Landtagswahl: Die Linke ist raus Linke fliegt aus dem Landtag und verflucht Lafontaine: „Das war eine Schweinerei“

Saarbrücken · Dass es für die Linken knapp würde mit dem Einzug in den Landtag, sagten Umfragen schon vor der Wahl voraus. Doch nun ist klar: Es fehlt meilenweit bis zur Fünf-Prozent-Hürde, die Linken sind nicht im Landtag. Wie sich die obersten Saar-Linken das erklären.

 Die Spitzenkandidatin der Saar-Linken, Barabara Spaniol, am Sonntagnachmittag im Homburg bei der Stimmabgabe für die Landtagswahl.

Die Spitzenkandidatin der Saar-Linken, Barabara Spaniol, am Sonntagnachmittag im Homburg bei der Stimmabgabe für die Landtagswahl.

Foto: dpa/Oliver Dietze

„Unser Wahlergebnis ist desaströs. Da gibt es nichts schönzureden. Die Linke ist schon lange in einer schwierigen Lage, und es ist uns nicht gelungen, die Differenzen so beizulegen, dass wir mehr Wähler überzeugen konnten. Jetzt werden wir uns bemühen,  verlorenes Vertrauern zurückzugewinnen,“ so kommentierte Barbara Spaniol, die Spitzenkandidatin der Linken, am Sonntagabend kurz nach 18 Uhr auf dem Weg zur Wahlnachlese ihrer Partei im Schlossfestsaal ihr Wahlergebnis von rund 2,5 Prozent.

Damit fliegt die Linke aus dem Landtag. Das ist eine schmerzhafte Niederlage – vor allem für Spitzenkandidatin Spaniol. Ihr Vorgänger Oskar Lafontaine holte 2017 noch 12,8 Prozent, 2012 schaffte er 16,1 Prozent und 2009 kam er sogar auf 21,3 Prozent.

Lutze sauer auf Lafontaine: „Das war eine Schweinerei“

Thomas Lutze, der Landesvorsitzende der Saar-Linken, macht allerdings nicht Spaniol für die aktuelle Niederlage verantwortlich – sondern Lafontaine. Denn der hatte am 17. Februar bekannt gegeben, dass er aus der Linken austritt.

Ebenfalls auf dem Weg zur Wahlnachlese im Schlossfestsaal erklärte Lutze der SZ: „Diesen Zeitpunkt für seinen Parteiaustritt hat Lafontaine bewusst gewählt, um der Linken zu schaden. Das war eine Schweinerei, eine bodenlose Frechheit und gemein gegenüber Barbara Spaniol. Lafontaine ist ein alter Mann, der den Absprung nicht geschafft hat. Er hätte sein Fahrrad nehmen sollen und im Nordsaarland herumfahren. Stattdessen hat er seine Position missbraucht.“

Bei der Wahlnachlese im Schlossfestsaal kündigte Lutze später allerdings auch an, dass er beim Landesparteitag der Linken Ende Mai nicht mehr für den Landesvorsitz kandidieren werde. 

Lutze und Lafontaine sind seit rund zehn Jahren zerstritten. Das machte erstmals 2013 Schlagzeilen. Damals weigerte sich Lafontaine im Bundestagswahlkampf für Lutze, den Spitzenkandidaten der saarländischen Linken, zu werben. Lutze hatte sich bei der Wahl für den Spitzenplatz auf der Landesliste gegen Yvonne Ploetz durchgesetzt, die von Lafontaine unterstützt wurde.

In den Jahren danach, besonders nach 2017, erhob das Lafontaine-Lager mehrfach den Vorwurf, Lutze habe innerparteiliche Wahlen manipuliert. Lutze stritt das stets ab und sprach von einer Kampagne gegen ihn.

Der Konflikt schlug immer weiter Wellen und traf 2021 auch Barbara Spaniol. Sie war – und ist auch heute noch – Lutzes Stellvertreterin im Landesparteivorsitz der Linken. Und gleichzeitig war sie damals Mitglied der Linke-Landtagsfraktion, die auf Lafontaines Seite stand. In der Folge wurde Spaniol Anfang November 2021 von der Fraktion ausgeschlossen. Vor ihr hatte 2018 bereits Dagmar Ensch-Engel die Fraktion von selbst verlassen.

Mitte November 2021 erklärten sich Spaniol und Ensch-Engel dann zur neuen Fraktion „Saar-Linke“. Spaniol wurde Fraktionsvorsitzende und legte gleichzeitig ihr Amt als Landtagsvizepräsidentin nieder. Ergebnis: rund 3000 Euro mehr Verdienst für Spaniol – und 3000 Euro mehr für ihren Nachfolger als Landtagsvizepräsident Ralf Georgi aus der Linke-Fraktion von Lafontaine. Das alles ging durch die Medien.

Am meisten Beachtung fand allerdings die jüngste Reihe der Reaktionen von Oskar Lafontaine auf die Art, wie seine Partei mit dem Konflikt zwischen ihm und Lutze umging. Für den ersten Paukenschlag sorgte Lafontaine Im Juni 2021 – da riet er öffentlich davon ab, bei der Bundestagswahl im Saarland mit der Zweitstimme die Landesliste der Linken und damit Thomas Lutze zu wählen.

Am 18. November kündigte Lafontaine seinen Rückzug aus der Politik an. Gleichzeitig wurde bekannt, dass Barbara Spaniol, Lutzes Stellvertreterin im Parteivorsitz, die besten Chancen hatte, zur Spitzenkandidatin der Linken im Landtagswahlkampf aufzusteigen. Und am 21. November kürte die Saar-Linke Spaniol tatsächlich mit 85,1 Prozent der Stimmen einer Landesmitgliederversammlung zu ihrer Spitzenkandidatin für die Landtagswahl.

Im Januar 2022 stellte die Staatsanwaltschaft Saarbrücken ihr Ermittlungsverfahren gegen Lutze wegen des Verdachts der Urkundenfälschung ein.

Mitte Februar 2022 kündigte Lafontaine an, er werde die Linke im Landtagswahlkampf nicht unterstützen. Am 16. Februar verabschiedete er sich aus dem Landtag und am Tag darauf gab er bekannt, dass er aus der Linken austritt. Für Letzteres nannte er zwei Gründe: Lafontaine glaubt erstens nach wie vor, dass Lutze innerparteiliche Wahlen für Kandidatenlisten manipuliert hat. Und zweitens sieht Lafontaine die Linke auf politischen Abwegen.

Laut Lafontaine bemüht sich die Linke – die er mit aus der Taufe gehoben hat – inzwischen um dieselben Wähler wie die Grünen. Ursprünglich angetreten, so betont der Parteigründer, sei die Linke aber um „den Sozialabbau und die Lohndrückerei der Agenda 2010“ rückgängig zu machen  und um sich „konsequent für Frieden und Abrüstung und die Beachtung des Völkerrechts“ einzusetzen. Doch heute – so glaubt Lafontaine – „fühlen sich Normal- und Geringverdiener oder auch Rentner von der Partei nicht mehr vertreten“. 

Ob die aktuelle Wahlschlappe die Einschätzung Lafontaines bestätigt – oder ob, wie Lutze glaubt, allein Lafontaine Schuld ist – das muss die Parteispitze nun ohne ihren Gründungsvater ermitteln. Auf ihren Plakaten und in ihren Zeitungsanzeigen zur Wahl hatten Spaniol und die Saar-Linke allerdings fast ausschließlich auf sozialpolitische Themen gesetzt.

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