Erinnerungen an jüdisches Leben

St Wendel · Noch bis zum 10. März wird im St. Wendeler Landratsamt die Ausstellung „Schicksal einer jüdischen Familie – Die Familie Berl aus St. Wendel“ gezeigt. Die Ausstellung ist ein Teil des Erinnerungskultur-Projektes „Orte gegen das Vergessen“.

 Berls Sohn Fritz vor dem Geschäft in der Schlossstraße in St. Wendel. Foto: Adolf-Bender-Zentrum

Berls Sohn Fritz vor dem Geschäft in der Schlossstraße in St. Wendel. Foto: Adolf-Bender-Zentrum

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Acht übersichtlich mit Texten und Fotos gestaltete Banner dokumentieren im Foyer des Landratsamtes in St. Wendel jüdisches Leben, in dessen Mittelpunkt das Schicksal der Familie Eugen Berl steht. Anschaulich stellen Schautafeln die Judenverfolgung im Dritten Reich mit der Beschreibung der Lebens- und Leidenswege der Familie Berl in einen konkreten personellen und örtlichen Zusammenhang. Konzipiert worden ist die Ausstellung vom Adolf-Bender-Zentrum (ABZ).

"Es sind Spuren und Orte der jüdischen Kultur geblieben, die wollen wir sichtbar machen", sagte der St. Wendeler Landrat Udo Recktenwald (CDU) bei der Ausstellungseröffnung am Montag. Ziel müsse es sein, die Erinnerung wachzuhalten und einer Wiederholung entgegenwirken. Bereits im 14. Jahrhundert lebten Juden in St. Wendel, die nach ihrer Ansiedlung vertrieben worden sind. Erst im 19. Jahrhundert kehrte wieder jüdisches Leben in St. Wendel ein. "Eugen Berl war seinerzeit ein angesehener Bürger in der Stadt", schilderte der ABZ-Vorsitzende Armin Lang.

Berl gründete in Merzig SPD

Der aus Merzig stammende Eugen Berl zog früh nach St. Wendel. In der Schlossstraße 6 unterhielt er zusammen seiner Ehefrau Erna bis Mitte der 1930er Jahre ein Textilwarengeschäft. Berl gründete die SPD in der Stadt und im Kreis sowie verschiedene St. Wendeler Musik- und Gesangvereine. Er fungierte als Schiedsmann, war Mitinitiator des Kaufmannsvereins und saß als Schöffe am Gericht in Saarbrücken. Nach der Saarabstimmung 1935 wird Berl durch den Boykott jüdischer Geschäfte gezwungen, seinen Betrieb zu schließen. Er wird zudem beschuldigt zwei arische Mitarbeiterinnen in seinem jüdischen Geschäft zu beschäftigen. Ihm wurde vorgeworfen, damit gegen das "Gesetz zum Schutze des Deutschen Blutes und der Deutschen Ehre" verstoßen zu haben. Die nationalsozialistische Hetze belastete ihn stark und setzte ihm gesundheitlich zu. Er starb am 1. August 1936 im Alter von 65 Jahren kurz bevor ein Prozess gegen ihn angestrengt worden war. Berl ist der letzte jüdische Bürger, der auf dem Friedhof Urweiler beigesetzt wird. Seine Ehefrau Erna wurde 1940 ins südfranzösische Lager Gurs deportiert. Berls Sohn Fritz gelingt die Flucht nach Haifa/Palästina, wo sein Bruder Max schon seit Jahren lebt.

Des Weiteren werden in der Schau die grausamen Ereignisse, die sich in der Reichspogromnacht in St. Wendel, Bosen, Sötern und Tholey zutrugen, veranschaulicht. Vor allem jungen Menschen will die Ausstellung durch ihren lokalen Bezug einen besonderen Zugang zur Ausgrenzung, Verfolgung und Vernichtung unter der NS-Diktatur vermitteln.

Die Ausstellung "Schicksal einer jüdischen Familie - Die Familie Berl aus St. Wendel" wird bis zum 10. März im Foyer des St. Wendeler Landratsamtes, Eingang G, präsentiert. Öffnungszeiten: Montag bis Donnerstag von 7.30 bis 15.30, Freitag von 7.30 bis 15 Uhr.

 Acht Banner mit Fotos und Texten zeigt die Ausstellung. Foto: Faber

Acht Banner mit Fotos und Texten zeigt die Ausstellung. Foto: Faber

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HintergrundDie Eröffnung der Ausstellung "Schicksal einer jüdischen Familie - Die Familie Berl aus St. Wendel" ist gleichzeitig das Startsignal des Projektes "Orte gegen das Vergessen". Durch die Gestaltung von kleinen Plätzen mit Bänken und Informationstafeln soll die Geschichte jüdischen Lebens im Landkreis St. Wendel, sowie dessen Kultur und Religion vergegenwärtigt und im Bewusstsein der Bewohner und in der Region verankert werden. Zu diesem Zweck sind sieben Orte und Plätze ausgesucht worden, die nun nach und nach eingeweiht werden. Am 12. März, 17 Uhr, wird in Gonnesweiler der Raimund-Hirsch-Platz (neben Rundweg Bostalsee/Ecke Seestraße) seiner Bestimmung übergeben. Die weiteren Plätze: Sötern, Lotte-Koschelnik-Platz (Auf dem Marktplatz), St. Wendel, Eugen-Berl-Platz (Wendalinusstraße), Ort gegen das Vergessen (am Panoramarundweg, oberhalb der Straße Am Kniebrecher), Oberthal, Harry-Schu-Platz (Groniger Straße am Radweg), Tholey, Walter-Sender-Platz (vor dem jüdischen Friedhof), Baltersweiler, Änne-Meier-Platz (Zum Grauen Dorn 7 und zusätzliche Gedenktafel an der Änne-Meier-Schule). Darüber hinaus sind Ausstellungen, Filmdokumentationen, die Herausgabe einer Informationsbroschüre und die Erarbeitung eines umfangreichen pädagogischen Schulprogramms geplant. Des Weiteren ist vorgesehen, vor Ort öffentliche Veranstaltungen anzubieten, wo über die "Orte gegen das Vergessen" berichtet wird, ebenso kann eine geführte Tour zu einigen Plätzen gebucht werden. frf

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