Säbelrasseln zum Lauschangriff

Saarbrücken · Ein Gesetzentwurf zur Änderung des Verfassungsschutzgesetzes hat gestern mit der Stimmenmehrheit der großen Koalition in erster Lesung den Landtag passiert. Vorausgegangen waren der Abstimmung eine heftige Debatte – und ein Eklat.

 Schauplatz für Wortgefechte: Im Landtag stritten die Parteien gestern heftig über den Verfassungsschutz. Foto: becker&bredel

Schauplatz für Wortgefechte: Im Landtag stritten die Parteien gestern heftig über den Verfassungsschutz. Foto: becker&bredel

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Am Ende schleudert Oskar Lafontaine der direkt neben dem Rednerpult sitzenden Regierungschefin den Satz entgegen: "Sie ticken nicht mehr richtig!" Laut war er - und zahlreiche Abgeordnete werden es jetzt ebenfalls: Empörung, Tumult, jemand ruft "Unverschämtheit". Landtags-Vizepräsidentin Isolde Ries (SPD) erteilt dem Linken-Fraktionschef Lafontaine eine Rüge, seine Äußerung lasse jeden Stil vermissen. Die CDU wird später ankündigen, "das ungebührliche Verhalten Lafontaines zum Thema im Landtagspräsidium" zu machen, und fordert eine Entschuldigung.

Angefangen hatte alles mit der Debatte über eine Änderung des saarländischen Verfassungsschutzgesetzes. Dies soll einem Bundesverfassungsgerichtsurteil zum "Großen Lauschangriff" angepasst werden. Demnach ist eine "akustische Wohnraumüberwachung" nur dann zulässig, wenn eine besonders schwere Straftat Anlass dazu gibt. Zudem soll das Landesamt für Verfassungsschutz (ebenso wie sein Pendant auf Bundesebene) bei der Handy-Überwachung unter bestimmten Bedingungen Daten wie Name und Anschrift des Nutzers beim Mobilfunkanbieter erheben dürfen. Und drittens soll im Gesetz festgeschrieben werden, dass alle im Landtag vertretenen Fraktionen im parlamentarischen Kontrollausschuss vertreten sind. Bislang ist die Zahl der Mitglieder auf drei beschränkt.

Auf all das geht Lafontaine bei der Aussprache über die geplante Gesetzesänderung kaum ein. Sein Bogen ist weiter gespannt: Er fordert (erneut) die Auflösung des Verfassungsschutzes, dessen Aufgaben stattdessen der Polizei übertragen werden sollen, und kommt auf die geheimen Autogeschäfte des Saar-Verfassungsschutzes zu sprechen (wir berichteten). Dieser hatte von 2003 bis 2008 in mindestens 14 Fällen Einsatzfahrzeuge für den luxemburgischen Geheimdienst SREL bei deutschen Automobilbauern bestellt und dazu Sonderrabatte genutzt, die nur deutschen Behörden gewährt werden. An Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), damals Innenministerin und Dienstherrin des Verfassungsschutzes, richtet Lafontaine nun die Frage, ob sie diese Geschäfte genehmigt habe. Von der eigentlich geplanten Gesetzesänderung ist in der anschließenden Debatte meist nur noch am Rande die Rede. Unisono verteidigen CDU und SPD das Trennungsgebot von Polizei und Verfassungsschutz. Und CDU-Fraktionschef Klaus Meiser betont, dass die geheimen Autogeschäfte nicht gegen das Gesetz verstoßen hätten.

Zu guter Letzt tritt die Regierungschefin selbst ans Rednerpult: Lafontaine habe ihr eine Frage gestellt - und "die Höflichkeit gebietet es", ihm darauf zu antworten, sagt sie. Nein, sie sei seinerzeit nicht über die Autogeschäfte informiert worden und habe diese entsprechend auch nicht gebilligt. Und provozierend fügt sie hinzu: Sie empfehle der Linkspartei von Lafontaine, der mit Bezug auf fragwürdige Geheimdienst-Aktivitäten noch von der unantastbaren Würde des Menschen gesprochen hatte, erst einmal die Stasi-Vergangenheit aufzuarbeiten. Das sitzt. Lafontaine gerät in Rage. "Wozu braucht der Geheimdienst überhaupt Fahrzeuge der Oberklasse?", ruft er, erneut am Rednerpult - und schickt hinterher: "Sie ticken nicht mehr richtig!"

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