Genehmigungsverfahren für Zweibrücker Center Weitere Gutachten über Outlet-Erweiterung

Zweibrücken · Das Zielabweichungsverfahren für den von einigen Nachbarstädten abgelehnten Outlet-Ausbau ist nun auf der Zielgeraden. SGD-Präsident Kopf sprach mit uns über den aktuellen Stand – und Entscheidungskriterien.

 Das Zweibrücker Outlet ist ein Einkaufsmagnet, der Kunden aus vielen Orten anzieht, wie regelmäßig die Nummernschilder (hier wegen Datenschutz unkenntlich gemacht) zeigen. Mit der Erweitertung strebt das Center an, sogar noch mehr Kunden von weit her anzuziehen.

Das Zweibrücker Outlet ist ein Einkaufsmagnet, der Kunden aus vielen Orten anzieht, wie regelmäßig die Nummernschilder (hier wegen Datenschutz unkenntlich gemacht) zeigen. Mit der Erweitertung strebt das Center an, sogar noch mehr Kunden von weit her anzuziehen.

Foto: Lucas Hochstein

Darf das größte Outlet-Center Deutschlands seine Verkaufsfläche noch einmal um gut 40 Prozent vergrößern? Darauf hofft das „Zweibrücken Fashion Outlet“, gemeinsam mit den unmittelbaren Nachbarkommunen – doch mehrere andere Kommunen im Saarland und der Pfalz haben dagegen massive Einwände erhoben. Die Entscheidung, ob die Erweiterung von 21 000 auf 29 500 Quadratmeter raumordnungsrechtlich möglich ist, wird seit März 2022 in einem „Zielabweichungsverfahren“ geprüft.

Über dem Sachstand informierte der Präsident der rheinland-pfälzischen SGD Süd („Struktur- und Genehmigungsdirektion“ in Neustadt“), Hannes Kopf, am Donnerstag bei einem Merkur-Redaktionsgespräch.

42 überwiegend kritische Stellungnahmen sind in dem Raumordnungs- mit integriertem Zielabweichungsverfahren eingegangen, berichtet Kopf. Darunter 39 von Behörden und anderen Trägern öffentlicher Belange, drei von Bürgern. Einsendeschluss war schon Ende Juni. Die Prüfung dauere „ein bisschen länger als ursprünglich gedacht“, bestätigt Kopf. Warum? „Es gab im Verfahren Hinweise, dass Unterlagen in der Detailschärfe nachgebessert werden sollen hinsichtlich der Auswirkungen der Erweiterung auf Nachbarkommunen.“ Auf Anforderung der SGD habe deshalb der Zielabweichungsverfahren-Antragssteller, die Fashion-Outlet-Betreiberfirma „VIA Outlets“, „die entsprechenden Gutachten vorgelegt“.

Bereits mit seinem rund 950 Seiten dicken Antrag vor einem Jahr hatte „VIA Outlets“ Gutachten vorgelegt, die zu dem Schluss kamen: „Das Vorhaben wird die städtebaulichen Versorgungsstrukturen im Zentralen Versorgungsreich Zweibrückens und benachbarter Städte nicht beeinträchtigen.“ Den höchsten prozentualen Umsatzrückgang in Worst-Case-Szenarien (schlimmstmöglicher Fall) müsse die Zweibrücker Innenstadt verkraften (2,3 Prozent), doch „städtebauliche Wirkungen“ könnten „ausgeschlossen werden“. Die Kaufkraftabflüsse in den übrigen untersuchten Städten lägen zwischen 0,1 Prozent in Pirmasens und 1,6 Prozent in Saarbrücken (wir berichteten).

Bei den Nach-Gutachten ging es ebenfalls um die Auswirkungen des Outlet-Ausbaus, zusammengenommen mit den bisherigen Auswirkungen, erläutert Kopf. Über das Ergebnis der Nach-Gutachten verrät der SGD-Präsident nur, dass es seit der Outlet-Eröffnung im März 2001 in Städten der Region unterschiedliche Entwicklungen gab: „In Kaiserslautern hat sich der Einzelhandels-Bestand sogar positiv entwickelt. In Pirmasens gab es leider einen Trading-Down-Effekt“, also einen Trend zu Billigläden. Wobei die unterschiedliche Entwicklung auch ein Indiz sein könnte, dass noch andere Faktoren als das Outlet eine Rolle spielen, deutete Kopf indirekt an.

Er beschäftigt sich schon seit lange vor seinem Amtsantritt als SGD-Präsident 2019 mit dem Thema: Der Rechtsstreit mit Nachbarkommunen vor der Eröffnung 2001 des damaligen „Designer Outlet Zweibrücken“ war ein Schwerpunkt seiner Anfang 2002 veröffentlichten Doktorarbeit („Rechtsfragen bei der Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten – Unter besonderer Berücksichtigung von Factory Outlet Centern“). Wobei Kopf darauf hinweist, dass Zweibrücken zwar 2002 den Prozess vorm Bundesverwaltungsgericht verlor – dieses sich aber nicht zur Verträglichkeit der Outlet-Größe für Nachbarstädte geäußert hatte, sondern Tricksereien unterbunden hatte, mit denen Zweibrücken damals die Beteiligungsrechte der Nachbarn zu umgehen versuchte.

Kopf lässt noch keine Tendenz erkennen, wie die SGD Süd über den Erweiterungs-Antrag entscheiden wird. Allerdings macht der Jura-Professor einige grundsätzliche Erläuterungen zum Raumordnungsrecht und zur allgemeinen Rechtsprechung. Anmerkungen, die nach Merkur-Einschätzung darauf hindeuten könnten, dass das Outlet grünes Licht erhält, sollte die SGD-Prüfung der Nach-Gutachten und Gegengutachten einzelner Kommunen nicht zu wesentlich anderen Ergebnissen führen als die Erst-Gutachten. Zwar sei das „Integrationsgebot klar tangiert“, wenn ein Outlet auf der Grünen Wiese steht statt in einem Stadtzentrum, so Kopf. Ab zehn Prozent Kaufkraftabfluss bei innenstadtrelevanten Waren sei der Bau von Geschäften auf der Grünen Wiese raumordnungsrechtlich so bedenklich, dass er mit den Auswirkungen auf Innenstädte abgewogen werde müsse, bei 20 Prozent liege die Schwelle zum K.o.-Kriterium. Wobei die Zahlen „nicht holzschnittartig zu sehen“ seien bei konkreten Prüfungen.

„Theoretisch vorstellbar“ bei Entscheidungen in Zielabweichungsverfahren sei neben vollständiger Bewilligung oder Ablehnung eines Antrags auch, Auflagen zu machen, bestätigt Hannes Kopf. „Ob das in diesem Fall greifen wird, kann ich aber noch nicht sagen.“

Das Outlet erklärt in seinem Ausbau-Antrag, die 40 bis 50 neuen Läden (derzeit mit Gastronomie 120) sollten „primär im hochpreisigen Luxus- und Premiumsegment“ entstehen. Damit wolle man vor allem attraktiver für Kunden von außerhalb der Region werden. Schon das Antrags-Gutachten räumt ein, die Definition von Luxus-Marken sei rechtlich schwierig, Anhaltspunkte könne aber zum Beispiel sein, ob die Marken auch im KaDeWe oder der Galerie Lafayette geführt würden. Auf Merkur-Frage nach den Luxus-Marken sagt Kopf nur ganz generell: „Wir könnten im Zielabweichungsverfahren-Entscheid bestimmte Hinweise und Anregungen geben, die auf kommunaler Ebene in einem Bebauungsplan oder städtebaulichem Vertrag mit dem Outlet zu berücksichtigen wären.“

Mangels Zuständigkeit „keine Rolle“ spiele für das SGD-Prüfverfahren, dass die Landesregierung dem Outlet erlaubt, nicht nur an vier Sonntagen jährlich zu öffnen, sondern zusätzlich an allen Sonntagen in, vor und nach den Oster- Sommer- und Herbstferien. Natürlich seien die verkaufsstarken Sonntage aber in den Kaufkraftabfluss-Berechnungen berücksichtigt.

2006 hatte die SGD Süd mit der Genehmigung des Hilgard-Centers auf einer Industriebrache am Rande der Zweibrücker Innenstadt quasi eine Art Baustopp auf der Grünen Wiese verhängt, weil Zweibrücken mit Einkaufsmärkten außerhalb der Ortskerne schon überversorgt sei, im Hilgard-Center selbst konnte ein wenige hundert Quadratmeter großer Modemarkt erst nach langem Ringen mit der SGD eröffnen. Wäre vor diesem Hintergrund ein 8500 Quadratmeter großer Ausbau des viel weiter von Wohnhäusern entfernten Outlets nicht sehr problematisch? Auf diese Frage erläutert Kopf: „Wenn ein FOC (Factory Outlet Center) seinen Namen verdient, ist die Auswirkung im Nahbereich viel geringer als bei einem normalen Einkaufszentrum.“ Denn Outlet-Center würden weniger für gezielte Einkäufe besucht – weil aufgrund der Schwerpunkte auf Vorsaison-Waren und Ähnliches man sich als Kunde zum Beispiel weniger darauf verlassen könne, die passende Kleidungsgröße zu finden.

Mit der SGD-Entscheidung rechnet Kopf „dieses Frühjahr“. Man habe dem Outlet-Betreiber die weiteren Gutachten vorgelegt, warte noch eine Stellungnahme dazu ab. Dieses Zielabweichungsverfahren sei aufgrund der Komplexität das arbeitsintensivste der vergangenen rund zehn Jahre, so Kopf. Gegen den SGD-Bescheid sind Klagen möglich, insbesondere Homburg hat dies bereits öffentlich erwogen.

Der Präsident der Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd, Professor Hannes Kopf.

Der Präsident der Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd, Professor Hannes Kopf.

Foto: SGD Süd/Hans-Georg Merkel

Was sagt der SGD-Präsident dazu, dass die am stärksten von Kaufkraftbabflüssen bedrohte Stadt Zweibrücken sowie der ebenfalls direkt benachbarte Landkreis Südwestpfalz die Outlet-Erweiterung begrüßen, während viele weiter entfernte Kommunen sie ablehnen? Und tun die Kritiker auf ihrem eigenen Gebiet genug, um die Innenstädte vor der Grünen Wiese zu schützen? „Kein Kommentar.“

Eine persönliche Anmerkung macht Kopf aber doch: „Der Handel ist im Wandel.“ Der Online-Handel sei heute für innerstädtische Einzelhändler eine größere Konkurrenz als Märkte auf der Grünen Wiese. Wer zum Beispiel die Outlet-Erweiterung ablehne, sollte sich deshalb auch fragen: „Kaufe ich bei Amazon?“ Online-Handel spiele für das laufende Zielabweichungsverfahren aber keine Rolle, betont Kopf.

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