Als ob man barfuß über heißen Wüstensand geht

St Wendel · Improvisieren ist gar nicht so leicht. Zumindest SZ-Mitarbeiterin Jennifer Sick machte diese Erfahrung. Sie nahm an einem von zehn Improvisations-Theaterkursen teil und schildert ihre Beobachtungen.

Etwas merkwürdig komme ich mir schon vor, wie ich auf Anweisung von Theaterpädagoge Jona Bastian Peters so über die kühlen, schwarzen Fliesen im Bildungs- und Kulturzentrum Impuls hüpfe und so tue, als wäre es heißer Wüstensand. Aber meine sieben Mitstreiter geben sich die größte Mühe bei dem kleinen Gedankenspiel und deshalb versuche ich, genauso engagiert an die Sache heranzugehen. Doch fangen wir ganz von vorne an:

Ich habe das Vergnügen, an einem von insgesamt zehn Improvisations-Theaterkursen teilnehmen zu dürfen, die Jona Bastian Peters im Impuls veranstaltet. Gemeinsam mit sieben theaterbegeisterten Teilnehmern soll ich zwei Stunden lang erfahren, was es bedeutet, auf der Bühne zu improvisieren. Und schon gleich die erste Übung überfordert mich maßlos. Ich soll einen Ball von Mitstreiterin Gabi fangen und an Theaterfreund Ingo abgeben. Gleichzeitig muss ich darauf achten, ob nicht jemand anderes aus dem Kurs gerne seinen Stehplatz mit mir tauschen will und entsprechend auf den Wunsch reagieren. Und als ob das nicht schon genug wäre, startet Jona auch noch ein Zählspiel, das ein schnelles und korrektes Durchzählen aller Teilnehmer erfordert. Nach nur zwei Minuten schreit mein Hirn schon um Hilfe und ich beginne mich zu fragen, was das überhaupt soll. Doch Jona klärt auf: "Bei diesem Spiel geht es darum, eure Wahrnehmung zu schulen. Auf der Bühne müsst ihr auch eure Rolle spielen und gleichzeitig trotzdem wissen, was die anderen tun. Auch diejenigen, die ihr vielleicht gerade nicht sehen könnt." Klingt einleuchtend.

Die nächste Übung ist dann schon mehr nach meinem Geschmack. Denke ich... Es geht darum, eine Szene gestisch so gut darzustellen, dass die anderen erkennen, was ich tue und nacheinander mit einsteigen können. Das alles ohne zu sprechen. Doch was so leicht klingt, ist gar nicht so einfach. Noch bevor ich überhaupt kapiert habe, was Teilnehmerin Rebecca darstellt, haben die anderen, die mir immerhin schon einen Kurs voraus sind, längst geschaltet und die Szene korrekt auf die Bühne gebracht. "Also gut, nicht verzagen, das nächste Spiel wird besser", sage ich mir und konzentriere mich auf die neue Aufgabe. Jetzt geht es darum, Märchen darzustellen und Jona gibt "Hänsel und Gretel" als Vorlage. Als erstes stürzt sich Sophie in die Szene und ich erkenne: Sie ist Gretel. Ingo folgt und wird zum Hänsel. Ana reagiert sofort und bereichert die Kulisse, indem sie das Hexenhaus gibt. Gabi spielt die Hexe. Und dann habe ich einen Geistesblitz! Wir sollen auch die Requisiten darstellen und so mache ich mich kurzerhand zu Hänsels Fußfessel. Und da die Gegenstände der Szene im Gegensatz zu den Personen sprechen dürfen - verdrehte Theaterwelt - beginne ich Haus Ana zu beruhigen, die schon die ganze Zeit rumjammert, wie "ekelig" dieser Hänsel und diese Gretel doch sind. Und ohne, dass ich es so richtig bemerkt habe, bin ich mittendrin und das Improvisieren beginnt mir Spaß zu machen. Ab diesem Zeitpunkt fällt es mir auch nicht mehr schwer, mich einzubringen und schon in der nächsten Szene übernehme ich gleich die erste Rolle: Aschenputtel.

Am Ende des Kurses haben die sieben Teilnehmer und ich einige dieser Spiele hinter uns gebracht und alle - inklusive mir - sind von dem Kurs begeistert. "Diese zwei Stunden sind immer, als wäre ich in einer anderen Welt", fasst Gabi die Gedanken aller Teilnehmer zusammen. "Da kann ich meinen Alltag komplett vergessen." Gelegenheit dies zu tun, werden Gabi und die anderen noch oft genug haben, denn Jona Bastian Peters wird den Kurs bis zum Ende des Jahres noch insgesamt acht Mal veranstalten. Ein Gesamtziel allerdings hat noch keiner vor Augen. "Was am Ende dabei rauskommt, wissen wir noch gar nicht", erklärt Jona. "Wir wollen auch nicht unbedingt etwas aufführen." Zunächst einmal mache jeder für sich selbst aus rein persönlichen Gründen bei dem Kurs mit und was die Teilnehmer dann am Schluss damit anfangen, bleibt - fürs Erste - offen.

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