Die neue Schauspielchefin am Staatstheater „Das muss einfach den Nerv der Zeit treffen“

Saarbrücken · Bettina Bruinier ist die neue Schauspiel-Chefin am Staatstheater. Zum Einstand inszeniert sie „Nathan der Weise“.

 Die 42-jährige Bettina Bruinier ist die neue Schauspielchefin am Saarländischen Staatstheater in Saarbrücken.

Die 42-jährige Bettina Bruinier ist die neue Schauspielchefin am Saarländischen Staatstheater in Saarbrücken.

Foto: Iris Maria Maurer

Anfang Juni, als sie mit den Proben zu Lessings „Nathan“ begann, habe sie auch ihre neue Wohnung in der Spichererbergstraße bezogen, erzählt Bettina Bruinier. Die liege relativ weit oben. Doch Bruinier, die bisher in Berlin wohnte, genießt es, zu Fuß vom Theater heimzugehen. „Man hat sofort den Kopf frei, wenn man mal ein paar Meter höher kommt.“ Man kann sich leicht vorstellen, wie voll ihr Kopf sein muss angesichts der vielen Aufgaben, die ihr durch die Ernennung zur neuen Saarbrücker Schauspieldirektorin durch Intendant Bodo Busse zugefallen sind. „Natürlich kam es etwas überraschend,“ sagt die 42-Jährige, die nach dem Regiestudium in München, bei Regiestars wie Armin Petras und Dimiter Gottscheff assistierte und seitdem an großen Bühnen inszenierte.

Busse habe zwar ihre Arbeiten als Regisseurin gekannt. Doch bevor er sie, vor fast genau einem Jahr zum ersten Gespräch einlud, seien sie sich nie begegnet. Beim zweiten Treffen im September, als die Entscheidung fiel und Busse dann auch Horst Busch, den neuen Chefdramaturgen mitbrachte, von dem Bruinier, da sie ihn schon durch eine Zusammenarbeit aus Nürnberg kannte, wusste, „das würde super passen“, da musste alles ganz schnell gehen. Es hieß, einen Spielplan aufstellen, dazu ein Ensemble zusammensuchen, auch das Haus und seine Mitarbeiter kennenlernen. Es hieß, neben ihren eigenen noch laufenden Regie-Arbeiten anderswo immer wieder nach Saarbrücken kommen, um sich angefangen vom Theaterfest die hiesigen Premieren anzusehen.

Doch das Wort „anstrengend“ hört man nicht aus Bruiniers Munde, stattdessen immer wieder „wahnsinnig interessant“, ob es nun um die politischen Entwicklungen geht, die sie im Spielplan aufgreifen wollen, die republikanischen Werte „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“, die für das Spielzeitmotto Pate standen oder die geografische Nähe zu Frankreich. Neben dem Geburtsort Wiesbaden hat Bruinier nämlich auch die Frankophilie mit Intendant Busse gemein. Als Nachfahrin von Hugenotten, die in der mörderischen Bartholomäusnacht nach Holland flohen, deren Opa Anfang des 20. Jahrhunderts nach Berlin weiterzog, liege das bei ihr ja ein wenig in der Familiengeschichte, sagt sie. Auch die Affinität zur Musik, die sie mit Busse gemein hat, geht wohl auf diesen Opa zurück, der als Musiker in Berliner Kabaretts auftrat.

Allerdings sei sie lange Zeit eher anglophil gewesen, seit sie als Austauschschülerin in Amerika gewesen sei, gesteht Brunier. „Ich liebe die englische Sprache, den Humor, erst seit zwei, drei Jahren fängt mich Frankreich wieder an zu reizen.“ Weshalb sie es um so spannender fand, in diese Grenzregion hier zu gehen, in eine Region, die so eine wechselhafte, reichhaltige Geschichte habe.

Bruinier hat sich schon das Ehrengrab von Katharina Weißgerber angesehen, verfolgt aufmerksam den politischen Wechsel in Frankreich, ist begeistert, wie gut das französischsprachige Festival Primeurs hier ankommt und wie offen hier die Menschen seien und interessiert daran, Neues zu erfahren. Mit ihrer Nathan-Inszenierung, die am 11. September Premiere hat, will sie das Publikum denn auch Lessing ganz neu entdecken lassen.

Wenn Lessing-Stücke schulmeisterlich daherkämen, liege das nur an der Rezeptionsgeschichte, keinesfalls an ihm, betont Bruinier. „Er war ein ganz cooler Typ, er wollte ja eigentlich der deutsche Molière werden. Seine Figuren sind total reich, haben wahnsinnigen Humor, sind pointiert und leidenschaftlich“, schwärmt die Regisseurin. Auch die in „Nathan der Weise“, jenem Stück mit Ringparabel, in dem es um Toleranz und mehr noch als um Religionen darum gehe, wofür diese benutzt würden. Die Konflikterfahrungen, um die es bei „Nathan“ geht, seien uns wieder nähergerückt, sagt Bruinier und will auch andere Texte einbeziehen, um die Aktualität zu verdeutlichen. Die Schauspieler explodierten bei den Proben geradezu vor Ideen. Auch deshalb ist sich Bruinier sicher: „Das muss einfach den Nerv der Zeit treffen.“

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