„Ich bereue mein Leben nicht“

Saarbrücken · Schon als junger Kerl verspürte Gerhard Schöps den Drang nach Freiheit. Er packte seine Sachen und zog los. Mit 70 Jahren ist er sesshaft und erzählt der SZ von einem bewegten Leben, auch als Diamantenschmuggler.

 In der Bahnhofstraße ist Gerhard Schöps täglich anzutreffen. Immer mit Stock und Rucksack. Foto: Dietze

In der Bahnhofstraße ist Gerhard Schöps täglich anzutreffen. Immer mit Stock und Rucksack. Foto: Dietze

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Ohne seinen Wanderstock, sagt Gerhard Schöps, gehe er nicht vor die Tür. Und ohne seinen Rucksack auch nicht. "Da ist das Notwendigste drin. So kann ich jederzeit abhauen, wenn es sein muss", sagt der 70-Jährige und muss laut lachen. "Aber was soll schon sein? Die wilden Jahre sind vorbei", fügt er hinzu. Mit den "wilden Jahren" meint er sein Leben auf der Straße und auf See, seine Zeit als Weltenbummler, in der er auf fast allen Kontinenten unterwegs war. 22 Jahre war "Gérard", wie er überall genannt wird, als er seine Sachen packte und seine Heimat Wattenscheid hinter sich ließ. "Ich habe nach der Schule unter Tage gearbeitet, aber ich wollte nicht mit einer Steinstaublunge enden wie mein Vater. Und da ich immer schon den Drang nach Freiheit verspürte, beschloss ich, Deutschland ade zu sagen." Nach Frankreich führte ihn seine Reise zunächst, wo er sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser hielt. Mal arbeitete er in Restaurants, mal jobbte er beim Straßenbau. "In den Häfen konnte man gutes Geld verdienen. Ich lerne schnell Sprachen, wenn ich in einem Land lebe. Das war in den Häfen natürlich immer von Vorteil", erzählt Gérard und gibt eine kurze Kostprobe seiner Kenntnisse in Französisch, Spanisch, Englisch, Italienisch und Griechisch. Allzu lange hielt es ihn allerdings nie an einem Fleck. Sobald die Kasse gefüllt war, zog er weiter. Mit 28 Jahren heuerte er erstmals auf einem Schiff an.

"Das waren schöne Jahre auf See, in denen ich viel gesehen habe: New York, Mexiko, Thailand, Indien und, und, und." Zu jeder Stadt und zu jedem Land hat der Weltenbummler eine Anekdote parat. "Ich bin mit viel Kohle im Sack nach Vegas und dachte: Vielleicht haste ja Glück. Na ja, war leider nix", sagt er und lächelt. Ähnlich verlief seine Karriere als Diamantenschmuggler. "In Südafrika wurde mir viel Geld geboten, wenn ich Diamanten nach Europa schmuggele. So viel, dass ich schwach geworden bin."

In der Krempe eines Cowboyhuts habe er die heiße Ware durch den Zoll gebracht. "Das klappte einwandfrei. Bis ich verpfiffen wurde und bei der Übergabe in Griechenland verhaftet wurde. Acht Monate saß ich im Knast", erzählt Gérard. "Aber das ist lange her."

Im November 2012 führte ihn sein Weg nach Saarbrücken. Zufall sei das gewesen, wie vieles in seinem Leben. Hier lebt er in einer kleinen Wohnung, bekommt 300 Euro Hartz IV. "38 Jahre habe ich auf der Straße gelebt, aber ich bereue mein Leben nicht", sagt er. Auf die Straße zieht es ihn noch immer.

Tag für Tag sitzt er in der Bahnhofstraße und hofft, dass ihm Passanten etwas Geld geben. "Ich habe auf See gelernt, wie man aus Bambus spezielle Lampen baut. Ich will sparen, um mir das Material dafür zu besorgen, und die Lampen weiterverkaufen." Sobald er genug Geld beisammen hat, will Gérard weiterziehen und sich dann auch niederlassen. "In Peru. Davon träume ich."

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Filme zum Text Kurze Filme, in denen die Menschen aus unserer Serie "Menschen in Saarbrücken" von sich erzählen, sind online auf:saarbruecker-zeitung.de/leben-in-saarbruecken

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