Oberlandesgericht Zweibrücken erwartet Prozesse infolge Ukraine-Krieg OLG: Corona war für Gerichte Bremse und Gaspedal zugleich

Zweibrücken · Der Präsident des Oberlandesgerichts Zweibrücken Bernhard Thurn hat die Tätigkeit seiner Behörde und der pfälzischen Gerichte in den vergangenen zwei Jahren bilanziert. Infolge des Ukraine-Kriegs befürchtet er eine Prozesslawine.

 Das höchste pfälzische Gericht, das OLG, ist (zusammen mit der Generalstaantsanwaltschaft) im nach dem Zweiten Weltkrieg wiederaufgebauten Zweibrücker Herzogsschloss untergebracht. Doch das Gebäude atmet nicht nur Geschichte – hier wird auch immer mehr moderne Technik genutzt.

Das höchste pfälzische Gericht, das OLG, ist (zusammen mit der Generalstaantsanwaltschaft) im nach dem Zweiten Weltkrieg wiederaufgebauten Zweibrücker Herzogsschloss untergebracht. Doch das Gebäude atmet nicht nur Geschichte – hier wird auch immer mehr moderne Technik genutzt.

Foto: Rainer Ulm

„Corona hat unsere Tätigkeit stark beeinflusst“, sagt der Präsident des Pfälzischen Oberlandesgerichts Bernhard Thurn am Mittwoch gleich zu Beginn des Jahrespressegesprächs, zu dem er in den OLG-Sitz, das Zweibrücker Schloss, eingeladen hatte.

Ein Indiz dafür, dass die noch immer nicht vollständig überwundene Pandemie auch in den Justizbehörden seines Gerichtsbezirks, zu dem vier Landgerichtsbezirke, darunter der Zweibrücker, und 15 Amtsgerichte, darunter die in Zweibrücken und Pirmasens, gehören, eine Herausforderung war. Besonders zu Beginn.

Damals habe man überlegt: „Was machen wir denn, wenn wir die Gerichte schließen müssen? Und wie gewährleisten wir weiterhin den von der Verfassung vorgeschriebenen Öffentlichkeitsgrundsatz, wenn wir niemand (am Verfahren direkt unbeteiligte Bürger, Anm. d. Red.) mehr reinlassen dürfen?“

Schließlich sei es aber nicht ganz so schlimm, aber doch „zu Verzögerungen in dem einen oder anderen Verfahren“ gekommen, resümiert der OLG-Präsident. Im März 2020 habe seine Behörde die Amts- und Landgerichte der Pfalz lediglich gebeten, den Sitzungsbetrieb auf das zwingend erforderliche Maß zu beschränken und alle anderen Verhandlungstermine abzusagen. „Es ging darum, die Gesundheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu schützen, Infektionen zu vermeiden und trotzdem die wichtigsten Funktionen aufrecht zu erhalten.“ Das OLG habe bis dieses Frühjahr nicht ohne Mund- und Nasenmaske betreten werden dürfen, berichtet Thurn. Und bis heute habe man „kein Zutrittsrecht, wenn man zur häuslichen Absonderung verpflichtet ist oder Krankheitssymptome aufweist“.

 Bernhard Thurn, Präsident des Pfälzischen Oberlandesgerichts, bei der Pressekonferenz am Mittwoch.

Bernhard Thurn, Präsident des Pfälzischen Oberlandesgerichts, bei der Pressekonferenz am Mittwoch.

Foto: Rainer Ulm

Aktuell unterstehen der Dienstaufsicht des Präsidenten des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken Thurn, der seit August 2016, im Amt ist, 293 Richterinnen und Richter, 711 Beamtinnen und Beamte, 329 Justizbeschäftigte, 73 Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher und 54 Bewährungshelferinnen und Bewährungshelfer.

Auf Nachfrage unserer Zeitung wünscht sich der OLG-Präsident eine Neuauflage der jüngst ausgelaufenen gesetzlichen Regelung, nach der Verfahren länger als die in der Strafprozessordnung vorgeschriebenen drei beziehungsweise vier Wochen ausgesetzt werden dürfen. Denn, so argumentiert Thurn am Mittwoch, die Pandemie sei längst nicht vorbei, und es komme immer mal wieder vor, dass Prozesse „platzen“, weil Verfahrensbeteiligte an dem Covid-19-Virus erkrankten und deshalb die Frist nicht eingehalten werden könne. „Corona-Fragen werden uns weiter beschäftigen, wenngleich auch nicht mehr in so intensiver Form“, wagt der OLG-Präsident eine Vorausschau.

Gleichwohl habe Corona auch „einen positiven Nebeneffekt“ gehabt, habe „vieles beschleunigt“. So sei man bei der Digitalisierung und insbesondere bei der Einführung der elektronischen Akte schneller vorangekommen, weil es gerade während der Pandemie „beim mobilen Arbeiten von zu Hause aus Erleichterungen bringt“, befindet Thurn. Stichwort Homeoffice: Vielfach seien die Rechtsstreitigkeiten per Bild- und Tonübertragung verhandelt worden, um die Kontakte der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu reduzieren.

Allein im Jahr 2021 habe es an den Pfalz-Gerichten etwa 650 Videokonferenz-Verhandlungen gegeben, vor allem im Bereich Zivilsachen, rechnet der OLG-Präsident vor.

In zivilen Verfahren habe sich der „Geschäftsanfall“ seit 2018 fast verdoppelt. Das sei allerdings nicht nur Corona-, sondern vor allen den sogenannten „Diesel-Verfahren“ geschuldet, erläutert der OLG-Präsident. Dabei geht es um Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit dem Abgasskandal, der im Jahr 2015 publik wurde und unzählige Schadenersatzforderungen nach sich zog.

Eine ähnliche Prozesslawine sieht Thurn im Zusammenhang mit den im Zuge des Ukraine-Krieges steigenden Energiekosten auf die Gerichte zurollen. „Wer beispielsweise seine Mietnebenkostenrechnung nicht mehr bezahlen kann und deshalb gekündigt wird“, werde wohl dagegen klagen, vermutet er. Die obersten Gerichte müssten dann klären, ob in solchen Fällen überhaupt eine Kündigung des Mietverhältnisses ausgesprochen werden dürfe, sagt Thurn. Und das beträfe nicht nur Wohnraum-, sondern auch Gewerbemietverhältnisse.

Zum Schluss des Gesprächs stellt der OLG-Präsident für das kommende Jahr ein Bürgerfest im Schloss in Aussicht, das zwar bereits 2020 über die Bühne gehen sollte, laut Thurn jedoch ebenfalls „Corona zum Opfer gefallen“ war.

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