Unendliche Geschichte geht weiter

Saarbrücken · Seit Jahrzehnten kämpfen Bürgermeister und Landräte dafür, dass das Land nicht ständig neue Aufgaben und damit Kosten auf die Kommunen abwälzt. Nun scheint eine Lösung nahe – doch es gibt neue Konflikte.

 Die Oberbürgermeister Klaus Lorig (CDU, Völklingen; rechts) und Jürgen Fried (SPD, Neunkirchen) führen im November 2014 einen Protestzug der Bürgermeister vor den Landtag an. Foto: Becker&Bredel

Die Oberbürgermeister Klaus Lorig (CDU, Völklingen; rechts) und Jürgen Fried (SPD, Neunkirchen) führen im November 2014 einen Protestzug der Bürgermeister vor den Landtag an. Foto: Becker&Bredel

Foto: Becker&Bredel

Die Landespolitik kann ein mühsames Geschäft sein, manchmal dreht sie sich jahrelang im Kreis. Die Frage, ob das Land den Kommunen neue Aufgaben übertragen darf, ohne ihnen die Kosten dafür zu erstatten, ist ein besonderes Lehrstück. Schon vor 20 Jahren ärgerten sich die damaligen CDU-Bürgermeister Klaus Bouillon (St. Wendel) und Klaus Meiser (Quierschied) so sehr über den Umgang der SPD-Landesregierung mit den Kommunen, dass sie einen Freiburger Verfassungsrechtler zu Hilfe riefen. Zwar schützte die Saar-Verfassung die Kommunen schon damals vor immer neuen Aufgaben und Kosten (Konnexität), doch die Regelung ist bis heute löchrig wie ein Schweizer Käse. "Das Saarland ist das einzige Bundesland, in dem das Prinzip der strikten Konnexität noch nicht gilt", räumte die Landesregierung vor wenigen Monaten ein.

Seit Jahrzehnten machen Bürgermeister und Landräte ohne Rücksicht auf politische Couleur Druck, damit das Konnexitätsprinzip in der Landesverfassung ("Wer bestellt, bezahlt") verschärft wird. Doch es passierte bislang: nichts. Auch der Ex-Bürgermeister Klaus Meiser packte das Thema nicht an, als er 1999 und wieder 2007 zum Innenminister ernannt wurde - er vertrat nun die Landesinteressen. "Wir sind immer wieder gegen eine Wand gelaufen", sagte der Völklinger OB und Städtetags-Präsident Klaus Lorig (CDU ) einmal resigniert.

Nun endlich ist die Chance da, denn in den vergangenen zwölf Monaten ist Bewegung in die Sache gekommen. Erst protestierten die Bürgermeister vor einem Jahr öffentlichkeitswirksam vor dem Landtag. Für den Fall, dass das Land weiter mauern sollte, drohten die aufgebrachten Rathaus-Chefs mit einer Klage. Als dann auch noch der Finanzgutachter Martin Junkernheinrich den Kommunen zur Seite sprang, setzte in der Landesregierung ein Umdenken ein.

Am 3. Juni 2015 sicherte Innenminister Klaus Bouillon (CDU ) dem Städte- und Gemeindetag per Vertrag (Kommunalpakt) "ein umfassendes striktes Konnexitätsprinzip (…) in Anlehnung an die Regelungen in Nordrhein-Westfalen" zu. Die Bürgermeister schienen am Ziel, Lorig und Bouillon stießen auf die Unterzeichnung des Paktes mit Sekt an. Vor zwei Wochen brachte die große Koalition die Änderung der Verfassung auf den Weg, die unendliche Geschichte sollte bald vorbei sein.

Doch sie geht weiter. Denn die kommunalen Spitzenvertreter sind unzufrieden, klagen über Schlupflöcher im Entwurf. "Was uns bisher bekannt geworden ist, ist das Gegenteil von dem, was versprochen wurde", kritisierte Landkreistags-Chef Patrik Lauer (SPD ). Der Landkreistag räumt aber auch eigene Fehler ein: Monatelang forderte er eine Konnexitätsregelung nach dem Vorbild Nordrhein-Westfalens, die als besonders kommunalfreundlich gilt - ohne zu wissen, was genau in der dortigen Verfassung steht. Denn auch sie hat Schlupflöcher, die sich nun auch im Entwurf der Saar-Koalition finden. "Wir gehen alle in Sack und Asche", sagt Geschäftsführer Martin Luckas. Die Landkreise wollten nun mit dem Land darüber neu verhandeln.

Auch der Städte- und Gemeindetag findet den Entwurf nicht akzeptabel, weil er das im Kommunalpaket zugesagte "umfassende strikte Konnexitätsprinzip" nicht umsetze und hinter der NRW-Regelung zurückbleibe. Geschäftsführerin Barbara Beckmann-Roh sagte, sollte der Entwurf so beschlossen werden, wäre dies ein Verstoß gegen den Kommunalpakt. Überhaupt fehle eine "Kultur des Miteinanders" zwischen Kommunen und Land: Landkreistag und Städte- und Gemeindetag hätten im Juli einen gemeinsamen Vorschlag für eine Verfassungsänderung gemacht und dem Land ein Gesprächsangebot gemacht. Seitdem habe man nichts gehört. "Das ist ein bisschen schade."

Meinung:

Land muss zur Zusage stehen

Von SZ-RedakteurDaniel Kirch

Gemeinsam - man kann das Wort langsam nicht mehr hören, so oft wie es bei den Verhandlungen über den Kommunalpakt bemüht wurde. Und nun soll es in einem kleinen Land, in dem sich Bürgermeister und Abgeordnete quasi bei jedem Dorffest über die Füße laufen, nicht möglich sein, sich auf ein vernünftiges Konnexitätsprinzip zu einigen? Es ist doch allen klar, dass es so nicht weitergehen kann. Das Land darf Aufgaben und Kosten nicht einfach nach unten durchreichen. Das hat die Landesregierung zugesagt - und muss es auch umsetzen. Gerade weil die Aufgaben wegen der Flüchtlinge künftig nicht weniger werden.

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