Oberverwaltungsgericht hebt Erstinzanz-Urteil auf: Zeitung hat doch Auskunftsanspruch Südwestpfalz darf Corona-Fallzahlen in Orten nicht verschweigen

Koblenz/Südwestpfalz · Corona-Infektionszahlen zu Ortsgemeinden müssen doch an die Presse herausgegeben werden. Das hat das OVG Rheinland-Pfalz entschieden.

 Der Landkreis Südwestpfalz darf der Presse nicht die Auskunft verweigern, wie viele Coronatests (Symbolbild) in welchen Ortsgemeinden positiv waren. Mit dieser Entscheidung hat das OVG Koblenz einen anderslautenden Beschluss des Verwaltungsgerichts Neustadt aufgehoben.

Der Landkreis Südwestpfalz darf der Presse nicht die Auskunft verweigern, wie viele Coronatests (Symbolbild) in welchen Ortsgemeinden positiv waren. Mit dieser Entscheidung hat das OVG Koblenz einen anderslautenden Beschluss des Verwaltungsgerichts Neustadt aufgehoben.

Foto: dpa/Britta Pedersen

In Rheinland-Pfalz müssen die Behörden Auskünfte zu SARS-CoV2-Infektionszahlen an die Presse grundsätzlich auch dann erteilen, wenn diese heruntergebrochen auf die Ebene der Ortsgemeinden begehrt werden. Dies hat das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in Koblenz (OVG) in einem Eilrechtsschutzverfahren entschieden.

Geklagt hatte die Pirmasenser Zeitung gegen den Landkreis Südwestpfalz – und war in der Vorinstanz zunächst gescheitert. Die PZ hatte mit einem Eilantrag beim Verwaltungsgericht Neustadt vom Landkreis Südwestpfalz Informationen sowohl über die seit Beginn der Pandemie insgesamt verzeichneten Infektionszahlen als auch über die Zahl der aktiven SARS-CoV2-Fälle begeht, jeweils aufgeschlüsselt nach den einzelnen Ortsgemeinden des Landkreises. Das Verwaltungsgericht lehnte den Eilantrag am 29. Oktober ab (wir berichteten). Auf die Beschwerde der Pirmasenser Zeitung hob das Oberverwaltungsgericht die Entscheidung des Verwaltungsgerichts jetzt auf und gab dem Eilantrag statt.

Die Pressemitteilung des OVG vom Mittwoch lässt erkennen, für wie eindeutig die Richter den Auskunftsanspruch der Presse halten. „Mit der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes angeordneten Verpflichtung des Landkreises werde zwar die Hauptsache vorweggenommen. Die einstweilige Anordnung könne vorliegend aber ergehen, da eine hohe Wahrscheinlichkeit für das Bestehen eines Anspruchs der Antragstellerin bestehe. Sie könne sich für ihr Begehren auf den einfachrechtlich in § 12a Abs. 1 des Landesmediengesetzes normierten Auskunftsanspruch stützen“, heißt es in der Pressemitteilung. „Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts würden durch die Übermittlung der angefragten Zahlen keine schutzwürdigen privaten Interessen verletzt, insbesondere liege hierin kein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung infizierter Personen“, wird die Begründung der OVG-Entscheidung zusammengefasst.

„Ungeeignet“ sei bereits der auch vom Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Rheinland-Pfalz in einer erstinstanzlich vorgelegten Stellungnahme gewählte Anknüpfungspunkt der „Ortsgemeinde“ als maßgebliches Kriterium für die Ablehnung von Auskunftsbegehren. Das OVG erläutert hierzu: Ortsgemeinden wiesen bei der Einwohnerzahl zwar große Unterschiede auf. Teilweise erreichten Ortsgemeinden in Rheinland-Pfalz die Größe von Verbandsgemeinden, für die Infektionszahlen zur Verfügung gestellt würden. Aber auch bei sehr kleinen Ortsgemeinden begründeten die abgefragten Informationen für sich genommen „keine hinreichende Wahrscheinlichkeit für eine Personenidentifizierbarkeit“. Dass es in einer Ortsgemeinde (aktive) SARS-CoV2-Infektionen gebe, lasse ohne Zusatzwissen keinen Rückschluss auf die konkret betroffene(n) Person(en) zu. „Bei lebensnaher Betrachtung müsse gerade in kleinen Ortsgemeinden vielmehr davon ausgegangen werden, dass eine Identifizierbarkeit konkreter Personen allein anhand von vor Ort erfolgter und wahrnehmbarer Maßnahmen wie Quarantäne-Aanordnungen oder Schul- und Kita-Schließungen erfolge. Einer amtlichen Mitteilung über die Zahl der aktiven oder zurückliegenden Corona-Fälle bedürfe es für diese Erkenntnis und die Herstellung eines Personenbezugs hingegen nicht“, erläutert die Pressemitteilung die OVG-Entscheidungsgründe weiter (Aktenzeichen: 2 B 11397/20.OVG).

Das Verwaltungsgericht hatte in seiner nun durch das OVG-Urteil aufgehobenen Entscheidung auch argumentiert, gebietsbezogene Informationen zu den Corona-Fallzahlen stießen zwar auf ein sehr hohes öffentliches Interesse – doch es sei bei Ortsgemeinden mit nur 200 oder gar 100 Einwohnern wahrscheinlich, dass infizierte Personen  insbesondere über den Austausch in sozialen Netzwerken identifiziert würden. Die PZ dagegen hatte argumentiert: Es gehe nicht darum, einzelne Bürger zu ermitteln und bloßzustellen; Ziel sei vielmehr, dass alle interessierten Bürger auf alle wesentlichen Informationen zurückgreifen können, die sie für verantwortungsvolles Verhalten benötigten. Dies diene letzten Endes dem Schutze aller (wir berichteten).

Die Kreisverwaltung schlüsselte die Fallzahlen bislang nur nach Verbandsgemeinden auf. Wegen des gemeinsamen regionalen Gesundheitsamtes bei der Kreisverwaltung Südwestpfalz hat diese auch die Corona-Pressearbeit für die Stadt Zweibrücken mit übernommen.

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