„Es darf keine Tabus geben“

Als Oberbürgermeisterin der Landeshauptstadt Saarbrücken und stellvertretende SPD-Landesvorsitzende gehört Charlotte Britz zu den einflussreichsten Politikern des Saarlandes. Sie drängt die Landesregierung zu einem Konzept, das die Aufgaben der Städte und des ländlichen Raumes klar definiert. Und sie ist überzeugt, dass es „über kurz oder lang“ zu einer kommunalen Gebietsreform kommen wird. Im Interview mit SZ-Redakteur Daniel Kirch fordert sie Anreize, damit sich Kommunen zusammenschließen.

 Charlotte Britz, studierte Sozialarbeiterin, ist seit 2004 Oberbürgermeisterin der Stadt Saarbrücken. Foto: Oliver Dietze

Charlotte Britz, studierte Sozialarbeiterin, ist seit 2004 Oberbürgermeisterin der Stadt Saarbrücken. Foto: Oliver Dietze

Foto: Oliver Dietze

Frau Britz, wie nehmen Sie als Oberbürgermeisterin der Universitätsstadt Saarbrücken die aktuelle Debatte über die Zukunft der Hochschulen wahr?

Britz: Ich kann verstehen, dass das Land ein Gutachten in Auftrag gegeben hat, um zu sehen, wie es mit der Uni weitergeht. Aber man sollte das Pferd nicht von hinten aufzäumen. Ich warne davor, jetzt schon Einschnitte zu beschließen. Bevor man das tut, sollte man erst einmal überlegen, wie unser Land in Zukunft aussehen soll und welche Strukturen wir haben wollen.

Was soll ein solcher Landesentwicklungsplan, den Sie ja schon länger fordern, leisten?

Britz: Das Konzept soll Stärken, Leistungsfähigkeit und Funktionen des Oberzentrums, der Mittelzentren und des ländlichen Raumes definieren. Es darf keinen Verteilungskampf zwischen der Stadt Saarbrücken und den ländlichen Kommunen geben. Wir müssen uns davon lösen, dass Saarbrücken mit Saarlouis, Neunkirchen oder St. Wendel in Konkurrenz steht. Wir stehen im Wettbewerb mit ganz anderen Regionen wie dem Rhein-Main-Gebiet, Metz, Trier oder Luxemburg. Deshalb müssen wir im Saarland stärker zusammenstehen. Das geht über die Stärkung des Oberzentrums und der Mittelzentren. In den Mittelzentren muss es eine gute Infrastruktur geben: Schulen, Einkaufsmöglichkeiten, Ärzte. Der ländliche Raum muss natürlich gut angebunden sein, auch über den Öffentlichen Personennahverkehr.

Zwischen den 52 Städten und Gemeinden des Saarlandes herrscht ein Verteilungskampf. Wenn Sie die Landeshauptstadt Saarbrücken als Oberzentrum stärken, geht das zu Lasten anderer Kommunen.

Britz: Man muss dasjenige stärken, wo die Menschen hinwollen, und sie wollen nach Saarbrücken! Saarbrücken ist ein Aushängeschild bundesweit für das Saarland. Wenn wir eine attraktive Einkaufsstadt, ein attraktiver Wirtschaftsstandort mit Kongresszentrum, Hochschulen und guten Verkehrsanbindungen sind, kommen die Menschen in unser Land. Dann muss man aber auch schauen, was die Mittelzentren brauchen, damit sie gut ausgestattet sind. Wir haben doch kaum Entfernungen im Saarland. Jeder sollte über seine Stärken nachdenken. Die Sportangebote sind zum Beispiel eine Stärke von St. Wendel. Wenn wir im Sport Geld ausgeben für Sport-Events, sollten wir es dorthin geben. Völklingen hat das Weltkulturerbe. Und wenn Saarbrücken ein Messe- und Kongresszentrum hat, kann auch Neunkirchen davon profitieren, wenn die Anbindung gut ist. Wenn wir Geld hingegen ohne Plan verteilen, ist am Ende niemand attraktiv.

Was halten Sie von einer kommunalen Gebietsreform?

Britz: Ich bin fest davon überzeugt, dass sie über kurz oder lang kommen wird. Die Großstadt Saarbrücken ist ja auch unter wirtschaftlichem Druck entstanden. Die Frage einer Verwaltungsstrukturreform steht immer im Hintergrund.

Was meinen Sie mit Verwaltungsstrukturreform genau?

Britz: Die Reduzierung der Zahl der Landkreise und die Frage, wie groß eine Kommune sein muss, damit sie effizient ist. Viele sagen, sie muss mindestens 30 000 Einwohner haben. Das gewährleistet größere, effizientere Strukturen. Für mich wäre allerdings die Frage, wie kleinere Einheiten dann politisch vertreten werden. Die Menschen sollen im Vordergrund stehen, nicht Strukturen.

Ist es ein Fehler der Landesregierung zu sagen, das Thema Verwaltungsstrukturreform steht in den nächsten Jahren nicht auf der Tagesordnung?

Britz: Ich würde nicht so deutlich sagen: Nein, das packe ich nicht an. Wir müssen das diskutieren, es darf keine Tabus geben. Wie man es dann umsetzt, ist eine andere Sache. Ich persönlich würde Anreize schaffen, indem man sagt: Wenn ihr mit eurer Nachbargemeinde zusammengeht, bekommt ihr Geld vom Land und könnt damit eure Infrastruktur verbessern, zum Beispiel die ÖPNV-Anbindung.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort