Rheinland-Pfalz Popcorn trotz Schließung — Kinos suchen neue Kundenbindung

Koblenz/Nastätten · Das unsichtbare Coronavirus verhindert derzeit Filme auf der Leinwand. Einige Kinos bieten trotzdem ihr Popcorn an. Nicht ohne Hintergedanken.

 Wenn der Popcorn-Bote zweimal klingelt: Adrian liefert die süße Knabberware aus dem Kino zu Kunden nach Hause. Das Ziel lautet: Kundenbindung.

Wenn der Popcorn-Bote zweimal klingelt: Adrian liefert die süße Knabberware aus dem Kino zu Kunden nach Hause. Das Ziel lautet: Kundenbindung.

Foto: dpa/Thomas Frey

(dpa) Das frische Popcorn kommt per E-Bike. Yannic Koch liefert es in abendlicher Dunkelheit in Koblenz aus. Direkt vom Odeon-Apollo-Kinocenter. Eine der Kundinnen, Miriam, öffnet ihre Tür und ist begeistert: „Man hat so‘n bisschen Kino-Feeling zu Hause.“ Auf der Couch einen Film im Fernsehen oder digital gucken und sich im Teil-Lockdown mit Popcorn und Nachos trösten – diese Möglichkeit bieten einige rheinland-pfälzische Kinos. Es ist ein Notangebot – Lichtspielhäuser müssen wegen des Coronavirus geschlossen bleiben. Odeon-Apollo-Chef Christian Klein sagt: „Das große Geld kann man damit wirklich nicht verdienen.“ Ziel sei aber, „als Kino in den Köpfen der Leute zu bleiben“.

Popcorn vom nahen Kino genießen und dabei die Konkurrenz gucken, beispielsweise Serien bei Streaming-Anbietern wie etwa Netflix - ein Widerspruch? Ralf Holl winkt ab. Der Vorstandschef der Genossenschaft Kinomarkt Deutschland, einem Zusammenschluss mittelständischer Kinobetreiber, erklärt: „Die Gruppen der Kinobesucher und Netflix-Kunden überschneiden sich.“ Lichtspielhäuser müssten heute Streaming-Dienste akzeptieren. Popcorn könne helfen, auch Streaming-Fans nach der Wiederöffnung der Kinos wieder vor die große Leinwand zu locken. Sie bleibe ein besonderes Gemeinschaftserlebnis, betont Holl, der in Nastätten im Rhein-Lahn-Kreis ein Kino betreibt.

Gut 200 Eimer Popcorn verkauft das Bali Kino im rheinhessischen Alzey nach eigenen Angaben an einem Wochenende. „Ich bin befreundet mit dem Pächter von einer Tankstelle. Der musste wegen Corona seinen Bockwurstverkauf absperren, da stellen wir jetzt unser Popcorn hin“, sagt Kinobesitzer Claus Hadenfeldt. Das signalisiere: „Wir sind nicht tot, hurra, wir leben noch als Kino.“ Das Popcorn werde selbst hergestellt und schmecke besser als die Ware von Discountern.

Holl wollte in seinem Kino in Nastätten mit dem Verkauf von Nachos und Popcorn mit „normalen klassischen Preisen“ und zum Beispiel einem Schokoriegel als kostenlose Zugabe beginnen. Die Zwölfte Corona-Bekämpfungsverordnung Rheinland-Pfalz erlaube das, erklärt er unter Berufung auf das örtliche Ordnungsamt. „Nur der Verzehr vor Ort ist nicht gestattet.“ Sein Kinofoyer sei groß genug für den Corona-Mindestabstand beim Verkauf. Ausliefern lohne sich im Kleinstädtchen Nastätten mit ländlicher Umgebung finanziell nicht - die Kinokunden seien hier ohnehin mobil.

Beim Odeon-Apollo-Kinocenter in der Großstadt Koblenz leuchtet dagegen abends auf der Anzeigetafel in blauen Buchstaben: „Popcorn für zu Hause? Gibt‘s per Lieferdienst oder zum Selbstabholen.“ Die Kunden können kontaktlos online bestellen und bezahlen. Popcorn-Auslieferer Koch sagt, dieser Service am Wochenende sei auch schön für die Mitarbeiter, weil sie wieder etwas arbeiten könnten „und nicht die ganze Zeit zu Hause sitzen müssen“. Die Lieferung von Popcorn nach Hause kostet zwei Euro extra, ab 20 Euro Warenwert ist sie kostenlos. Die Boten legen die Bestellung vor die Haustür und klingeln. Auf der Internetseite des Kinos heißt es: „Bitte seht davon ab, uns Trinkgeld zu geben, denn nur so können wir eine kontaktlose Übergabe gewährleisten.“

Eine junge Kundin, Betty, kommt mit Maske selbst beim Kino vorbei: „Ja, manchmal hat man einfach mal richtig Lust auf so richtiges Popcorn.“ Dass das geschlossene Odeon-Kino wenige Stunden pro Woche den Mais-Snack und Nachos an seiner Theke verkaufe, sei „eine supertolle Sache“.

Und wie geht es weiter? Bislang ist der bundesweite Teil-Lockdown bis Ende November befristet. An Kinoöffnungen im Dezember glaubt Holl angesichts der hohen Corona-Infektionszahlen nicht so recht.

Auch Lichtspielhäuser bekommen Corona-Hilfen. Trotzdem ist es laut Holl fraglich, „wie lange Kinos die Schließung noch durchhalten können“. Es fehle die Planbarkeit. Filmverleiher brauchten eine Vorlaufzeit für neue Streifen. Bei einer späteren Kinoöffnung könnten aktuelle Filme daher erst fehlen. Zudem sei es schwierig, die junge Netflix-Spotify-Generation überhaupt noch mit Informationen über neue Kinoschlager zu erreichen.

(dpa)
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