Porträt Sie möchte „die Zunge der anderen“ sein

Saarbrücken · Seit 2012 ist Saarbrücken um eine gute Autorin reicher: Ein Gespräch mit Sonja Ruf, die gerade zwei neue Romane veröffentlicht hat, darunter ihr erstes, sehr gelobtes Kinderbuch.

 „Im Glanz der Kontrolle“  heißt das neue Buch von Sonja  Ruf.  Foto: Konkursbuchverlag

„Im Glanz der Kontrolle“ heißt das neue Buch von Sonja Ruf. Foto: Konkursbuchverlag

Foto: Konkursbuchverlag

Es gibt Autoren, die erfinden sich mit viel Phantasie fremde Lebenswelten und die unmöglichsten Geschichten. Und dann gibt es Autoren, die nehmen sich das Reale, das Alltägliche zum Gegenstand und machen es nicht minder erzählenswert, nicht minder spannend. Wie etwa Sonja Ruf. „Zunge der anderen“ nennt sie sich selbst auch gerne einmal. Sei es ein Gespräch von Fremden, das sie im Café aufgeschnappt hat oder seien es Geschichten aus dem Bekanntenkreis oder ganz persönliche Erfahrungen: Die Themen und Inhalte ihrer Romane stammen immer aus ihrem „eigenen Leben, ihrer eigenen Umgebung“, auch deshalb, seien ihre Helden „fast immer so alt wie sie selbst“, sagt die 52-Jährige.

Liebe, Erotik, Begehren spielen in ihren Texte eine Rolle, zugleich versucht sie, sich immer Themen zuzuwenden, „die gerade relevant sind“, wie sie sagt. Gerade erst ist sie aus einer vierwöchigen Schreibklausur zurückgekehrt, in der sie ihr neuestes Buch fertiggestellt hat. 13 Stück sind es dann, denn geschrieben habe sie schon immer, ihr ganzes Leben. „Im Glanz der Kontrolle“ heißt das neue Werk.

Auch hier verarbeitet sie auf charmant-witzige Weise ein Thema, das aktueller nicht sein könnte: Digitalisierung. Es ist ein „Roman über eine gruselig-skurrile Riesenklinik, in der alle 50-Jährigen landen, weil sie die neue Arbeitswelt nicht mehr aushalten“, sagt Ruf. Das Buch ist gerade druckfrisch aus dem „konkursbuch Verlag“ gekommen.

Doch auch einen Perspektivenwechsel scheint Ruf mühelos zu schaffen. Schrieb sie die meiste Zeit ihres Autorenlebens für Erwachsene, hat sie mit „Mallows oder Katzengrütze“ einen Roman für Kinder ab acht Jahren geschrieben. Dort erzählt sie die Abenteuer von Chelsea und Jordan, einem Zwillingspaar, das von der Mutter alleine gelassen wird, weil diese als Sprengmeisterin in der Südsee endlich wieder Arbeit gefunden zu haben scheint.

Ihr erstes Buch veröffentlichte Ruf mit 23, ein Jugendsachbuch, das 1991 auf der Auswahlliste für den Deutschen Jugendliteraturpreis stand. „Ein hoher Einstieg, an den ich anknüpfen wollte“, sagt sie. Diesen Anspruch kann man durchaus als geglückt bezeichnen. „Mallows oder Katzengrütze“ ist spannend, lustig, überraschend und vor allem: erfrischend ehrlich.

Chelsea und Jordan sind keine artigen Lämmchen, sie benutzen Wörter wie „Missgeburt“ und „Fettschwan“. Sie „pimmeln“ ihre Schulkameraden. In Erwachsenen-Deutsch: Sie ziehen ihnen von hinten die Kapuze über den Kopf. Chelsea und Jordan sind nicht so, wie Erwachsene sie gerne hätten, sondern wie Kinder eben sind.

Auch für diesen Roman hat Ruf Feldforschung betrieben, „dokumentarisch“ gearbeitet, nennt sie es. Ruf hat diese starken Kindercharaktere, diese Wörter wie „Katzengrütze“, was im übrigen Erdnussbutter meint, auf dem Schulhof der Grundschule eingefangen, an der sie als Erzieherin arbeitet. 2012 kam die gebürtige Schwarzwälderin mit ihrem Mann, dem Lautpoeten Karl-Heinz Heydecke, wegen des Jobs nach Saarbrücken. Sie erzählt von einer großen Wohnung mit rund 7000 Büchern, dass sie „viel über Literatur sprechen, gemeinsam auftreten“. Auf beiden Seiten gebe es „viel Respekt für Kreativität“, auch vierwöchige Schreibausflüge seien da kein Problem.

Aber: „Geld verdienen mit dem Schreiben ist eine Sache, davon leben eine andere“, sagt Ruf. Drei Tage die Woche arbeitet sie jetzt in der Grundschule, „drei Tage stelle ich mich in den Taifun, vier Tage schreibe ich dann“, lacht Ruf.

Als Abstrich an ihrem Künstlertum sieht sie ihren bürgerlichen Beruf ganz und gar nicht, vielmehr empfinde sie „ihr Leben jetzt als ideal“. Der größte Bonus: die Unabhängigkeit vom Literaturbetrieb. Auch wenn Ruf beim „konkursbuch Verlag“, wie sie dankbar betont, „absolute Freiheit genießt“, hat sie schon erfahren, wie hart vor allem die Kinderliteraturbranche manchmal sein kann. Bloggerinnen kritisierten den Roman, weil eine Mutter ihre Kinder alleine lässt, Verlage wiederum befanden, dass eine Geschichte in der es auch um Rache und Kleinkriminelle geht, nichts für Kinder sei. „Mallows oder Katzengrütze“ hat es, zum Glück, doch noch in den Buchhandel geschafft. Und unter anderem in der „Süddeutschen Zeitung“ sehr gute Kritiken bekommen.

Abgeschreckt hat Ruf das Ganze nicht, im Gegenteil: Das nächste Kinderbuch ist schon in der Mache. „Ich bin sehr aufgeregt, morgen lerne ich meine neue Schwester kennen“, erzählte ihr ein Kind auf dem Schulhof. Die Idee zu einem Roman, in dem es um Patchworkfamilien geht, war geboren.

Sonja Ruf: Mallows oder Katzengrütze. Kinderbuch ab acht Jahren. „Fabulus Verlag“, 16 Euro.

 "Mellows oder Katzengrütze" heißt das Kinderbuch von Sonja Ruf. Foto: fabulus Verlag

"Mellows oder Katzengrütze" heißt das Kinderbuch von Sonja Ruf. Foto: fabulus Verlag

Foto: fabulus Verlag
 Sonja Ruf  

Sonja Ruf  

Foto: Silvia Buss

Sonja Ruf: Im Glanz der Kontrolle. „konkursbuch Verlag“, 300 Seiten, 14 Euro.

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