Musikfestspiele Saar Saarlouiser Klangjuwelen

Saarlouis · Die Musikfestspiele Saar haben sich von ihrer besten, glanzvollsten Seite gezeigt: mit den Geigenstars Julia Fischer und Augustin Hadelich und der Academy of St Martin in the fields im Theater am Ring in Saarlouis.

Ab und an ist man ja doch froh (klammheimlich natürlich nur), dass auch die neuen Musikfestspiele Saar so sein können wie es die alten mal waren. Voller Glanz und Musikgloria halt. Mit exquisiten Ensembles und solistisch: con brio. „Vielleicht ist es der Höhepunkt“ des Festivals, annonciert Intendant Bernhard Leonardy, charmant tiefstapelnd, Freitagabend im Theater am Ring die Academy of St Martin in the fields samt der beiden Ausnahmegeiger Julia Fischer und Augustin Hadelich. Streichen wir flugs mal das „vielleicht“. Es ist ein Höhepunkt des Festivals; weitere mögen ja gerne folgen.

Dass das Saarlouiser Theater sich so gut gefüllt hat – kein Wunder. Die Londoner Academy ist sozusagen der FC Liverpool unter den Kammerorchestern, jedenfalls, wenn es um die unverbrüchliche Treue der Fans geht. Vor gut 60 Jahren fingen sie an, den Musikbetrieb der damals spätromantisch verkleisterten Großsinfoniker aufzumischen – mit prägnant federndem Barockklang. Auch die Wiener Klassik lüfteten sie bald gründlich durch. Nicht radikal genug zwar für Originalklang-Puristen, aber doch maximal erfolgreich, was Hunderte von Aufnahmen und Einsätze selbst als Filmorchester belegen.

Und heute? Heute spielen sie längst selbstverständlich auch Zeitgenössisches. Auf der derzeitigen Tournee etwa die „Kammer-Sinfonie“ des Moskauer Komponisten Andrey Rubtsov. Griffige Grundthemen, auch folkloristisches Parfum und ein markiger Puls à la Lutoslawski prägen das Werk für pures Streichorchester. Und diese eingängige Moderne ist bei der Academy und Julia Fischer als Primaria in besten Händen.

Wo aber die wahren Qualitäten der Academy zu finden sind, offenbart dann eher schon Dvoraks Serenade für Streichorchester in E-Dur (op. 22). Die Walzer-Unbeschwertheit just im zweiten Satz, aber auch das Scherzo – alles tönt wunderbar leicht, hält stets Tempo, bleibt in der Struktur transparent. Und selbst das Larghetto ertrinkt hernach nicht in romantischem Sentiment. Genauso jung, eben so vital möchte man diese Serenade bei einem Festival hören, das sich preist, von und für die „New generation“ gemacht zu sein.

Danach verblüfft allerdings, wie Bachs Konzert für zwei Violinen und Streicher (BWV 1043) in Saarlouis zu hören ist. Nicht, weil Julia Fischer und Augustin Hadelich einen so noblen, auch innigen und kantablen Ton wählen. Die beiden sind als Geigenpartner fürwahr ideal, angenehm uneitel spielen sie im echten Dialog. Nahezu gleichaltrig harmonieren die Münchner Geigenprofessorin, Jahrgang 1983, und der deutsch-amerikanische Solist, Jahrgang 1984, perfekt miteinander und dem Orchester, das Fischer nur mit dezentem Kopfnicken nachjustiert. Erstaunlich aber, dass die Academy ausgerechnet bei Bach ihren sonst oft so kristallinen Ton etwas mildert. Man gönnt sich wie die beiden Solisten etwas mehr Gefühl. Und das kommt an.

Mit der Grundform, dem Concerto Grosso, bleibt man dann zwar in der Zeit Johann Sebastian Bachs. Alfred Schnittke aber interpretierte es mit seinem Concerto Grosso Nr. 1 fürs 20. Jahrhundert. Tango zitierte er und Filmmusik, verneigte sich vor dem Concerto-Gross(o)meister Corelli mehr als nur ein bisschen parodierend, band aber alles formbewusst zusammen. Diese Ideenüberfülle und Verspieltheiten leuchtet die Aacdemy bravourös aus. Und Julia Fischer und Augustin Hadelich spielen sie mit Lust am Reichtum von Schnittkes Komposition, zugleich leidenschaftlich wie auch dramatisch bezwingend. Ein Höhepunkt? Der Höhepunkt. Bitte mehr davon!

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