hätte, wird arg ausgewalzt. Doch zurück zur Kernfrage: Wie kommt man denn nun zu einer glücklichen Beziehung? „Vergesst das Speed Dating“, raten die beiden. „Gut Ding will Weile haben!“

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