Aus großer Distanz zu Ideologien

Saarbrücken · Manchmal beschert das Internet schöne Überraschungen. Wir haben über die Suchmaschine Google nach Menschen gesucht, die in Saarbrücken geboren und in aller Welt künstlerisch aktiv sind. Und haben Erstaunliches gefunden. In loser Folge stellen wir nun interessante Menschen vor, die einst in Saarbrücken zuhause waren. Heute: die Schriftstellerin Ulrike Kolb.

 So bunt wie ihr Schirm, so abwechslungsreich die literarischen Formen, die Ulrike Kolb ihren Büchern gibt.

So bunt wie ihr Schirm, so abwechslungsreich die literarischen Formen, die Ulrike Kolb ihren Büchern gibt.

Foto: Iris Maurer
 Das Fenner Harz spielt für Ulrike Kolb eine wichtige Rolle. Ihr Vater stellte es in seiner Marmeladenfabrik her. Foto: Ulrich

Das Fenner Harz spielt für Ulrike Kolb eine wichtige Rolle. Ihr Vater stellte es in seiner Marmeladenfabrik her. Foto: Ulrich

Foto: Ulrich

Ulrike Kolb, in Saarbrücken geboren, hat sehr schöne Erinnerungen an ihre Kindheit in Fenne. "Mein Vater hatte eine Marmeladenfabrik und stellte das Fenner Harz her. Wir Kinder haben immer auf dem Fabrikgelände gespielt und sind auch auf den Schornstein geklettert", erinnert sich die heutige Schriftstellerin.

Während sie von ihrer Kindheit und ihrer Jugend erzählt, lächelt die alterslose Autorin mit den wachen Augen immer wieder vor sich hin. Man merkt, dass diese Zeit ihr wichtig ist. Später in Saarbrücken besuchte sie das Mädchenrealgymnasium, bevor sie auf ein pietistisches Internat im Schwarzwald geschickt wurde. "Das war zwar streng und fromm, aber das spirituelle Klima hat mir gut getan." Und sie entdeckte dort die Literatur für sich. Dem Abitur folgte ein kurzes Studium an der Werkkunstschule in Saarbrücken , "denn ich wollte Malerin werden, bekam aber Zweifel". Nach Aufenthalten in Paris und London, wo sie Sprachen studierte, ging sie mit 23 Jahren nach Berlin. "Ich war jung, verliebt und habe geheiratet", erklärt sie.

Aber die Ehe wurde eine Enttäuschung, und sie zog mit ihrer kleinen Tochter nach Frankfurt. "Es war das Jahr 1968. Es herrschte Aufbruchstimmung. Das war so belebend, man hatte plötzlich Flügel", erzählt sie weiter und strahlt. Ulrike Kolb studierte wieder, diesmal Pädagogik und Soziologie, machte ihr Examen, arbeitet als Diplompädagogin mit Jugendlichen.

In dieser Zeit ist ihre Maxime entstanden, eine freie Meinung zu haben und sich keiner Ideologie zu fügen. Sie beginnt, für die Zeitschrift "Pflasterstrand" zu schreiben, ein undogmatisches Szene-Blatt, an dem auch Joschka Fischer und Daniel Cohn-Bendit mitgearbeitet haben. "Dort habe ich meine ersten Schreibversuche getestet. Anfangs habe ich über alternative Lebensformen geschrieben, aber 1981 entdeckte ich ein Thema, das mich bis heute nicht mehr losgelassen hat: die deutsch-jüdische Geschichte und den Holocaust". Nach einem Aufenthalt in einem israelischen Kibbuz veröffentlicht sie eine Reportage über das Leben dort. 1984 erschien ihr erstes Buch "Die Rabe", 1985 folgt "Idas Idee".

Ulrike Kolb schreibt immer das, was ihr entspricht. Ihre Bücher sind keine Frauenliteratur, sondern Geschichten mit philosophischen und historischen Hintergründen. Wichtig ist ihr beim Schreiben, dass sie ihren Erzählungen immer wieder neue Formen gibt. "So habe ich mein Buch ‚Diese eine Nacht' über 200 Seiten in nur einem einzigen Satz, einem Monolog geschrieben." Ihr Buch "Schönes Leben" von 1990 über die Nachkriegszeit im Saarland ist bei Kritikern gut angekommen. Überhaupt - die Literaturkritik! "Da erinnere ich mich noch an mein Buch ‚Roman ohne Held', das von der Vätergeneration handelt. Es wurde in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung hochgelobt, aber dann im Fernsehen, im ‚Literarischen Quartett', verrissen", sagt sie und lacht.

Für ihre Bücher ist Ulrike Kolb viel unterwegs, gibt Lesungen, recherchiert vor Ort. Seit 2010 lebt die Mutter einer Tochter und Großmutter zweier Enkel wieder in Berlin. In Saarbrücken ist sie nicht mehr oft. "Im Moment schreibe ich an einem Text, der in meiner Kindheit und Jugend spielt. Da muss ich für Recherchezwecke nach Fenne." Man merkt, dass sie sich darüber sehr freut.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort