Lesung von Maike Albath in Saarbrücken Füße hochlegen, Torten essen – und den Puritanismus loben

Saarbrücken · Die Italien-Kennerin Maike Albath liest heute in Saarbrücken aus ihrem neuen Buch, einem hinreißenden Porträt der magischen Insel Sizilien.

 "Trauer und Licht" von Maike Albath

"Trauer und Licht" von Maike Albath

Foto: Berenberg Verlag

„Die Wirklichkeit ist in Sizilien immer ein Roman“, sagt die Verlegerin Elvira Sellerio am Ende von Maike Albaths Sizilien-Porträt „Trauer und Licht“. In der Tat hat die Insel viele namhafte Autoren hervorgebracht – darunter gleich zwei Nobelpreisträger: den in Agrigent geborenen Dramatiker Luigi Pirandello (1867-1936) und den in Modica geborenen Lyriker Salvatore Quasimodo (1901-1968). In ihrem dritten Italien-Buch – nach dem Porträt über den wegweisenden Turiner Einaudi-Verlag (2010) und einem Rom-Buch (2013) – begibt sich Albath abermals auf einen langen literarischen Streifzug. Dieses Mal über die Insel Sizilien und macht Station an den Schaffens- und Geburtsorten der von ihr porträtierten Schriftsteller – unter anderen der Mafia-Krimi-Autor Leonardo Sciascia (1921–1989) und der international bekannte Montalbano-Krimi-Schöpfer Andrea Camilleri (geb. 1921 in Porto Empedocle).

Ihr erster Weg führt sie, nachdem sie die Straße von Messina mit der Fähre passiert hat – denn bekanntermaßen ist ja trotz vielen investierten Millionen nichts aus der Brücke über die Meerenge geworden – in die sizilianische Hauptstadt Palermo, genauer gesagt ins Palazzo Lanza Tomasi. Dort residierte einst der Fürst und Schriftsteller Giuseppe Tomasi di Lampedusa (1896-1957), nachdem sein Elternhaus, der Palazzo Lampedusa, von amerikanischen Bomben zerstört worden war. Heute weilt dessen Cousin und Adoptivsohn Lanza Tomasi dort.

Der quirlige 84-Jährige wartet in den ehrwürdigen Hallen mit allerhand Geschichten aus der bewegten Familienhistorie der Tomasi-Sippe auf, die Albath gewissenhaft, herrlich scharfsinnig und eloquent zu kolportieren weiß. Da ist die Rede von den vielen Gift- und Dolchmorden in früheren Zeiten und natürlich auch von Lampedusas schöner Mutter Beatrice, die ihren Sohn mit weiblichen Vornamen liebkoste und mit ihrer modebewussten Freizügigkeit und sportlichen Ambitionen (sie fuhr Rad) die bigotte Restfamilie auf die Barrikaden trieb.

Obwohl die Familie zu Lebzeiten Lampedusas viele Güter verkaufen musste, genoss er dennoch zeitlebens den standesgemäßen Müßiggang süditalienischer Aristokraten mit vielen Sommerfrischen und schrägen Gesprächen mit seinen beiden verschrobenen und hochgebildeten Brüdern: Während Casimiro ausschließlich Gespenster-Bilder malte und Lucio sich mit W.B. Yeats über das Leben der Elfen in Irland austauschte und regelmäßig mit den Seelen verstorbener Hunde in Kontakt trat, reiste Lampedusa durch Europa, kurierte seine Depressionen mit allerhand Gaumenfreunden, die ihn laut der Mutter „reichlich fett“ gerieten ließen, und fand schließlich in London in der russischstämmige Psychoanalytikerin Licy die Frau fürs Leben.

Maike Albath kommentiert bissig Lampedusas lebhafte Sympathie für Puritaner, die „ausgerechnet ein Sizilianer hegt, der am liebsten Torten und Kuchen aß und nie einer geregelten Arbeit nachging“. Dass Lampedusa mit seinem Roman „Der Leopard“ keinen Verleger fand  und erst nach seinem Tod mit dem Buch zu einem bekannten Schriftsteller avancierte, ist eine der vielen Geschichten, die Albath meisterlich mit ihrem geschulten ethnographischen Blick für Land, Leute und Entwicklungen erzählt  – und Sizilien damit ein weiteres eindrucksvolles Denkmal setzt.

Maike Albath: Trauer und Licht.
Berenberg Verlag. 352 Seiten, 25 Euro.
Lesung: Heute, 19.30 Uhr, in der Buchhandlung St. Johann in Saarbrücken (Kronenstraße 6). Eine Veranstaltung der Heinrich-Böll-Stiftung Saar in Zusammenarbeit mit Ludwig Hofstätter.

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