Wie erfolgreich ist die Frankreich-Strategie? Von ehrgeizigen Zielen und zu geringen Mitteln

Saarbrücken · Drei Professoren der Romanistik sehen Widersprüche in der Umsetzung der Frankreich-Strategie der saarländischen Landesregierung.

 In den saarländischen Kitas und Grundschulen spielt Französisch eine große Rolle. Doch in der Bevölkerung löst dies auch eine Abwehrhaltung aus.

In den saarländischen Kitas und Grundschulen spielt Französisch eine große Rolle. Doch in der Bevölkerung löst dies auch eine Abwehrhaltung aus.

Foto: dpa/A3464 Rainer Jensen

Im neuen Jahrbuch des Frankreich-Zentrums der Saar-Uni haben drei Professoren die Frankreich-Strategie der Landesregierung untersucht. Einige Erkenntnisse dazu lieferten sie bei einer Diskussion in der Villa Europa. Und es zeigte sich: Vieles ist gut gemeint, aber nicht unbedingt gut gemacht. „Die Sprachenfrage hat bei der Bevölkerung eine reflexhafte Abwehrhaltung hervorgerufen“, sagte Claudia Polzin-Haumann, Professorin für romanische Sprachwissenschaft. Durch den Fokus auf Französisch sei untergegangen, dass die Frankreich-Strategie auch eine Strategie der Mehrsprachigkeit sei. Sie schließe weder Englisch noch Herkunftssprachen zum Beispiel von Migranten aus. Doch diese Auffassung sei nicht wirklich bei allen Bürgern angekommen.

„Es ist bewiesen, dass sich Mehrsprachigkeit besser erreichen lässt, wenn man mit einer anderen Sprache als Englisch anfängt“, so die Wissenschaftlerin. Also sei der saarländische Ansatz richtig, zuerst Französisch zu lernen und erst dann Englisch. „Es geht nicht um Wertigkeit zwischen den Sprachen, sondern es ist lediglich eine zeitliche Reihenfolge.“ Im Saarland würden seit Einführung der Strategie im Grundschulbereich mehrere Modelle konkurrieren: Französisch ab der ersten Klasse, Französisch ab der dritten Klasse und bilinguale Zweige. Wenn man den Gedanken bis zum Ende durchdenke, „wäre es konsequenter, dass Französisch überall ab der ersten Klasse unterrichtet wird. Dann würden die Schüler im Sekundärbereich mit dem gleichen Kenntnisstand starten“, schlug Polzin-Haumann vor. Ihr Fazit: viele gute Ansätze, aber nach wie vor einige Widersprüche.

Widersprüchlich ist für Christoph Vatter, Romanistik-Juniorprofessor, auch das mediale Echo, das die Frankreich-Strategie bundesweit und im Nachbarland erfahren hat. „Die mediale Aufmerksamkeit war sehr groß und somit ist dieses Standort-Marketing keine schlechte Idee, um das Image des Saarlandes zu stärken.“ Während die Reaktionen in Frankreich fast alle positiv waren, habe die nationale Presse eine eher kritische Analyse des Vorstoßes vorgenommen, der immer wieder mit dem Kampf ums Überleben eines wirtschaftlichen schwachen Bundeslandes verknüpft wurde.

„Die Frankreich-Strategie ist sehr ambitioniert, aber mit zu geringen Mitteln für eine ganzheitliche Umsetzung ausgestattet“, stellte Hans-Jürgen Lüsebrink, Professor für interkulturelle Kommunikation, fest. Also an sich eine gute Idee, doch das Geld fehlt. „Unter diesen Umständen ist das Ziel, Französisch bis 2043 als Verkehrssprache im Saarland zu etablieren, nicht realistisch.“

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