Zukunft der großen Koalition im Bund SPD-Mitglieder sollen das Wort haben

Saarbrücken · Die Saar-Genossen haben Sympathien für eine Mitgliederbefragung. Aber worüber genau würde dann abgestimmt?

 Im vergangenen Jahr durften die SPD-Mitglieder über den Koalitionsvertrag mit der Union abstimmen.

Im vergangenen Jahr durften die SPD-Mitglieder über den Koalitionsvertrag mit der Union abstimmen.

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Christian Petry, der Generalsekretär der saarländischen SPD, hatte schon vor einem knappen Jahr eine Vorahnung. Die große Koalition im Bund, prophezeite er damals, werde nach der Europawahl vom 26. Mai 2019 in eine kritische Phase kommen, das könne zum Ende des Bündnisses führen.

Wenige Tage nach der Europawahl ist diese kritische Phase da. Parteichefin Andreas Nahles ist weg, und die Republik fragt sich, wie lange die Regierung wohl halten wird. In der saarländischen SPD gibt es jedenfalls kaum noch jemanden, der vorbehaltlos für die Fortsetzung bis 2021 wirbt. Das war Anfang 2018 anders: Nach der Bundestagswahl 2017 und dem Scheitern der Jamaika-Verhandlungen warb die Spitze der Saar-SPD vehement für die große Koalition.

Nun reden alle über einen Satz auf Seite 176 des Koalitionsvertrages, die „Revisionsklausel“. Sie besagt, dass CDU/CSU und SPD zur Mitte der Legislaturperiode eine Bestandsaufnahme machen und prüfen, ob der Vertrag noch weiter gelten soll. Die Klausel war als Zugeständnis an die Groko-Gegner in der SPD gedacht, inzwischen wird sie auch von (einstigen) Befürwortern des Bündnisses angeführt. Die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Landtagsfraktion, Petra Berg, sagte am Montag, zur Hälfte der Legislaturperiode – also im Herbst – müsse geprüft werden, ob die Koalition noch das Richtige für die SPD sei und die Koalition dem Wählerwillen entspreche.

Berg ist immer noch der Meinung, dass der Eintritt in die Bundesregierung Anfang 2018 richtig war, das sei damals eine sehr verantwortungsvolle Entscheidung gewesen. Aber die Abgeordnete, die nicht dem innerparteilich linken Lager der ewigen Groko-Kritiker angehört, spricht etwas resigniert auch von „ständig sinkenden Umfragewerten“ und sagt: „Wir haben nicht mehr den breiten Rückhalt in der Bevölkerung.“ Über den neuen Parteichef und den Fortbestand der großen Koalition sollten aus ihrer Sicht die Mitglieder entscheiden. Auf die Frage, ob sie sich dabei eine Mehrheit für die Koalition vorstellen kann, wenn die Umfragewerte so bleiben, sagte Berg: „Nein, das kann ich mir nicht vorstellen.“

Die Frage ist, worüber genau die Mitglieder abstimmen würden – über die Fortsetzung der großen Koalition: ja oder nein? Wohl kaum. Generalsekretär Christian Petry hält vielmehr folgendes Szenario für wahrscheinlich: CDU/CSU und SPD werden sich beide auf die Revisionsklausel berufen und einen neuen Vertrag aushandeln wollen. Er halte es für wahrscheinlicher, dass sich beide Seiten einig werden, als dass sie sich nicht einig werden, sagt Petry. Dann werde man nicht hinter den Modus von 2018 zurückfallen – damals ließ die SPD die Mitglieder über den Koalitionsvertrag abstimmen.

Aber würde es für einen neuen Koalitionsvertrag eine Mehrheit bei einer SPD-Basisbefragung geben? „Wenn Sie heute abstimmen lassen, dann würde ich sagen: nein“, sagt Petry. Aber die Abstimmung wäre dann ja erst Ende 2019, Anfang 2020. Bis dahin sei Zeit. „Dann ist es offen.“

Die CDU im Saarland gibt sich derweil staatstragend, will die Koalition angeblich bis 2021 fortsetzen. Allerdings nicht um jeden Preis. „An die SPD können wir nur appellieren, dass sie schnellstmöglich ihre Personalfragen klärt, so dass wir in der Koalition gut weiterarbeiten können“, sagte CDU-Fraktionschef Alex Funk. Allerdings warnte Funk die Genossen davor, Hürden für die Fortsetzung der gemeinsamen Regierungsarbeit aufzubauen, etwa die Einführung einer Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung, die bisher nicht im Koalitionsvertrag steht. „Von unserer Seite ist das eine rote Linie“, sagte Funk. „Wir werden an dieser Stelle hart bleiben.“

Der Linken-Abgeordnete Jochen Flackus sieht das Problem in einem falschen Kurs der SPD. „Der Tausch des Personals wird das Problem nicht lösen“, sagte er. Die Schere zwischen Arm und Reich sei mit dem Amtsantritt von SPD-Kanzler Gerhard Schröder aufgegangen. Es sei an der Zeit, einen anderen Weg einzuschlagen. „Man kann der SPD nur raten, sich die Zahlen und Fakten anzuschauen und einen Blick auf die reale Lebenssituation vieler Beschäftigter zu werfen“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Linken. Flackus räumte ein, dass seine Partei ebenfalls Probleme habe, weil viele Wähler sie für eine etablierte Partei hielten, die ihre Interessen nicht mehr richtig vertrete. Dass es nun Neuwahlen geben wird, glaubt Flackus allerdings nicht.

AfD-Fraktionschef Josef Dörr sieht die SPD in einem Dilemma. Komme es zu Neuwahlen, werde sie sehr schlecht abschneiden. Warte sie bis zum Ende der Legislaturperiode, dann schneide sie unter Umständen noch schlechter ab. „Wir sind für Neuwahlen“, sagte Dörr. Seine Einschätzung sei aber, dass die Abgeordneten von CDU/CSU und SPD an ihren Sesseln klebten.

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