Zur Erinnerung an Eugen Berl

St Wendel · Eugen Berl war jüdischer Geschäftsmann in St. Wendel. Er ist der letzte jüdische Mitbürger der hier beerdigt wurde. Seine Witwe Erna wurde 1940 deportiert und verstarb in Auschwitz. Ihrem Sohn Fritz gelang 1939 die Flucht ins damalige Palästina.

 Einweihung des Eugen-Berl-Platzes in St. Wendel, Wendelinusstraße auf dem Gelände der evangelischen Kirche. Die Enthüllung durch Landrat Udo Recktenwald (CDU) und Yehesrela Berl erfolgte im Beisein zahlreicher Gäste. Fotos: B & K

Einweihung des Eugen-Berl-Platzes in St. Wendel, Wendelinusstraße auf dem Gelände der evangelischen Kirche. Die Enthüllung durch Landrat Udo Recktenwald (CDU) und Yehesrela Berl erfolgte im Beisein zahlreicher Gäste. Fotos: B & K

 Ausstellung im Wendalinum St. Wendel: Zehntklässler stellen ihr Projekt „Erinnerungen an das jüdische Leben der Familie Eugen Berl in St. Wendel“ vor.

Ausstellung im Wendalinum St. Wendel: Zehntklässler stellen ihr Projekt „Erinnerungen an das jüdische Leben der Familie Eugen Berl in St. Wendel“ vor.

St. Wendel. Zu Ehren und zum Gedenken an den Tod von Eugen Berl ist anlässlich des jüdischen Nationalgedenktages Yom Hashoa der Eugen-Berl-Platz im Umfeld der evangelischen Kirche eingeweiht worden. Aus diesem Anlass besuchten Hinterbliebene die Heimatstätte ihres Vorfahrens. Das Adolf-Bender-Zentrum hatte zuvor die Verbindung zu ihnen hergestellt.

Berl war SPD-Mitbegründer

Eugen Berl führte mit seiner Frau Erna ein Textilgeschäft in der Schloßstraße. Er war Mitbegründer der St. Wendeler SPD und Teil des gesellschaftlichen Lebens der Stadt. Trotz aller Anstrengungen, seinen Laden geöffnet zu halten, musste er ihn nach den Boykottaufrufen der Nazis aufgeben. Er wurde 1936 wegen des Verstoßes gegen das "Gesetz zum Schutze deutschen Blutes" angeklagt - in seinem Geschäft arbeiteten zwei nichtjüdische Aushilfen. Die Anklage setzte ihm so zu, dass er im gleichen Jahr verstarb, bevor der Prozess eröffnet wurde. Eugen Berl ist der letzte Jude, der in St. Wendel beerdigt wurde. 1940 wurde seine Frau Erna Berl ins Konzentrationslager Gurs in Südwest-Frankreich deportiert. Zwei Jahre später, in Auschwitz, verlieren sich ihre Spuren.

Hinterbliebene zu Besuch

Ihr Sohn Fritz, damals elf Jahre alt, gelang 1939 die Flucht nach Palästina, wo er eine Familie gründete. Hinterbliebene von Fritz Berl, darunter seine Witwe Yehesrela Berl, Tochter Orna Gold und deren Sohn Ady Gold nahmen den Weg von Israel auf sich, um gemeinsam mit den St. Wendelern, der Shoa (bedeutet: nationalsozialistischer Völkermord) und ihrer Opfer zu gedenken.

Der Ort für den Gedenkplatz wurde bewusst gewählt. "Er symbolisiert die gemeinsamen Wurzeln der christlichen und jüdischen Kirche", sagt Richard Bermann, Vorsitzender der saarländischen Synagogengemeinde. Vor der Gedenktafel auf diesem Platz gegen das Vergessen zündeten Schüler des Gymnasiums Wendalinum, das Fritz Berl besuchte, sechs Kerzen als Symbol für die sechs Millionen jüdischen Opfer des deutschen Nationalsozialismus an. Ady Gold nahm die Geste des gemeinsamen Erinnerns und Gedenkens an: "In zynischen Zeiten, in denen sich die Menschen oft nur um sich selbst kümmern, bedeutet unserer Familie das Engagement gegen das Vergessen viel."

Der Bau des Eugen-Berl-Platzes geschah in Zusammenarbeit von Landkreis, Adolf-Bender-Zentrum und dem Verein wider das Vergessen. Im St. Wendeler Land werden insgesamt sieben Orte gegen das Vergessen errichtet, die dem Gedenken an das jüdische Leben dienen. Eugen Berls Sohn Fritz besuchte das St. Wendeler Gymnasium Wendalinum. Er war der einzige jüdische Schüler der Klasse 4a von 1938. Nach einer Hetzrede des Oberstudiendirektors Schulz gegen sogenannte unarische Menschen am 14. November dieses Jahres, musste Fritz Berl die Schule verlassen. Ende 1939 flüchtete der 14-jährige Junge aus Deutschland. Er trug nichts als eine Weste, ein Foto von ihm und seiner Mutter Erna sowie einem Volksschulatlas in seinem Gepäck. Trotz der Hitlerjugend-Uniform, die er trug, musste er sich auf seiner Flucht verstecken. Über Italien erreichte er im Januar 1940 mit der Fähre Palästina.

In der Aula des Wendalinums, die nach ihrer Sanierung in Fritz-Berl-Aula umbenannt werden soll, stellten 15 Schüler der Klassenstufe 10 ihr Projekt vor, das sie der Geschichte der Familie Berl und dem jüdischen Leben in St. Wendel gewidmet haben. In Anwesenheit der Hinterbliebenen skizzierten sie die Familiengeschichte mit einem Stammbaum und illustrierten auf Karten den Fluchtweg Fritz Berls.

"Die Idee für das Projekt entstand bei einer Wanderung durch die Stadt, an den jüdischen Gedenkplätzen entlang", sagt Religionslehrer Raffael Groß. Dementsprechend haben die Schüler auch eine Wanderkarte entwickelt, auf der die Plätze der Erinnerung verzeichnet sind.

Orna Gold, Tochter von Fritz Berl, war sichtlich ergriffen vom Engagement der Gymnasiasten: "Das Projekt ist sehr emotional für unsere Familie. Wir freuen uns darüber, dass wir gemeinsam wieder eine Verbindung zu St. Wendel herstellen konnten". Durch die Arbeit der Schüler erfuhren sie Details aus dem Leben ihres Vorfahren, die der Familie nicht bewusst waren.

"Das Schlauste, was wir machen können, ist, aus der Vergangenheit zu lernen", sagte Ady Gold. "Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass sich junge Leute nach 80 Jahren noch für die Geschehnisse interessieren." Er fühle sich sehr wohl unter den Schülern, mit denen sich die Familie am Vortag schon getroffen hat. Auch nach den Vorträgen ging der Dialog mit der Familie in der Aula weiter.

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