Zehn Jahre Gehalt ohne Arbeit

Saarbrücken · Vier Polizeibeamte, die seit Jahren vom Dienst suspendiert sind, erhalten weiterhin ihre vollen Gehälter. Nur in zwei jüngeren Fällen, die Kommissare betreffen, wurden die Dienstbezüge um bis zu 30 Prozent gekürzt.

 SymbolbildLocation:Frankfurt/Main

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Foto: Arne Dedert/dpa

Der Fall sorgte im Frühjahr 2006 für Aufsehen: Drogenfahnder nahmen in einer Saarbrücker Polizeidienststelle einen damals 33 Jahre alten Obermeister fest. Der Beamte legte ein Geständnis ab, wonach er mit Haschisch und Amphetaminen gehandelt habe, um den eigenen Drogenkonsum zu finanzieren. Der Haftbefehl gegen ihn wurde unter Auflagen außer Vollzug gesetzt. Der Obermeister wurde vom Dienst suspendiert - bei vollem Gehalt. Ein Gericht verurteilte den Ex-Streifenbeamten später zu neun Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung und zu 3000 Euro Geldstrafe. Bis heute ist der Mann suspendiert. Vater Staat überweist pünktlich jeden Monat die kompletten Amtsbezüge von rund 2000 Euro netto.

Hugo Müller, Vizepräsident des Landespolizeipräsidiums, bestätigte unserer Zeitung diese Informationen auf Anfrage. Der Obermeister ist demnach kein Einzelfall: 2007 wurde einem Polizeioberkommissar die Ausübung der Dienstgeschäfte untersagt. Letztlich wurden Strafverfahren wegen Steuerhinterziehung, Betrug und weil er seiner Ehefrau nachgestellt haben soll, eingestellt. Bis heute ist er vom Dienst suspendiert, bekommt volles Gehalt. Derzeit wehrt er sich vor Gericht gegen seine vorzeitige Versetzung in den Ruhestand.

Ungekürzt ist seit sechs Jahren auch das Gehalt eines Kriminaloberkommissares, gegen den wegen Besitzes von Kinderporno-Dateien ein Strafbefehl über 70 Tagessätze zu 45 Euro ergangen war. Zum Auftakt der Ermittlungen gingen seine Vorgesetzten wohl von einer höheren Strafe aus. Er ist jedenfalls seit 2010 bei vollem Gehalt suspendiert. Dies gilt auch für einen Kommissar, gegen den wegen Missbrauchs Jugendlicher, häuslicher Gewalt und Sexualdelikten ermittelt wurde; die Fälle sind aber strafrechtlich verjährt.

Nach Angaben des Landespolizeipräsidiums ist derzeit sechs Polizisten die Dienstausübung verboten. In zwei jüngeren Fällen wurden Gehälter um 20 und 30 Prozent gekürzt.

Vizepolizeichef Müller argumentiert: Ob ein Beamter, dem strafrechtlich relevante Vorwürfe gemacht werden, bei reduziertem Gehalt vom Dienst suspendiert werde, liege in der Verantwortung der jeweiligen Polizeispitze. Er führt seit 2012 gemeinsam mit Präsident Norbert Rupp die Landespolizei. Müller: "In jedem Einzelfall muss die Sachlage analysiert und die Frage beantwortet werden, ob bei der Qualität des Fehlverhaltens die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis zu erwarten ist." Ab einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr ist dies zwangsläufig. Auf den Kommissar angesprochen, der seine Kolleginnen heimlich in der Umkleide und auf der Toilette gefilmt hat, sagte Müller: "Ich bin der persönlichen Überzeugung, dass jemand, der so etwas macht, nicht mehr bei der Polizei bleiben kann." Der Beamte wurde zu acht Monaten auf Bewährung verurteilt und bekommt weiter gekürztes Gehalt.

Meinung:

Akuter Handlungsbedarf

Von SZ-Redakteur Michael Jungmann

Es sind glücklicherweise nur sechs von 2889 Polizisten im Land, die mutmaßlich auf die schiefe Bahn geraten sind und vom Dienst suspendiert wurden. Dass die Suspendierung und die ungekürzte Gehaltsfortzahlung zum Dauerzustand wird, kann und darf nicht im Sinne des Gesetzgebers und des Steuerzahlers sein. Seit zehn Jahren wird etwa ein Obermeister monatlich mit 2000 Euro netto dafür "belohnt", dass er verständlicherweise als Ex-Drogendealer nicht mehr die Uniform anziehen darf und sich auf die faule Haut legen kann. Hier besteht disziplinarrechtlich akuter Handlungsbedarf, insbesondere im Interesse der Polizisten , die Tag für Tag im Dienst den Kopf hinhalten.

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