Krankenhäuser selbst erkrankt: Weshalb saarländische Kliniken am Tropf hängen

Saarbrücken · Das Krankenhaus ist der Patient: Nahezu die Hälfte der 21 Krankenhäuser im Saarland schreibt rote Zahlen. Experten gehen davon aus, dass ihre Zahl in den nächsten Jahren noch steigen wird. Der Spardruck ist bereits in allen Häusern zu spüren. Ob die von Bund und Ländern geplante Krankenhausreform langfristig Linderung bringt, ist umstritten. Schlimmer noch: Kann das klamme Saarland die Kosten von mindestens zehn Millionen Euro, die es für die Reform zuschießen müsste, überhaupt stemmen?

 Etliche Krankenhäuser im Saarland hängen finanziell buchstäblich am Tropf. Fast jede zweite Klinik schreibt rote Zahlen. Foto: Fotolia

Etliche Krankenhäuser im Saarland hängen finanziell buchstäblich am Tropf. Fast jede zweite Klinik schreibt rote Zahlen. Foto: Fotolia

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Frage: Wie prekär ist überhaupt die finanzielle Lage der saarländischen Krankenhäuser ? Antwort: So prekär, dass Banken von Kliniken inzwischen Risikozuschläge für Kredite verlangen. Deshalb hat sich das städtische Klinikum Saarbrücken jetzt erstmals mit Hilfe einer Bürgschaft der Landeshauptstadt um 0,8 Prozentpunkte günstigere Zinskonditionen (für einen Kredit von 3,25 Millionen Euro ) gesichert. Um eine darüberhinaus klaffende Finanzierungslücke für das laufende Jahr zu schließen, will das Klinikum die Verweildauer der Patienten weiter kürzen (um insgesamt mehr Patienten aufnehmen zu können), Personal abbauen und frei werdende Stellen nicht wieder besetzen. Maßnahmen, die in der Krankenhauslandschaft längst weit verbreitet sind. Zum Jahresende erwartet das Klinikum dann noch ein Minus von einer Dreiviertel Million Euro . Und damit stünde das Winterberg-Klinikum im Vergleich zu vielen anderen Häusern (unabhängig von der Trägerschaft) im Saarland noch relativ gut da.

Das städtische Krankenhaus in Neunkirchen beispielsweise hat im vergangenen Jahr über drei Millionen Euro Verlust gemacht. Was nicht folgenlos blieb: Weil man im Rathaus nämlich fürchtete, dass das Millionen-Defizit unmittelbar auf den städtischen Haushalt durchschlagen könnte, soll das Krankenhaus nun zu 51 Prozent oder gar ganz verkauft werden. Interessenten gäbe es zwar bereits, heißt es im Rathaus. Dass der neue Betreiber aus Kostengründen jedoch Personal abbauen wird, daran zweifelt niemand.

Spardruck, Personal- und unzureichender Überstundenabbau sorgen bei Ärzten und Klinik-Mitarbeitern inzwischen für Frust und Wut. Ein Oberarzt an einem saarländischen Krankenhaus sagt: "Die Unterfinanzierung schlägt sich allmählich in der Qualität nieder." Eine "adäquate Behandlung" der Patienten könne zwar noch gewährleistet werden, aber Arbeitsverdichtung und Stress würden die Mitarbeiter längst an die Belastbarkeitsgrenzen bringen. Selbst die Geschäftsführerin des Klinikums Saarbrücken , Susann Breßlein, räumt ein: "Auch die Patienten spüren die Personalknappheit durchaus - sie bemerken gehetzte Mitarbeiter. Die Zeit für Gespräche und Empathie wird leider immer weniger."

Der wachsende Unmut in der Belegschaft führt mitunter offenbar auch zur Einreichung von Kündigungen. Als ein Chefarzt am Saarbrücker Caritasklinikum St. Theresia Ende vergangenen Jahres seinen Job quittierte, war aus seinem nahen Umfeld zu hören, dass die sich verschlechternden Arbeitsbedingungen dafür mitverantwortlich gewesen seien. Der Klinikträger wollte dies weder bestätigen noch dementieren: Die Kündigung sei aus "persönlichen Gründen" erfolgt, hieß es. Der Chefarzt selbst - derzeit noch im Anstellungsverhältnis - wollte sich nicht äußern. Bei Personalvertretern vieler Krankenhäuser gedeiht derweil der Gedanke an "Massenproteste, um ein Zeichen zu setzen".

Für die Krankenkassen, die mit den Betriebskosten von insgesamt 1,1 Milliarden Euro den Löwenanteil der saarländischen Krankenhäuser finanzieren, ist klar, was sich ändern muss: "Unwirtschaftliche Doppel- und Mehrfachstrukturen" müssten abgebaut werden, "ohne dabei die flächendeckende Grundversorgung in Frage zu stellen", so die AOK Rheinland-Pfalz/Saarland. Kritik an den "vielen kleinen Kliniken mit einem breiten Leistungsspektrum und vielen kleinen Fachabteilungen" übt auch der Landesverband der Ersatzkassen (VDEK). Das Problem dahinter: Um höhere Erlöse zu erzielen, haben mehrere Kliniken im Land beispielsweise Brust- und Katheterzentren oder Schlaganfalleinheiten eingerichtet. Der Bedarf ist jedoch geringer als das Angebot. Die Folge: Die Häuser graben sich auf der fieberhaften Suche nach gewinnbringenden Patienten gegenseitig das Wasser ab.

Hier setzen deshalb auch die von Bund und Ländern verhandelten Eckpunkte der für 2016 geplanten Krankenhausreform an. Im Kern geht es darum, dass nicht mehr alle Krankenhäuser die komplette Grundversorgung anbieten sollen. Stattdessen wird eine Konzentration auf diejenigen Bereiche angestrebt, die eine Klinik besonders gut kann. Um diesen zunächst einmal kostspieligen Umbau zu ermöglichen, soll ein Strukturfonds eingerichtet werden. Der Bund stellt dafür 500 Millionen Euro zur Verfügung, die Länder sollen die gleiche Summe zuschießen, um in den Genuss der Bundesgelder zu kommen. Nach dem Königsteiner (Verteilungs-)Schlüssel würde das Saarland fünf Millionen Euro aus dem Bundestopf erhalten - vorausgesetzt, es stellt selbst fünf Millionen Euro für den Umbau der saarländischen Krankenhauslandschaft bereit. Und dann gibt es noch eine Auflage: Das Saarland muss die durchschnittliche Höhe der Zuwendungen für die Krankenhausinvestitionen aus den vergangenen drei Jahren auch in den Jahren 2016 und 2017 zahlen. Nach Angaben der Saarländischen Krankenhausgesellschaft müsste das Land dazu seine zuletzt auf 28,5 Millionen Euro gekürzten Zuschüsse um jährlich 2,5 Millionen Euro erhöhen. Das heißt: Unterm Strich müsste das Saarland insgesamt zehn Millionen Euro selbst aufbringen, um die Bundeshilfen zu erhalten. Und ob diese Summe dann auch für den Umbau der Krankenhauslandschaft ausreicht, ist noch nicht gesagt.

Das Saar-Gesundheitsministerium hält sich auf Nachfrage, wo diese Landesmittel für den Strukturwandel herkommen sollen, bislang bedeckt. Es gelte "hinsichtlich der konkreten Beteiligung" zunächst einmal die "gesetzestechnische Ausgestaltung" abzuwarten, heißt es.

Ob im Zuge der Reform Krankenhäuser schließen werden, ist offen. Die Eckpunkte sehen allerdings vor, den Ländern Druckmittel dazu an die Hand zu geben. So sollen mit der Reform verpflichtende Qualitätskriterien für Kliniken geschaffen werden, bei deren Nichteinhaltung finanzielle Abschläge bis hin zum Ausschluss aus dem Krankenhausplan des Landes drohen. Ob all' das am Ende auch für Ärzte und Pflegepersonal echte Entlastung bringt, ist vorerst ebenso offen wie die Frage, ob das Saarland den Umbau stemmen kann - und will.

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