100 Jahre SG Rieschweiler Erfolge, Schicksalsschläge und ein Weltmeister

Rieschweiler · Die SG Rieschweiler wird 2021 stolze 100 Jahre alt. Der Fußballclub hofft trotz Corona auf die Möglichkeit, im Sommer groß feiern und gemeinsam auf die guten wie auch schwierigen Momente zurückblicken zu können.

 Das älteste vorhandene Teamfoto der SG Rieschweiler aus dem Jahr 1925.

Das älteste vorhandene Teamfoto der SG Rieschweiler aus dem Jahr 1925.

Foto: Archiv SGR

Es gibt ganz sicher leichtere Zeiten, um ein großes Jubiläum zu planen und zu feiern als gerade jetzt. Trotz Corona, trotz aller Unwägbarkeiten will die SG Rieschweiler dieses Jahr, das ihres 100. Geburtstags, aber keinesfalls einfach so an sich vorüberziehen lassen. Wenn erste Veranstaltungen aufgrund der Pandemie-Entwicklung auch bereits gecancelt wurden, dauern die Planungen – etwa für ein großes Fest im Sommer – an.

„Es ist definitiv schwierig, aber wir hoffen, dass wir das gemeinsam erleben können“, sagt Steffen Sprau begleitet von einem Seufzer. Eigentlich waren schon Anfang des Jahres Events geplant, die unter dem Motto 100 Jahre hätten laufen sollen. „Doch das alles kann jetzt nicht stattfinden“, bedauert der Vorsitzende für Veranstaltungen, Spieler und Co-Trainer des Fußball-Clubs etwa den Ausfall der traditionellen Après-Ski-Party oder des Frauenfrühstücks. Über das gesamte Jahr hinweg wollte der Verein einzelne Veranstaltungen und Aktionen – wie eine Fotoausstellung – einstreuen. „Doch vieles läuft derzeit anders.“

Dennoch begleitet der runde Geburtstag Sprau und seine Vorstandskollegen seit Monaten. Ein Projekt ist immerhin bereits abgeschlossen: das Jubiläumstrikot. Das ein besonderes ist. „Jeder hatte die Möglichkeit, sich darauf mit seinem Namen verewigen zu lassen“, erklärt Sprau. Gegen einen gestaffelten Sponsoringbetrag konnten Fans, Mitglieder, Nichtmitglieder, Unterstützer, Sponsoren ihren Namen in den Stoff einarbeiten lassen und damit „die Verbundenheit zum Verein zeigen“. Insgesamt 53 von ihnen haben sich ein Trikot samt Verewigung bestellt. „Wir hatten schon mit mehr gerechnet“, gesteht de 32-Jährige, der gemeinsam mit Vorstandskollege Daniel Preuß die Idee dazu hatte. „Manche haben sich vom Preis abschrecken lassen. Aber es geht ja vor allem darum, sich für immer auf dem Trikot zu verewigen und ein Sponsoring daraus zu machen. Dennoch bin ich mit den 53 zufrieden“, betont Sprau, dem das Trikot „richtig gut“ gefalle. „Es sind verschiedene Einflüsse der SGR darauf zu finden“. In dem speziellen Dress, der je nach Pandemielage im März oder April vorgestellt werden soll, werden die beiden Aktiventeams künftig auch auflaufen.

  1973 wurden die Rieschweiler Fußballer unter Trainer Emil Weber (hinten 2. von rechts) Bezirkspokalmeister. Alle abgebildeten Spieler entstammten der eigenen SGR-Jugend.

1973 wurden die Rieschweiler Fußballer unter Trainer Emil Weber (hinten 2. von rechts) Bezirkspokalmeister. Alle abgebildeten Spieler entstammten der eigenen SGR-Jugend.

Foto: Verein/SGR

Und im Sommer soll dann ein großes Fest steigen. Wenn es zum jetzigen Zeitpunkt, wo Planungen vornehmlich ohne persönlichen Kontakt über WhatsApp oder per Videokonferenzen laufen, auch schwer vorstellbar sei: „Im Juli wollen wir das Jubiläum über drei Tage feiern.“ Mit einem Festabend und Ehrungen, es soll Live-Musik geben, sonntags wahrscheinlich einen Gottesdienst, Blasmusik und Frühschoppen. „Es wäre wirklich schön, bis dahin wieder zusammenkommen zu können“, betont der Vorsitzende, dass das Gesellschaftliche gerade „einfach fehlt“.

„Bei uns Fußballern ist es oft so, dass du deine ganzen Freunde um dich herum hast auf dem Platz. Von jetzt auf gleich konntest du sie nicht mehr sehen. Bist nur noch per Telefon in Kontakt“, beschreibt Sprau, der 24 seiner 28 Fußballerjahre bei der SG Rieschweiler verbracht hat, die derzeitige Gemütslage. Für ihn ist der Club von der Dicken Eiche mehr als nur ein Treffpunkt zum Fußballspielen. „Die SGR ist wie eine Familie“, erklärt er. Wenn man in einer Klasse wie der Verbandsliga spielt, sei es häufig so, dass die Jungs nur für den Fußball kommen und gleich danach wieder gehen. „Wir waren in den vergangenen Jahren immer eine geschlossene Einheit – auf und neben dem Platz“, glaubt Sprau, dass die Rieschweiler auch deshalb über diesen langen Zeitraum von nun neun Jahren Bestand in der höchsten Liga auf Verbandsebene haben. „Das macht dann auch mal die nötigen fünf Prozent aus, die du brauchst, um ein Spiel zu gewinnen.“ Zu wissen, dass du dich auf deinen Nebenmann verlassen kannst, dass die ganze Mannschaft für dich da ist. „Und das zieht sich über den ganzen Verein“, umschreibt Sprau, was die SGR auszeichnet. „Wenn man wie ich hier die Jugend durchlaufen, bis hoch zu den Aktiven alles mitbekommen hat, ist ganz klar: Die SGR ist mein Herzensverein.“

 Die SGR-Verantwortlichen Rolf Weis (Präsident), Sascha Steffan, Arno Hauck, Pascal Frank (Vorsitzender Bau), Steffen Sprau (Vorsitzender Veranstaltungen), Daniel Preuß (Vorsitzender Spielbetrieb) und Tobias Weis (Vorsitzender Finanzen) präsentieren 2018 den Namen ihres neuen Kunstrasenplatzes.

Die SGR-Verantwortlichen Rolf Weis (Präsident), Sascha Steffan, Arno Hauck, Pascal Frank (Vorsitzender Bau), Steffen Sprau (Vorsitzender Veranstaltungen), Daniel Preuß (Vorsitzender Spielbetrieb) und Tobias Weis (Vorsitzender Finanzen) präsentieren 2018 den Namen ihres neuen Kunstrasenplatzes.

Foto: Florian Schwarz

Auch deshalb sei Sprau 2018 den Schritt in die Clubführung gegangen. Nachdem er noch kurz vor dem Unfalltod von SGR-Spieler und Vorstandsmitglied Christoph Weis im Januar 2018 mit diesem über die mögliche Übernahme eines Amts gesprochen habe, „war es gar keine Frage, dass ich das machen werde“, erklärt Sprau, der sich mit der Philosophie des Vereins identifizieren kann. „Wir versuchen mit unseren Mitteln so hoch und erfolgreich zu spielen, wie es nur geht – und dabei den familiären Charakter nicht zu verlieren.“

 Mit Punkterekord ist die Erste der SGR in der Saison 2011/12 Meister in der Landesliga West geworden. Seit diesem Aufstieg spielt das Team durchgehend in der Verbandsliga. Ausgerechnet im Jubiläumsjahr droht der Abstieg.

Mit Punkterekord ist die Erste der SGR in der Saison 2011/12 Meister in der Landesliga West geworden. Seit diesem Aufstieg spielt das Team durchgehend in der Verbandsliga. Ausgerechnet im Jubiläumsjahr droht der Abstieg.

Foto: Sabine Reiser

Die SGR sehe sich aber vor allem als Ausbildungsverein. „Wir versuchen junge talentierte Spieler zu entwickeln, damit sie es irgendwann vielleicht schaffen, höher zu spielen als Verbandsliga.“ Wenn jemand aus der aktuellen Mannschaft von einem Ober- oder Regionalligisten angefragt würde, „würden wir ihm nie Steine in den Weg legen“. Es wäre für die SGR „vielmehr ein positives Zeichen, dass er sich bei uns weiterentwickelt hat. Darauf sind wir dann auch stolz“. Dieses Gefühl durften die Rieschweiler bereits mehrfach erleben. Mit dem heutigen SGR-Präsidenten Rolf Weis sowie Finanzvorstand Tobias Weis haben früher zwei Spieler den Sprung in die Jugendnationalmannschaft geschafft. „Und dann natürlich Erik Drum.“ Der Defensivspieler, derzeit bei Eintracht Frankfurt in der Bundesliga aktiv, hatte mit sechs Jahren bei der SGR mit dem Fußballspielen begonnen, schaffte es über die Nachwuchsabteilungen des 1. FC Saarbrücken und von Mainz 05 zu Borussia Dortmund – und wurde 2014 mit Deutschland Weltmeister. „Das sind Geschichten, die einen Verein auch prägen“, betont Sprau, dass diese aber nur Realität würden, wenn man den Nachwuchs auch fördert.

Die SGR hat derzeit alle Jugenden besetzt, teilweise sogar mit zwei Mannschaften. „Da haben wir uns in den vergangenen Jahren wieder hingebracht. Es war ein Ziel von unserem jungen Vorstand, definitiv wieder eine A-Jugend zu haben, um wieder Spieler hochziehen zu können. Die letzten Jahrgänge, die hoch gekommen sind, waren unsere und vielleicht noch zwei, drei danach“, erklärt der 32-Jährige. „Dann ist das abgeflacht, bis irgendwann die Abmeldung der A-Jugend folgte. Das war schon so ein Genickbruch.“

 Großer Empfang in Rieschweiler: der frühere SGR-Jugendspieler Erik Durm nach dem Gewinn des WM-Titels 2014 mit der Nationalelf.

Großer Empfang in Rieschweiler: der frühere SGR-Jugendspieler Erik Durm nach dem Gewinn des WM-Titels 2014 mit der Nationalelf.

Foto: Norbert Schwarz, Bildjournalist,/nos

Durch die Corona-Krise drohe im Nachwuchsbereich wieder die Gefahr eines Einbruchs. „Es kommt in der Jugend in einem speziellen Alter ohnehin immer der Punkt, an dem man sich fragt, mache ich weiter mit Fußball oder konzentriere ich mich doch auf etwas anderes – da könnte diese Phase gerade schlecht sein, einfach weil nichts läuft.“ Klar ist für Sprau aber, „dass wir weiter schauen wollen, mit allen Jugenden dabei zu bleiben. Aber es ist gerade eine schwierige Situation“. Auch für den Gesamtverein. „Seit Monaten haben wir keine Einnahmen.“ Weder durch das Sportheim als größte Einnahmequelle, noch durch Spiele oder Veranstaltungen. „Das ist eine Sache, die uns arg trifft.“ Auch deshalb hoffen die Rieschweilerer auf das große Jubiläums-Event im Sommer.

Aber auch, um die 100 Jahre mit Erfolgen und Rückschlägen Revue passieren zu lassen. Angefangen bei der Gründung 1921, nach der die Rieschweiler zunächst auf den Burkhardtschen Wiesen kickten, ehe dem Club von der Gemeinde an der Dicken Eiche ein Terrain zum Anlegen eines Platzes zur Verfügung gestellt wurde. Dort wird seit 1928 gespielt. Während der ersten beiden Jahrzehnte lief die erste Mannschaft in der C-Klasse Pirmasens auf. Nach dem Krieg zählte 1964 der Aufstieg in die damalige zweite Amateurliga Westpfalz zu den größten Erfolgen. 15 Jahre lang gehörte die SGR dieser Klasse durchgehend an. Im Jahr 2000 feierte Rieschweiler den ersten Aufstieg in die Verbandsliga Südwest. Nach Ab- und Wiederaufstiegen gelang dem Club unter Trainer Tobias Weis 2011/12 als überragendem Landesligameister der letzte Aufstieg. Seither gehört die Erste der Verbandsliga an. „Das war mit Abstand eine der schönsten Runden, die wir je gespielt haben“, erinnert sich Sprau, der seine komplette Aktivenzeit bei der SGR verbracht hat. „Da waren wir auf dem Platz eine echte Familie. Wenn ich überlege, was da abgegangen ist“, sagt er lachend. „Wenn einer nicht gespielt hat, hat der draußen gemacht wie verrückt – diese Euphorie, dieser Zusammenhalt haben das ganze auch in die Richtung gebracht.“

Doch die SGR hat in den vergangenen Jahren nicht nur erfolgreiche Zeiten erlebt. Rückschläge bleiben in einer solch langen Geschichte nicht aus. Den größten Schicksalsschlag musste die SGR-Familie im Januar 2018 verkraften, als Spieler und Vorstandsmitglied Christoph Weis mit 29 Jahren bei einem Autounfall tödlich verunglückte. „Auch für mich persönlich war das der härteste Schlag. Ich nage da immer noch dran“, erklärt Steffen Sprau. „Es war nicht nur sportlich ein Riesenverlust. Auch menschlich, Christoph war einfach ein Typ, der immer ein Lachen im Gesicht hatte – egal, was war“, erinnert sich sein ehemaliger Teamkamerad und fügt an: „Was er auch alles mit großem Herzblut im Verein bewirkt hat.“ So habe Weis den Bau des Kunstrasenplatzes – eine der größten Investitionen des Clubs – mit auf den Weg gebracht. „Daher auch der Vorschlag damals von mir, den Platz nach ihm zu benennen“, erzählt Sprau von der Idee – und schließlich Umsetzung – des Christoph-Weis-Stadions.

 Steffen Sprau, Vorstand, Spieler und Co-Trainer bei der SGR.

Steffen Sprau, Vorstand, Spieler und Co-Trainer bei der SGR.

Foto: Sabine Reiser

Nachdem die Mannschaft und der eigentlich scheidende Trainer Björn Hüther damals Zusammenhalt demonstrierten und kollektiv die Zusage für die Folgesaison gaben, war der nächste sportliche Rückschlag allerdings nicht weit. „Im Jahr darauf ist fast die komplette Mannschaft weggegangen. Für uns hat das einen kompletten Neustart bedeutet, mit ganz jungen Spielern.“ Und dem neuen Trainer Dirk Kapitulski, der jedoch nach vier Spielen wieder Geschichte war. So rückte Sprau selbst unverhofft in die Trainerrolle, die er als Co von Patrick Hildebrandt auch weiter innehat. „Vorher war es immer so, dass du eine Mannschaft um einen Stamm von sieben, acht Leuten, die immer zusammengespielt haben, aufbauen konntest.“ Da sei es leichter gewesen, junge Spieler einzubauen, die sich auch schnell entwickelt haben. „Wenn du Spieler um dich hast, die Dir immer wieder sagen, was du zu machen hast, dich an den richtigen Platz schieben, dann ist das irgendwann automatisiert.“ Dann müsse auch nicht mehr viel gesprochen werden. „Jetzt kommen die jungen Spieler und stehen direkt unter Druck. Nicht alle kommen damit klar.“

Ausgerechnet im Jubiläumsjahr droht der Mannschaft nun der Abstieg aus der Verbandsliga. „Wir wollen uns aber nicht kampflos ergeben“, betont der Co-Trainer des derzeitigen Schlusslichts der Gruppe 1 der geteilten Verbandsliga Südwest (1 Punkt aus sieben Partien). „Ich will immer so hoch spielen, wie es geht. Wir werden alles raushauen, um in der Liga zu bleiben. Sollte es aber so kommen, dass wir absteigen, dann bleiben wir mit der Mannschaft dennoch größtenteils zusammen“, verrät Sprau, dass neben den Trainern auch einige Spieler bereits für die kommende Runde zugesagt haben. „Es wäre wichtig, nicht wieder bei null anzufangen.“

Das oberste Ziel in diesem ungewöhnlichen Jubiläumsjahr wäre es nun aber, überhaupt mal wieder auf den Platz zu können. Das will Steffen Sprau, der gerade seinen Trainerschein macht, auch selbst unbedingt. Trotz verschiedener Angebote als Spielertrainer bei anderen Clubs habe er sich im vergangenen Jahr erneut für die SGR entschieden, um als spielender Co-Trainer nochmal zu versuchen, so hoch wie möglich zu kicken. Dann bremste ihn direkt vor der Runde wieder eine Verletzung aus. Doch er fühle sich fit und freut sich, wenn es endlich wieder losgeht.

Wenn er als Trainer bei der SGR dann auch nochmal so eine lange Karriere hinlegen würde wie als Spieler, könnte Steffen Sprau noch das ein oder andere Jubiläum an der Dicken Eiche feiern. Lachend sagt der 32-Jährige: „Die SG Rieschweiler wird natürlich immer die erste Ansprechstation bleiben, aber man muss sehen, wie man sich auch weiterentwickelt, was das Trainerdasein angeht.“ Doch das sei Zukunftsmusik. Jetzt liegt der Fokus zunächst auf der aktuellen Saison sowie den Planungen für die große Jubiläumsfeier im Juli. „Es soll schon ein größeres Event werden.“ Denn 100 Jahre werde man schließlich nicht jeden Tag.

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