3. Fußball-Liga Der FCK besteht seine Reifeprüfung

Kaiserslautern · 46 895 Zuschauer bei einem Drittliga-Spiel: In Kaiserslautern ist die ganz große Fußball-Begeisterung endgültig zurück. Im Derby gegen den 1. FC Saarbrücken gewinnen die Roten Teufel trotz langer Unterzahl mit 3:1 – und sind nach einer durchweg reifen Leistung der 2. Liga wieder einen Schritt näher gekommen.

Terrence Boyd (2. von rechts) hat Kaiserslautern gerade in Unterzahl mit 2:1 in Führung geschossen. Die FCK-Fans im ausverkauften Fritz-Walter-Stadion sind aus dem Häuschen. Genauso wie Ersatzspieler Jean Zimmer (rechts), der Boyd von hinten um den Hals fällt.

Terrence Boyd (2. von rechts) hat Kaiserslautern gerade in Unterzahl mit 2:1 in Führung geschossen. Die FCK-Fans im ausverkauften Fritz-Walter-Stadion sind aus dem Häuschen. Genauso wie Ersatzspieler Jean Zimmer (rechts), der Boyd von hinten um den Hals fällt.

Foto: IMAGO/Werner Schmitt/IMAGO/wolfstone-photo

(mire/cor/dpa) Es gibt sie, diese entscheidenden Momente im Fußball, an denen eine Mannschaft wachsen – oder zerbrechen kann. Die 48. Spielminute an Ostersonntag im ausverkauften Fritz-Walter-Stadion war für den Fußball-Drittligisten 1. FC Kaiserslautern ein solcher Moment. Der FCK hatte im Südwest-Derby gegen den 1. FC Saarbrücken gerade den Ausgleich zum 1:1 schlucken müssen und spielte nach einer Roten Karte gegen Abwehrchef Kevin Kraus zudem nur noch mit zehn Mann. Die Partie drohte zu kippen – und Kaiserslautern ein empfindlicher Dämpfer im Aufstiegsrennen. Denn der größte Konkurrent der Roten Teufel im Kampf um den direkten Aufstiegsplatz hatte tags zuvor seine Hausaufgaben gemacht. Eintracht Braunschweig hatte sich durch einen 1:0-Erfolg über die Würzburger Kickers auf Rang zwei geschoben. Eine Niederlage gegen Saarbrücken – und der FCK hätte die Eintracht nicht mehr aus eigener Kraft überflügeln können.

Doch unter Druck entstehen ja bekanntlich auch Diamanten. Und wem dieser Vergleich zu pathetisch ist, wird womöglich zumindest zustimmen, dass die Roten Teufel nach dem Ausgleich erfolgreich ihre Reifeprüfung ablegten. Denn Kaiserslautern ließ gegen die Saarländer in der verbleibenden Spielzeit keine nennenswerte Torchance mehr zu und erzielte in Unterzahl selbst noch zwei Treffer: 3:1 für den FCK im Südwest-Derby. Der „Betze“ bebte. Und Kaiserslautern war dem Aufstieg in die 2. Bundesliga wieder einen Schritt näher gerückt.

Schon rund zweieinhalb Stunden vor dem Anpfiff drängten viele Zuschauer ins seit Tagen ausverkaufte Fritz-Walter-Stadion. Beide Fanlager waren heiß auf das Nachbarschaftsduell. Am Ende sorgten 46 895 Zuschauer für die zweitgrößte Kulisse der Drittliga-Geschichte.

Und Kaiserslautern begann die Partie dominant. Mike Wunderlich spielte den öffnenden Pass auf Daniel Hanslik. Der kam zwar an FCS-Verteidiger Steven Zellner vorbei, wurde dabei aber nach links abgedrängt. Hansliks Schuss aus spitzem Winkel parierte Saarbrückens Torwart Daniel Batz mit dem Fuß (6. Minute). Genau zehn Minuten später schlug FCK-Kapitän Hendrick Zuck einen langen Ball in die Spitze. Zellner klärte zunächst mit einer starken Grätsche gegen FCK-Sturmtank Terrence Boyd. Doch das Leder fiel Lauterns Marlon Ritter vor die Füße. Zellner stocherte im Liegen weiter nach dem Ball – Ritter fiel – und Schiedsrichter Benjamin Brand gab Elfmeter. Die Entscheidung war allerdings höchst umstritten. Zumindest auf den Fernsehbildern ist nicht zu erkennen, dass Zellner den Mittelfeldmotor der Roten Teufel tatsächlich getroffen hat.

Beinahe hätte der FCK aus dem Ostergeschenk aber gar kein Kapital geschlagen. Denn Boyds Strafstoß geriet unplatziert. Doch Torwart Batz konnte den Ball nicht festhalten, hatte zwar auch bei Boyds Nachschuss noch eine Hand an dem Spielgerät, doch Hanslik drückte das Leder über die Linie. Drei Minuten später beinahe die Antwort der Saarländer: Ein Schuss von FCS-Kapitän Manuel Zeitz aus 18 Metern zischte nur knapp über das FCK-Gehäuse. Viel mehr hatte Saarbrücken offensiv aber zunächst nicht anzubieten. Ein Freistoß von Pius Krätschmer war sichere Beute von FCK-Schlussmann Matheo Raab (36.). Kaiserslautern schien dem zweiten Treffer zwar näher als die Gäste dem Ausgleich, tat sich aber ebenfalls schwer, Chancen zu kreieren. Nach Flanke von Wunderlich rettete Saarbrückens Verteidiger Lukas Boeder vor dem lauernden Boyd (38.).

Tore fielen bis zur Pause nicht mehr – und trotzdem hatte die Halbzeit noch einen großen Aufreger parat. In der 45. Minute legte FCS-Mittelfeldspieler Robin Scheu den Ball an Kraus vorbei. Der FCK-Abwehrchef versuchte das Leder wegzuspitzeln, kam aber viel zu spät und traf Scheu mit gestrecktem Bein am Bauch. Wegen rohen Spiels flog der Lauterer zurecht mit glatt Rot vom Platz.

Und direkt nach dem Seitenwechsel kam es noch schlimmer für die Roten Teufel. Zeitz löffelte den Ball aus dem Halbfeld in den Strafraum und der eingewechselte Tobias Jänicke köpfte das Leder neben den linken Pfosten ins Netz (48.).

Über 40 Minuten musste der FCK in Unterzahl auskommen – und stellte in dieser Situation unter Beweis, warum er aktuell die besten Karten hat, neben Spitzenreiter Magdeburg auf direktem Weg in Liga zwei aufzusteigen. Denn die Pfälzer ließen den FCS zwar ein paar Minuten kommen, legten dann trotz Unterzahl aber wieder den Vorwärtsgang ein, und schlugen in der 57. Minute zu. Raab konnte einen Fehlpass von Krätschmer aufnehmen und schlug den Ball nach vorne. Dort ließ Boyd zuerst Zellner, dann Boeder im Zweikampf ganz alt aussehen und traf durch die Beine von Batz zur 2:1-Führung für die Pfälzer. Boyds Tor, eine personifizierte Willensleistung, brachte den Betze endgültig zum Überkochen. 

„Wir mussten uns kurz schütteln, aber die Jungs haben so einen Spirit, da lässt jeder sein Herz auf dem Platz – und die Zuschauer tragen ihren Teil dazu bei. Dann gehst du den Extra-Meter und dann noch einen Meter und dann noch einen. Mit dem 2:1 haben wir Saarbrücken den Zahn gezogen“, freute sich Lauterns Trainer Marco Antwerpen.

Denn seine Mannschaft war auch mit einem Mann weniger auf dem Rasen klar besser. Der FCS, der um seine letzte Chance kämpfte, noch ins Aufstiegsrennen einzugreifen, wirkte wie erstarrt – und lief nach 65 Minuten einem Zwei-Tore-Rückstand hinterher. Der eingewechselte Kenny Redondo luchste Krätschmer den Ball ab und passte rechts raus zu Philipp Hercher. Der schupfte das Leder zurück in den Lauf von Redondo, der Batz aus zehn Metern mit der Picke überwand.

Auch in der Schlussphase war von einem Aufbäumen der Saarländer wenig zu sehen. Ein Fernschuss von Jalen Hawkins stellte Raab vor keine ernsthaften Probleme (79.). Jänicke versuchte sich an einem Fallrückzieher, stand dabei aber im Abseits (80.). Auf der Gegenseite hätten Ritter, der das Außennetz traf (84.), und Redondo, der Boeder einmal mehr im Zweikampf düpiert hatte (86.), sogar noch den vierten Treffer für den FCK nachlegen können. Als Boyd nach 87 Minuten den Rasen des Fritz-Walter-Stadions bei seiner Auswechslung verließ, vibrierten sogar die Tribünendächer vom frenetischen Jubel der FCK-Anhänger.

„Das war berauschend. Ein Derby vor 47000 und du machst das Führungstor vor der Westkurve. Dieses Gefühl kann man nicht beschreiben. Einfach hammergeil“, sagte Boyd. Und ergänzte: „Als Kenny das 3:1 macht, haben wir ihnen das Genick gebrochen.“

Saarbrückens Trainer Uwe Koschinat monierte dagegen die „schlechte Körpersprache“ seiner Elf: „Wir wurden von Minute zu Minute unsicherer. Jeder, der auf dem Platz stand, hatte nicht mehr den hundertprozentigen Glauben daran, dass das Spiel noch zu drehen ist. Und wenn das der Fall ist, dann wirst du das auf dem Betze nicht schaffen. Dafür ist der FCK zu gefestigt und es haben beim Gegner zu viele Typen auf dem Platz gestanden. Wir waren hintenraus chancenlos. Das tut unfassbar weh.“ Torwart Batz schlug in eine ähnliche Kerbe: „In den entscheidenden Momenten hat uns die Männlichkeit gefehlt. Ich brauche keine elf Schwiegersöhne auf dem Platz. Gerade in der zweiten Hälfte, als es richtig auf die Fresse gab, hat uns einer gefehlt, der auch emotional dagegen hält.“ FCS Kapitän Zeitz brachte indes die Entstehung von Boyds Treffer auf die Palme: „Wie wir das 2:1 bekommen – da bekomme ich das Kotzen.“

Bei Kaiserslautern herrschte dagegen Feierlaune: „Als die Tore zum 2:1 und 3:1 gefallen sind, das war Emotion pur. Der Betze hat wirklich gebebt wie in den alten Tagen. Da hat man gesehen, was dieses Stadion ausmacht“, jubelte Antwerpen nach der reifen Leistung seiner Mannschaft. Die am Sonntag an einer schwierigen Situation gewachsen ist – statt daran zu zerbrechen. Der FCK hat nun noch drei Spiele vor der Brust, das nächste bereits am Freitag um 19 Uhr beim Achten Wehen Wiesbaden. Gewinnt Kaiserslautern alle drei Spiele, ist der Aufstieg in trockenen Tüchern. Dann würde Trainer Antwerpen auch kommende Saison beim FCK an der Seitenlinie stehen. Das bestätigte Kaiserslauterns Sportchef Thomas Hengen dem SWR.

46 895 Zuschauer sahen an Ostersonntag das Derby zwischen Kaiserslautern und Saarbrücken. Es war die zweitgrößte Kulisse in der Drittliga-Geschichte.

46 895 Zuschauer sahen an Ostersonntag das Derby zwischen Kaiserslautern und Saarbrücken. Es war die zweitgrößte Kulisse in der Drittliga-Geschichte.

Foto: IMAGO/Fotostand/IMAGO/Fotostand / Schmitt
 FCK-Kapitän Hendrick Zuck (rot) erwehrt sich der Grätsche von Saarbrückens Dominik Ernst. Gerade in Überzahl war der FCS sonst aber überraschend zahm.

FCK-Kapitän Hendrick Zuck (rot) erwehrt sich der Grätsche von Saarbrückens Dominik Ernst. Gerade in Überzahl war der FCS sonst aber überraschend zahm.

Foto: IMAGO/Eibner/IMAGO/Neis /Eibner-Pressefoto
  FCS-Kapitän Manuel Zeitz hätte bei manchem Gegentor „kotzen“ können.

FCS-Kapitän Manuel Zeitz hätte bei manchem Gegentor „kotzen“ können.

Foto: IMAGO/Jan Huebner/IMAGO/Steven Mohr

Die Saarbrücker, für die es vor allem darum gehen dürfte, noch auf den vierten Platz, der die Teilnahme am DFB-Pokal bedeutet, zu klettern, empfangen am Samstag um 14 Uhr, den Drittletzten SC Verl.

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