Abhängigkeit von Alkohol, Drogen, Zocken und Pornos Corona treibt mehr Menschen in Sucht

Zweibrücken · Die Pandemie setzt gerade psychisch instabilen Menschen in Zweibrücken verstärkt zu. Die Helfer der Diakonie in der Wallstraße berichten von mehr Bürgern, die sich in Zockerei, Alkohol, Drogen, oder Pornokonsum flüchten.

 Unterschiedliche Arten von Sucht, der in der Pandemie mehr Menschen in Zweibrücken erliegen: Glücksspiel, Alkohol, Drogen und Online-Zockerei.

Unterschiedliche Arten von Sucht, der in der Pandemie mehr Menschen in Zweibrücken erliegen: Glücksspiel, Alkohol, Drogen und Online-Zockerei.

Foto: dpa/Marijan Murat

Wann ist ein Verhalten normal? Und wann kippt es – und es wird eine Sucht daraus? Es ist oft ein schmaler Grat zwischen „normal“ und „abhängig“.

Die Fachstelle Sucht der Diakonie in Zweibrücken kennt die unterschiedlichen Ausprägungen von Abhängigkeit. Die kann körperlich sein oder geistig. Meist ist sie es sowohl als auch. Übermäßiger Alkoholkonsum, der Griff zu Drogen, Zockerei am Automaten in der Spielhalle oder Zuhause am Bildschirm – mit all diesen Facetten hat die Fachstelle Sucht der Diakonie in der Wallstraße zu tun. Es ist ein Trio, das dort den Betroffenen hilft: die Diplom-Psychologin Eleonore Weber-Krauss sowie Rebecca Rauch und Martina Dahl-Lauer, beide Sozialarbeiterinnen und Sozialpädagoginnen (Bachelor). Wobei Dahl-Lauers Schwerpunkt die Betreuung von Menschen ist, die gerade aus der Haft entlassen wurden, sie hilft diesen, eine Unterkunft zu finden und ein stabiles Umfeld, damit sie im Idealfall erst gar nicht mit Süchten konfrontiert werden.

Die drei Beraterinnen sind sich einig: Die Zeiten sind hart geworden. Die Diakonie in Zweibrücken hatte stets mit einer nicht unerheblichen Zahl von Menschen in Sucht zu tun. „Aber Corona hat alles noch einmal verschärft“, sagt Weber-Krauss.

Die Diplom-Psychologin, die seit diesem Sommer die Aufgaben betreut, die zuvor der im vergangenen Jahr verstorbene Suchtberater Paul Schmidt inne hatte, sagt, sie habe aktuell rund 200 Betroffene unter ihre Fittichen.

Alkohol- und Drogenmissbrauch seien oft ein Thema, teilweise auch in Kombination. „Zwei Drittel der Betroffenen sind Männer, ein Drittel Frauen“, sagt Weber-Krauss. Es gehe durch alle Altersschichten, die Jüngste sei 17, der älteste Mitte 80.

„Sucht kann jeden Treffen. In jedem Alter. In jeder sozialen Schicht“, sagt die Psychologin. Einmal pro Woche bietet sie ihre Beratungsstunde in den Räumen in der Wallstraße 46 an. Dann geht es auch um die Frage, ob die Abhängigen sich einer Entgiftung unterziehen sollten; diese nimmt etwa das Nardini-Klinikum in Zweibrücken vor. Nach der Entgiftung geht es um die Therapie, beispielsweise in der darauf spezialisierten Einrichtung in Münchwies.

Im Anschluss folgen dann Nachsorgetermine. „Es besteht die Gefahr, rückfällig zu werden“, sagt Weber-Krauss. Sie ist froh, „dass viele es schaffen, über einen längeren Zeitraum trocken zu bleiben“.

Alkohol, Drogen und Medikamte, das sind harte Stoffe, die schnell abhängig machen. Es gibt aber auch andere Süchte. Die sich womöglich schleichender entwickeln. Aber genauso verheerend sein können. Davon weiß Rebecca Rauch zu berichten. Sie hat nicht nur eine beratende Funktion, sondern kümmert sich auch um Prävention und geht in Schulklassen.

„Beim Glücksspiel geht es fast immer um hohe Schulden. Sehr hohe Schulden. Wir haben Fälle, da kommt bei dem Süchtigen alles unter den Hammer. Sogar das Spielzeug für die Kinder.“ In einem besonders dramatischen Fall habe ein Mann 250 000 Euro an Automaten verzockt, die Frau habe helfen wollen und fast 70 000 Euro verloren. Sogar die Schwiegereltern wurden in die finanzielle Katastrophe hineingezogen.

Es sind Dramen, über die das Trio berichten kann. Corona sorge dafür, dass auch immer mehr junge Menschen in einen gefährlichen Strudel geraten. „Die Jungen zocken nächtelang im Internet. Und die Mädchen sind exzessiv in Social Media unterwegs und gieren nach Anerkennung und ,Gefällt mir’-Klicks“, berichtet Rauch. Vielen Jugendlichen sei gar nicht bewusst, dass sie bereits in die Sucht abgeglitten seien. Ihr soziales Leben verkümmere auf der Suche nach Anerkennung im anonymen Netz.

Auch sei Online-Pornosucht in der Pandemie ein größeres Thema geworden. Für die betroffenen Jugendlichen ein mit Scham besetztes Thema, verdeutlicht Rauch.

Aber selbst zu erkennen, dass man ein Problem hat, das Körper und Geist bedroht, das in die finanzielle und soziale Armut führt – diese Erkenntnis ist der erste Schritt.

 14.07.2021, Brandenburg, Potsdam: Ein Mann trinkt am Abend aus einer kleinen Flasche Schnaps. In Brandenburg machen sich nach Angaben der Landesstelle für Suchtfragen die Auswirkungen der Corona-Pandemie durch einen spürbaren Zuwachs an Beratungen in Suchtberatungsstellen des Landes bemerkbar. (zu dpa «Mehr Nachfrage nach Suchtberatungen in Brandenburg» vom 15.07.2021) Foto: Soeren Stache/dpa-Zentralbild/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

14.07.2021, Brandenburg, Potsdam: Ein Mann trinkt am Abend aus einer kleinen Flasche Schnaps. In Brandenburg machen sich nach Angaben der Landesstelle für Suchtfragen die Auswirkungen der Corona-Pandemie durch einen spürbaren Zuwachs an Beratungen in Suchtberatungsstellen des Landes bemerkbar. (zu dpa «Mehr Nachfrage nach Suchtberatungen in Brandenburg» vom 15.07.2021) Foto: Soeren Stache/dpa-Zentralbild/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Foto: dpa/Soeren Stache
 ARCHIV - ILLUSTRATION - 14.04.2012, Niederlande, Maastricht: Ein Mann raucht am 18.04.2012 im Coffee Shop «Easy Going» einen Joint. (zu dpa «Gegen Stress 'ne Tüte? Kiffende Promis und psychotische Jugendliche» vom 18.02.2018) Foto: Oliver Berg/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

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Foto: dpa/Oliver Berg
 Das Berater-Trio der Diakonie in Zweibrücken: Eleonore Weber-Krauss, Rebecca Rauch und Martina Dahl-Lauer. Die drei helfen Betroffenen, die an einer Sucht leiden beziehungsweise betreuen Häftlinge, die gerade in die Freiheit entlassen wurden.

Das Berater-Trio der Diakonie in Zweibrücken: Eleonore Weber-Krauss, Rebecca Rauch und Martina Dahl-Lauer. Die drei helfen Betroffenen, die an einer Sucht leiden beziehungsweise betreuen Häftlinge, die gerade in die Freiheit entlassen wurden.

Foto: Mathias Schneck
 ARCHIV - 23.06.2021, Bremen: ILLUSTRATION - Auf einem Smartphone spielt ein Mann ein Online-Spiel. Mit dem neuen Glücksspielstaatsvertrag der am 1. Juli 2021 in Kraft tritt, werden bisher verbotene virtuelle Automatenspiele im Internet sowie Online-Casinos mit Poker oder Roulette erlaubt. Foto: Sina Schuldt/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

ARCHIV - 23.06.2021, Bremen: ILLUSTRATION - Auf einem Smartphone spielt ein Mann ein Online-Spiel. Mit dem neuen Glücksspielstaatsvertrag der am 1. Juli 2021 in Kraft tritt, werden bisher verbotene virtuelle Automatenspiele im Internet sowie Online-Casinos mit Poker oder Roulette erlaubt. Foto: Sina Schuldt/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Foto: dpa/Sina Schuldt

Die Diakonie in der Wallstraße 46 in Zweibrücken ist unter Tel. (0 63 32) 1 23 18 zu erreichen. Dort können Beratungsgespräche vereinbart worden. Auch die Stadt Zweibrücken bietet Suchtberatung an, die Einrichtung „Wendepunkt“ ist unter Tel. (0 63 32) 871-564 oder 871-565.

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