Raumordnungsverfahren für großen Ausbau Erweiterung soll „Zweibrücken Fashion Outlet“ luxuriöser machen
Zweibrücken/Neustadt · Das Zweibrücken Fashion Outlet will seine Verkaufsfläche um 40,5 Prozent vergrößern. Und versucht, mit umfangreichen Gutachten zu belegen, dass dies die Nachbarstädte nicht gefährdet. Am stärksten seien die Auswirkungen auf Zweibrücken und Saarbrücken, aber auch gut verkraftbar. Künftig sollen etliche neue Warengruppen verkauft werden dürfen.
Darf das schon heute größte Fabrikverkaufszentrum Deutschlands (größer als das Zweibrücken Fashion Outlet ist nur die als Outlet-Agglomeration definierte Outletcity Metzingen) seine Netto-Verkaufsfläche von 21 000 auf 29 500 Quadratmeter erhöhen? Zu dieser Frage hat die rheinland-pfälzische SGD Süd (Struktur- und Genehmigungsdirektion in Neustadt) am 16. März „das Raumordnungsverfahren mit integriertem Zielabweichungsverfahren“ gestartet, wie die Oberste Landesplanungsbehörde am Freitag mitteilte.
„An diesem Verfahren wird die SGD Süd mehr als 100 Träger öffentlicher Belange wie zum Beispiel Behörden, Gemeinden, Verbände und sonstige Stellen beteiligen. Sie haben bis zum 30. Juni 2022 die Gelegenheit, zu den Erweiterungsabsichten der Betreibergesellschaft eine Stellungnahme abzugeben“, schreibt die SGD. Gleiches gelte für Bürger, informiert der Präsident der SGD Süd, Hannes Kopf: „Selbstverständlich geben wir auch der Öffentlichkeit bis Ende Juni 2022 die Möglichkeit zum geplanten Ausbau des Zweibrücken Fashion Outlet eine Stellungnahme abzugeben.“ Die Antragsunterlagen werden bei der Stadt und der SGD Süd öffentlich ausgelegt und sind bereits online abrufbar auf https://sgdsued.rlp.de/de/service/oeffentlichkeitsbeteiligung-bekanntmachungen/.
Unsere Zeitung hat die rund 950-seitigen Antrags- und Gutachten-Unterlagen schon ausgewertet. Der in Rotterdam ansässige Fashion-Outlet-Betreiber „Via Outlets“ hatte das Kaiserslauterer Raumplanungs-Büro Firu mit der Bearbeitung des Antragverfahrens beauftragt. Gesamtfazit aus den Gutachten: „Das Vorhaben ist wirtschaftsstrukturell, städtebaulich und raumordnerisch als verträglich einzustufen.“
Das Raumordnungs-und Zielabweichungsverfahren ist erforderlich, weil eigentlich nicht erlaubt ist, so große Einzelhandelsflächen außerhalb von Innenstädten zu bauen. Und wenn Ausnahmen genehmigt werden, dürfen benachbarte Innenstädte nicht in ihrer Funktion beschädigt werden. Via Outlets und Firu schreiben: „Das Vorhaben wird die städtebaulichen Versorgungsstrukturen im Zentralen Versorgungsreich Zweibrückens und benachbarter Städte nicht beeinträchtigen.“
Nach dem Ausbau wird das Zweibrücken Fashion Outlet (ZFO) jährlich 57 Millionen Euro mehr Kaufkraft binden als bisher. Das niedrigste Umsatzwachstum (13 Prozent) erwarten die Gutachter aus dem Naheinzugsbereich (bis Saarbrücken), im mittleren 26 und im Ferneinzugsgebiet 58 Prozent.
Saarbrücken könne auch dadurch Kunden verlieren, dass künftig Luxemburger und Franzosen mehr im Outlet einkaufen. Für die Saarbrücker Innenstadt prognostizieren die Worst-Case-Szenarien mit 6,6 bis 6,7 Millionen Euro absolut die höchsten Umsatzverluste (minus 1,6 Prozent) – dies sei angesichts der großen Stärke der Saarbrücker City „als verträglich zu bewerten“.
Der prozentual größte Umsatzrückgang droht zwar der Zweibrücker Innenstadt (minus 2,3 %). Auch dies sei aber mit 0,4 bis 0,5 Millionen Euro minus so niedrig, dass „städtebauliche Wirkungen“ „ausgeschlossen werden“ könnten: „ Es ist festzustellen, dass die Zweibrücker Innenstadt die ihr zugewiesene Versorgungsfunktion nach der Erweiterung des ZFO sowohl insgesamt als auch hinsichtlich der einzelnen projektrelevanten Sortimentsbereiche weiterhin wahrnehmen kann.“
Die Innenstadt von Pirmasens werde „nach wie vor als schwacher Einzelhandelsstandort bewertet, der im projektrelevanten Angebotssegment nur geringe Überschneidungen“ mit dem Outlet zeige. Deshalb werde hier nur 0,1 Prozent Umsatzverlust (ebenfalls - 0,4 bis 0,5 Millionen Euro) erwartet.
Auch für Neunkirchen (- 1,1 %), Homburg (- 1,2 %), Kaiserslautern (- 1,2 %), Landau (- 0,8 %) und St. Wendel (- 0,4 %) erwarten die von Via Outlets beauftragten Gutachter (Ecostra) keine wesentlichen nachteiligen Effekte durch die Outlet-Erweiterung.
Die Ausbau-Pläne sind rechtlich wohl eine große Herausforderung für das im März 2001 als „Designer Outlet Zweibrücken“ eröffnete Fabrikverkaufszentrum. Denn 2002 urteilte das Bundesverwaltungsgericht, die Baugenehmigung sei rechtswidrig gewesen, weil Zweibrücken die Nachbarkommunen nicht richtig beteiligt habe. 2003 einigte sich Zweibrücken mit Homburg auf die Begrenzung der Verkaufsfläche auf 21 000 Quadratmeter (statt wie früher mal geplant 36 000), ein Jahr später zog auch Neunkirchen seine Klage zurück (1998 hatte auch Pirmasens geklagt).
Vor der Outlet-Eröffnung hatten der damalige Betreiber OCI (Outlet Centres International) Kritiker damit zu beruhigen versucht, man wolle ein Outlet mit Premium-Designer-Marken bauen, die in den benachbarten Innenstädten ohnehin nicht erhältlich sind. Im Laufe der Jahre kamen zu den (heute bis zu 111) Läden (plus 5 Gastro-Betriebe) aber auch etliche Marken hinzu, die zwar gute Namen haben, aber nicht dem Luxus-/Designer-Bereich hinzuzurechnen sind und auch in manchen Fußgängerzonen im weiteren Umkreis zu kaufen sind.
Womöglich auch deshalb soll der Luxus-Anteil der Geschäfte im Zweibrücken Fashion Outlet mit dem Anbau gesteigert werden. Der Raumordnungsverfahren-Antrag legt aber noch nicht genau fest, in welchem Ausmaß dies festgeschrieben werden soll. Es heißt, die 40 bis 50 geplanten neuen Outlet-Läden sollten „primär im hochpreisigen Luxus- und Premiumsegment entstehen“. Damit entwickele das Centre nach der Erweiterung „eine verstärkte Anziehungskraft für Kunden mit überdurchschnittlicher Kaufkraft aus großen Einzugsbereichen“. Es „soll geprüft werden, ob auf (Teilen) der Erweiterungsfläche nur der Verkauf von ,Markenartikeln von hochwertigen Markenherstellern des Luxus- und Premiumsegments‘ vorzusehen sind“. Genauer könne dies im Bebauungsplan festgesetzt werden. In dem beiliegenden Rechtsgutachten ist sogar davon die Rede, die Luxus-Definition könne „gegebenenfalls auf einem noch festzulegenden Prozentsatz auch der Bestandsflächen“ ausgeweitet werden.
Die Gutachter und auch der Antrag räumen ein, dass die Definition schwierig sei. Klar sei: „Unter Luxus- und Premiumsegment sind Markenartikel zu verstehen, die sich im oberen und obersten Preissegment befinden. Demnach wenden sich diese Markenartikel an anspruchsvolle nationale und internationale Kunden mit überdurchschnittlicher Kaufkraft.“ Als Anhaltspunkte dafür, welche Marken darunter fallen, könnten Kriterien herangezogen werden wie ob die Hersteller in „führenden internationalen Premium- und Luxus“-Outlet-Standorten, im KaDeWe oder der Galerie Lafayette geführt werden. Bestehe über die Luxus-Einstufung Uneinigkeit, „ist ein Gutachter zur Abgabe einer Stellungnahme zu beauftragen“. Das Rechtsgutachten schlägt neben Regelungen im Bebauungsplan auch einen städtebaulichen Vertrag zwischen SGD Süd, Via Outlets und den Anlieger-Kommunen vor.
Auch bei den im Outlet erlaubten Sortiments-Gruppen möchte der Betreiber etwas ändern. Seit der Eröffnung 2001 ist es verboten, bestimmte Waren im Outlet zu verkaufen. Ziel war damals der Schutz der benachbarten Innenstädte. Doch die rigide Beschränkung führte nach Beobachtung unserer Zeitung zu einer massiven Mode-Konzentration im Outlet – was ja auch wesentlicher Schwerpunkt der Innenstädte war (und womöglich in Zweibrücken mit zu Modeläden-Schließungen beitrug). Jetzt plant das Outlet, seinen Waren-Mix zu erweitern. Neu zugelassen werden sollen (zum Schutz der Nachbarstädte mit begrenzten Verkaufsflächen insgesamt je Warengruppe): bis 400 Quadratmeter: Spielwaren, Sportgeräte, Möbel/Einrichtungsbedarf – bis 200 Quadratmeter: Sonnenbrillen/Brillen (schon vorhanden, obwohl ursprünglich nicht erlaubt), Ton- und Bildträger & Software, Bücher, sonstige Warengattungen.
Neu geplant sind zudem Obergrenzen auch für die schon vorhandenen Warengruppen. Dies sei heute raumordnungsrechtlich erforderlich. Weil das Centre-Management aber mit Herstellern meist zehnjährige Mietverträge abgeschlossen hat, soll ein detailliertes „Korridorsperre“-System verhindern, dass im Erweiterungs-Abschnitt Läden mit Waren eröffnen, solange diese im Bestands-Bau noch wachsen dürften. So sei ausgeschlossen, dass von einem Sortiment irgendwann zu viel verkauft werden darf.
Die Investitionssumme für die Erweiterung betrage 45 bis 50 Millionen Euro – davon werde auch die Wirtschaft in Rheinland-Pfalz und noch mehr im Saarland kräftig profitieren. In den neuen Shops sollen 329 neue Arbeitsplätze entstehen. Bislang (Stand 2019 vor der Corona-Pandemie) gebe es im Fashion Outlet 1256 Beschäftigte (431 Vollzeit, 475 Teilzeit, 330 geringfügig Beschäftigte, 20 Auszubildende).
Via Outlets erklärt: „Ziel der Betreiberin ist es – neben den marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten – regionalwirtschaftliche und touristische Synergieeffekte zu generieren.“ Mit den mehr und hochwertigeren Shops werde es gelingen, die Aufenthaltsdauer der Outlet-Kunden in der Region zu verlängern und „mit den Kernsegmenten der Region (Naturtourismus, Wandern, Radfahren etc.)“ zu verbinden.
Da die meisten Kunden des direkt an der A 8 gelegenen Outlets mit dem Auto anreisen, erwartet das Verkehrsgutachten infolge der Erweiterung „deutliche Mehrbelastungen“. Man schätze, dass die jährliche Besucherzahl von 4,2 Millionen in 2019 (letztes Vor-Corona-Jahr) auf 5,2 Millionen wachsen werde. „Für den Spitzentag (Samstag in den Ferien)“ steige das Verkehrsaufkommen des Fashion Outlet von 6400 Fahrzeugen pro Tag – jeweils in der Zu- und Abfahrt – auf 8100.
Um Staus zu verhindern, sei aber nur an einer Stelle eine aufwendige Maßnahme erforderlich: An den beiden Anschlussrampen zur Autobahn werden der Bau von Kreiseln („präferiert“) oder Ampeln empfohlen. An der L 700 in Höhe Tadano-Werk Wallerscheid dagegen reiche zur Entzerrung ein Rechtsfahrgebot. Für die Erweiterung plant das Outlet auch mehr Parkplätze.