Clever und mit feiner Ironie

Saarbrücken · 100 Jahre alt ist der Hauptfriedhof, und das wurde originellerweise auch mit einer Performance von Liquid Penguin gefeiert. Die schlug schlau und gut recherchiert den Bogen zu 100 Jahre Erster Weltkrieg.

 Performance in der Alten Trauerhalle: Siriltiebo, Stefan Scheib, Sosana Marcelino und Katharina Bihler (von links). Foto: Kerstin Krämer

Performance in der Alten Trauerhalle: Siriltiebo, Stefan Scheib, Sosana Marcelino und Katharina Bihler (von links). Foto: Kerstin Krämer

Foto: Kerstin Krämer

Was haben der Saarbrücker Hauptfriedhof und eine Radiostation in Brüssel gemeinsam? Beide wurden 1914 kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs eingeweiht und in den Kriegswirren umgewidmet: Der neue städtische Friedhof diente bald als Gefallenenfriedhof, während die belgische Sendeanlage zur mobilen Funkstation für die Kriegsberichterstattung umgebaut wurde.

Diese Brücke schlug die Performance, die das Saarbrücker Liquid Penguin Ensemble am Samstag mit dem französischen Künstlerduo Artistes actuels aus Nancy anlässlich der Feier "100 Jahre Saarbrücker Hauptfriedhof" aufführte. Wobei Friedhof und Alte Aussegnungshalle nur den äußeren Rahmen bildeten und sich die Gruppe auf die enorme Faszination der (Funk-) Technik zu jenen Pioniertagen der drahtlosen Signalübertragung konzentrierte.

So war's denn eher ein Gedenken an 100 Jahre Erster Weltkrieg und zugleich eine Hommage an eine Zeit des Aufbruchs - als das Unsichtbare sichtbar wurde (Röntgenstrahlen, Psychoanalyse) und Kommunikation immateriell, als Lärm und Klang sich als Kunst der Geräusche emanzipierten und sich auch Frauen für Reformen in Kunst und Politik stark machten. Letzteren setzte der Performer Siriltiebo hier ein literarisches Denkmal, indem er in seinen Texten Schlüsselszenen aus dem Leben fünf prominenter Zeitzeuginnen wie Camille Claudel oder Bertha von Suttner verarbeitete.

Seine Rezitationen waren hineingeschnitten in die Aktion von Katharina Bihler, die als Reporterin vor Ort fungierte: Mit einer Stimme, die dank elektronischer Verfremdung tatsächlich verzerrt wie aus einem Äther der Vergangenheit herübertönte, moderierte sie die Radio-Live-Übertragung eines Konzerts im Jahre 1914 und setzte dabei auch ein winziges altes Grammofon in Gang. Die akustische Kulisse lieferte Stefan Scheib, der mittels E-Bass, Soundschnipseln und Effekten eine atmosphärische Klangcollage improvisierte. Sosana Marcelino tanzte sich dazu barfuß durch die gesamte alte Trauerhalle und stützte sich dabei auf innovative Choreografien jener Zeit, so etwa von Mary Wigman, der Wegbereiterin des modernen Ausdruckstanzes.

Das Ganze war so, wie man es von den Pinguinen und Ensemble-Gästen kennt und erwartet: Clever, sorgfältig recherchiert und mit liebevoller Ironie und feinem Witz konzipiert und ausgeführt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort