Neue Runde im Rechtsstreit Bundesgerichtshof hat Zweifel: Sind die Sonntags-Öffnungen des Zweibrücker Outlet-Centers rechtmäßig?

Update | Karlsruhe/Zweibrücken · Das Outlet-Center in Zweibrücken könnte sein Privileg verlieren, rund zwölf Sonntage jährlich mehr öffnen zu dürfen als andere Geschäfte. Das zeichnet sich nach einer Verhandlung vor dem Bundesgerichtshof ab. Eine Niederlage vor Gericht hätte große wirtschaftliche Folgen für das Outlet-Center.

Das Zweibrücken Fashion Outlet darf jährlich an bis zu etwa 16 Sonntagen öffnen – anderen Geschäften in Rheinland-Pfalz sind nur vier verkaufsoffene Sonntage erlaubt.

Das Zweibrücken Fashion Outlet darf jährlich an bis zu etwa 16 Sonntagen öffnen – anderen Geschäften in Rheinland-Pfalz sind nur vier verkaufsoffene Sonntage erlaubt.

Foto: Lutz Fröhlich

Das „Zweibrücken Fashion Outlet“ droht sein Privileg zu verlieren, rund zwölf Sonntage jährlich mehr öffnen zu dürfen als andere Geschäfte in Rheinland-Pfalz. Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe äußerte am Mittwoch erhebliche Zweifel an dem Urteil des Pfälzischen Oberlandesgerichts (OLG Zweibrücken) zu der Sonderregelung, wonach Läden in der Nähe des dortigen Flugplatzes in den Oster-, Sommer- und Herbstferien sonntags öffnen dürfen.

Outlet-Center in Zweibrücken: Rechtsstreit geht in weitere Runde

Die rheinland-pfälzische Landesregierung hatte ihre bereits 2007 erlassene Verordnung mit den Ferienflügen ab dem benachbarten Flughafen Zweibrücken begründet. Allerdings hob infolge der Insolvenz des Flughafens der letzte Ferienflieger am 3. November 2014 ab. Der Flughafen wurde zum Sonderlandeplatz herabgestuft, nur noch bis zu 14 Tonnen Kleinflugzeuge dürfen dort fliegen. Doch Rheinland-Pfalz beließ die Verordnung unverändert in Kraft.

Nun geht der Rechtsstreit um die gesetzlich in Deutschland besonders geschützte Sonntagsruhe voraussichtlich in eine weitere Runde. Geklagt hatte Steffen Jost, Betreiber von fünf Modehäusern aus Grünstadt, wegen unlauteren Wettbewerbs gegen einen Konkurrenten, der im Outlet eine Filiale hat (Betty Barclay). Jost unterlag Anfang August 2022 vor dem Oberlandesgericht (Az.: 4 U 202/21).

Der erste Zivilsenat am BGH meldete nun aber erhebliche Zweifel an der OLG-Entscheidung an. Unter anderem hätte das Oberlandesgericht prüfen müssen, ob die Rechtsverordnung überhaupt rechtmäßig ist, sagte der Vorsitzende Richter Thomas Koch in Karlsruhe. Dabei sei es entgegen der Annahme des OLG auch relevant, dass der kommerzielle Linienflugverkehr zwischenzeitlich eingestellt wurde. Veränderten sich die maßgeblichen Umstände, könnten Regelungen rechtswidrig werden, betonte Koch.

Die aufgeworfenen Fragen müsste das OLG klären. Der Bundesgerichtshof könnte das Urteil aufheben und nach Zweibrücken zurückverweisen. Darüber will der BGH-Senat am 27. Juli entscheiden (Az. I ZR 144/22).

Normale Geschäfte dürfen in Rheinland-Pfalz nur an vier Sonntagen jährlich öffnen

Das OLG hatte zwar selbst bereits erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Lex Outlet erkennen lassen. Aber die Abweisung der Klage damit begründet, dass dem Outlet-Shop-Betreiber kein wettbewerbswidriges Verhalten vorgeworfen könne – schließlich beruhten die zusätzlichen Sonntagsöffnungen auf einer staatlich erlassenen Rechtsgrundlage. Wenn Bürger und Geschäftsleute Gesetze und darauf basierende Verordnungen befolgen, dürfe man sie in einem Rechtsstaat nicht dafür sanktionieren. Sonst nämlich wäre „den Geboten der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit nicht Genüge getan“, sagte damals der Vorsitzende Richter Ulf Petry.

Das OLG hatte zudem argumentiert, es dürfe die Verfassungsmäßigkeit der Lex Outlet nicht prüfen, weil es sich um kein Gesetz, sondern nur eine Verordnung handele – dagegen könnten in Rheinland-Pfalz leider nur Landtagsfraktionen klagen. Die entsprechende Anregung hat bislang allerdings keine Fraktion aufgegriffen, lediglich die Freien Wähler prüfen noch, dies zu tun.

Normale Geschäfte dürfen in Rheinland-Pfalz nur an vier Sonntagen jährlich öffnen. Kommunen dürfen dies aufgrund der Rechtssprechung allerdings nur dann genehmigen, wenn an den Sonntagen andere Veranstaltungen stattfinden, zu denen allein mehr Besucher zu erwarten wären als für einen reinen verkaufsoffenen Sonntag. Zusammen mit diesen vier verkaufsoffenen Sonntagen kommt das Zweibrücken Fashion Outlet damit auf jährlich bis zu etwa 16 verkaufsoffene Sonntage. Das gilt als erheblicher Wettbewerbsvorteil, weil die Sonntage zu den verkaufsstärksten Tagen in dem je nach Definition größten oder zweitgrößten Fabrikverkaufszentrum Deutschlands zählen. Die reine Nettoverkaufsfläche beträgt 21 000 Quadratmeter. Zurzeit läuft ein Genehmigungsverfahren für einen Ausbau auf 29 500 Quadratmeter. Dagegen gibt es Einwände vor allem von saarländischen Kommunen, die hohe Kaufkraftabflüsse befürchten – nicht aber aus Zweibrücken.

So argumentiert der Anwalt des Klägers

Der Kläger gegen die Sonntagsöffnungen, Steffen Jost, wird auch vom BTE (Bundesverband des Deutschen Textileinzelhandels) unterstützt, dessen Präsident Jost ist. Jost betreibt fünf Modehäuser: vier in Rheinland-Pfalz (Landau, Grünstadt, Frankenthal und Worms), eines in Baden-Württemberg (Bruchsal).

Das Arbeits- und Sozialministerium in Mainz prüft die entsprechende Verordnung ebenfalls. Es will nach früheren Angaben neben der BGH-Entscheidung Auswirkungen auf Arbeitsplätze in der Region und die geplante Erweiterung des Zweibrücken Fashion Outlet Center berücksichtigen. Das Thema hat auch schon den Landtag beschäftigt.

Grundsätzlich gelten hohe Hürden für verkaufsoffene Sonntage in Deutschland. Vor allem Gewerkschaften und Kirchen sehen diese kritisch. Immer wieder kippen Gerichte kommunale Sonderwege.

So argumentierte auch der Anwalt des Klägers vor dem BGH, Daniel Adloff, mit dem gesetzlichen Schutz des Feiertags. Er bemühte sogar den römischen Kaiser Konstantin, der im Jahr 321 als erster die Sonntagsruhe verfügt haben soll. „Dieser Grundsatz hat überdauert. Über 1702 Jahre. Bis heute“, betonte Adloff.

Das Bundesverfassungsgericht halte den Schutz von Sonn- und Feiertagen hoch, erklärte der Jurist. Ausnahmen seien eng zu fassen. Er argumentierte, einkaufen zu gehen sei etwas Alltägliches – anders als etwa der Besuch mit der Familie im Biergarten. Beim Zweibrücker Flugplatz gehe es um 12 bis 16 Sonntage, das sei keine Ausnahme mehr. Zudem gelte die Regel nur dort. „Da wurde eine Insel geschaffen.“

Für die Gegenseite hielt BGH-Anwalt Matthias Koch (der den Outlet-Shop von Betty Barclay vertrat) dem entgegen, dass die Kläger mit Sitz in Grünstadt weit weg von dem Outlet-Center seien – mit dem Auto fährt man gut 90 Kilometer. „Es mutet merkwürdig an, dass sie sich angesprochen fühlt“, sagte er in Bezug auf die Klägerseite. Diese habe keine Nachteile. Den Gedanken, eigentlich sollte immer sonntags geschlossen sein, nannte Koch „schlicht“.

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