Der Festival-Leiter spielte den Türhüter

Saarbrücken. Der Chef der Saarbrücker Sommermusik hütete den Eingang. Thomas Altpeter hielt seine Begrüßungsrede am Samstag draußen, bevor er das Publikum in den Saal ließ. Einziger konkreter Hinweis auf Franz Kafkas berühmte Türhüter-Parabel, deren Text der international geschätzte Saarbrücker Computer-Musiker Stephan Mathieu digital verschlüsselt hat

Saarbrücken. Der Chef der Saarbrücker Sommermusik hütete den Eingang. Thomas Altpeter hielt seine Begrüßungsrede am Samstag draußen, bevor er das Publikum in den Saal ließ. Einziger konkreter Hinweis auf Franz Kafkas berühmte Türhüter-Parabel, deren Text der international geschätzte Saarbrücker Computer-Musiker Stephan Mathieu digital verschlüsselt hat. Darüber hinaus ließ Mathieus audiovisuelles Stück "Process" einen im KuBa, Kulturzentrum am Eurobahnhof, ähnlich ratlos zurück wie ein Kafka-Roman und bot entsprechend Diskussionsstoff. Obwohl Orson Welles im Titel erwähnt wurde, fühlte man sich nicht zuletzt an Antonionis Kinoklassiker "Blow up" erinnert: Mittels moderner Technik wird bis zur Unkenntlichkeit "vergrößert". An kafkaesk-bedrohlicher Erwartungsstimmung fehlte es nicht. Unterschwellig wachsendes Summen und Rauschen durchwehte die schummrigen Räume, wo Mathieu uralte Grammophone in Gang setzte und an einem Renaissance-Spinett werkelte, die Geräuschkulisse nur minimal verändernd. Filmprojektoren der 1950er-Jahre sendeten farblose Blitze auf Leinwände. Spannendes Kuriosum bei Mathieus Arbeit ist vor allem das Miteinander von Digitalisierung, die verborgen bleibt, und dem haptischen Genuss der liebevoll restaurierten Technik. Zum Greifen plastisch musizierte dagegen das Saarbrücker "Maris-Ensemble" am Freitag im Rathausfestsaal - und auch hier verbanden sich gleich zur Einstimmung Zeitgeist und Tradition. Sechs eilig komponierte Miniaturen des Brandmüller-Studenten Thorsten Hansen thematisierten historische musikalische Formen und siedelten klanglich zwischen impressionistischen Wirkungen und sirenenartigen Ligeti-Glissandi. Ausbauwürdig. Anregend vital musizierten die gewohnt energische Aysegül Ristenpart (Klavier) und Günter Schraml danach Johannes Brahms' großartige f-Moll-Sonate; wobei der Klarinettist hörbare Probleme mit seinem Rohrblatt recht gut in den Griff bekam. Einen Live-Mitschnitt verdient gehabt hätte schließlich die mustergültige Interpretation von Max Regers Es-Dur-Streichquartett - ein warmer, voller und präziser Ensemblesound ging Hand in Hand mit analytischem Gespür und emotionalem Feuer. Verdienter Riesenapplaus. uhr

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