Chronist der Jahrhundertmitte

Saarbrücken. Unsere Erinnerung haftet an Bildern, nicht an Texten. Sie ist das Ergebnis der Entscheidung eines Einzelnen. Wir schauen mit seinen Augen. Julius Shulman hat unseren Bilderschatz bereichert. Der im Juli im Alter von 99 Jahren verstorbene amerikanische Fotograf hat viele Fotos gemacht, darunter das meistveröffentlichte Architekturfoto der Welt aus dem Jahr 1960

Saarbrücken. Unsere Erinnerung haftet an Bildern, nicht an Texten. Sie ist das Ergebnis der Entscheidung eines Einzelnen. Wir schauen mit seinen Augen. Julius Shulman hat unseren Bilderschatz bereichert. Der im Juli im Alter von 99 Jahren verstorbene amerikanische Fotograf hat viele Fotos gemacht, darunter das meistveröffentlichte Architekturfoto der Welt aus dem Jahr 1960. Es zeigt einen von Pierre Koenig entworfenen Wohnpavillon aus Glas und Stahl, der in die Hügel Hollywoods gesteckt scheint. Darin liegt Shulmans Leistung bis heute: In Schwarz-Weiß-Fotografien kongenial die Strenge der Entwürfe von Richard Neutra, Pierre Koenig und weiteren Vertretern des Internationalen Stils, der amerikanischen Moderne, zu Ikonen der Architekturfotografie gemacht zu haben. Shulman ist deren Chronist, indem er Häuser und Menschen gleichermaßen inszeniert, wozu er das Spiel von Licht und Schatten meisterhaft nutzte. Die Ausstellung, zu der das Amt für Stadtmarketing, die Architektenkammer des Saarlandes und das Deutsch-Amerikanische Institut in den Hauberrisser-Saal des Rathauses St. Johann einladen, teilt sich dafür in elf Kapitel. Sie zeigen die Entwicklung seines strikten Sehens von ersten Architekturdetails in den dreißiger Jahren zu den Höhepunkten seiner Arbeit in den fünfziger und sechziger Jahren und zu den späten Arbeiten der Gegenwart, in denen er postmoderne Architektur nun ins farbige Bild setzte. Daran zeigt sich, wie wenig Shulmans formatierter Blick hier Klarheit zu schaffen vermochte. Er blieb ein Mann der Jahrhundertmitte. Aber was für einer. sgBis 31. Oktober, Hauberrisser-Saal, Rathaus St. Johann.

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