Über die seltene Krankheit NBIA „Bisher wissen wir nicht, welche Funktion das Gen hat“

Völklingen/Homburg · Die seltene Krankheit NBIA ist noch kaum erforscht: Fragen an Dr. Marina Flotats-Bastardas, Fachärztin an der Universitätsklinik des Saarlandes.

 Die Fachärztin Dr. Marina  Flotats-  Bastardas.  Foto: Rüdiger Koop/ UKS

Die Fachärztin Dr. Marina Flotats- Bastardas. Foto: Rüdiger Koop/ UKS

Foto: Rüdiger Koop/ UKS/Rüdiger Koop

Dr. Marina Flotats-Bastardas ist Oberärztin in der Abteilung für Neuropädiatrie des Uni-Klinikums in Homburg. Wir haben mit ihr über die seltene Krankheit NBIA und ihre Unterformen gesprochen.

Frau Dr. Flotats-Bastardas, was genau verbirgt sich hinter dem Kürzel NBIA?

Dr. Marina Flotats-Bastardas: Die Bezeichnung, original auf Englisch, steht für „Neurodegeneration mit Eisenablagerung im Gehirn“. Dabei sammelt sich Eisen in den Zellen, insbesondere in den Neuronen.  Die Zellen benötigen Eisen,  um sich am Leben zu erhalten.  Aber hier ist es so viel, dass es den Zellstoffwechsel stört, es kommt zu einem Stau.

Was ist die Ursache?

Flotats-Bastardas: Eine genetische Veränderung. Die wird vererbt. Weil aber beim Menschen die Gene jeweils doppelt vorkommen, bleibt jemand, bei dem nur eines der beiden gleichen Gene den Defekt aufweist, gesund. Erst wenn die Mutation von beiden Elternteilen vererbt wird und so auf beiden Genen auftaucht, entsteht die Krankheit.

Wie erkennt man NBIA?

Flotats-Bastardas: Wenn im MRT,  im Magnetresonanz-Tomographen, Eisenablagerungen im Gehirn sichtbar sind, liegt der Verdacht auf NBIA nahe. Sicherheit bringt ein Gentest. Wobei NBIA ein Oberbegriff ist für verschiedene Krankheiten, bislang kennen wir sechs Unterformen. Dabei sind jeweils unterschiedliche Gene im Spiel. Eine der Unterformen nennt man MPAN.

Kann man die Krankheit heilen?

Flotats-Bastardas: Gerade für MPAN gilt: Wir wissen zwar, welches Gen betroffen ist. Aber wir wissen bisher nicht, welche Funktion das Gen hat. Erst wenn das verstanden ist, lässt sich eine Therapie gegen die Ursache der Krankheit entwickeln. Ein Problem für die Forschung ist zudem, dass NBIA extrem selten vorkommt. Die Zahl der Kranken liegt bei eins bis drei unter einer Million Menschen, bei MPAN ist sie noch geringer. Es gibt zwar ein Forschungsnetzwerk, international, es heißt TIRCON; aber man ist da noch nicht weit.

Wie ist die Prognose?

Flotats-Bastardas: Schlecht. Die Symptome werden zunehmen. Wenn NBIA schon in jungen Jahren auftritt, ist die Progression meist rascher, als wenn die Krankheit erst im Erwachsenenalter kommt. Zu erwarten ist nach und nach ein Verlust der Beweglichkeit an Armen und Beinen. Das Sprechen und das Sehvermögen können betroffen sein, weil auch da die Steuerung durch Gehirn und Nerven nicht  funktioniert. Emotionale Labilität kann sich einstellen. Die kognitiven Fähigkeiten können leiden – eine Art frühzeitige Demenz.

Lässt sich der Verlauf der Krankheit beeinflussen?

Flotats-Bastardas: Ja. Das Hauptproblem ist die Beweglichkeit. Physiotherapie und Ergotherapie unterstützen die Muskulatur dabei, den richtigen Wechsel von Spannung und Entspannung zu finden; so kann man auch Krämpfen vorbeugen, die mit Schmerzen einhergehen. Für das Sehvermögen gibt es Hilfen. Und Unterstützung für die kognitiven Fähigkeiten ist ganz wichtig.  All das verbessert die Lebensqualität und verzögert das Fortschreiten der Krankheit. Ein zusätzlicher Ansatzpunkt ist ein Medikament, das die weitere Ablagerung von Eisen im Gehirn verhindern soll. Bei einigen NBIA-Kranken wirkt es – man muss es versuchen.

Was würden Sie NBIA-Kranken und ihren Familien raten?

Flotats-Bastardas: Die Diagnose  akzeptieren und damit nach vorne schauen. Überforderung vermeiden, aber auch Unterforderung, denn beides verursacht Frustrationen. Das Leben genießen  und gegen die Symptome tun, was möglich ist. Und: Die Hoffnung nicht aufgeben.

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