Serie Dorfspaziergang In Schnappach hüpft der Bach über die Steine

Sulzbach · Das Dorfleben hat seinen eigenen Reiz. Wir haben uns saarländische Dörfer angeschaut, in denen weniger als 1000 Menschen leben. Teil 6: Sulzbach-Schnappach.

 An den Steinkohleabbau in Schnappach erinnert eine Kohlenlore. Gleich dahinter lädt ein Relikt längst überwundener Glanzzeiten des Patriarchats: der Schnappacher Herrenclub.

An den Steinkohleabbau in Schnappach erinnert eine Kohlenlore. Gleich dahinter lädt ein Relikt längst überwundener Glanzzeiten des Patriarchats: der Schnappacher Herrenclub.

Foto: Iris Maria Maurer

Spaziert man von Altenwald kommend Richtung Schnappach, merkt man mitunter gar nicht, dass man da gerade von dem einem Sulzbacher Stadtteil in den nächsten gewechselt ist. Ein Ortsschild, dass den Beginn von Schnappach markiert, sucht man zumindest auf dieser Seite des Örtchens nämlich vergeblich. Ohnehin gehen die Bebauungen der beiden Sulzbacher Stadtteile derart ineinander über, dass so mancher Anwohner zu berichten weiß, dass man in der Schule durchaus Mitschüler hatte, die durch die Lage ihres Wohnhauses „in Altenwald schliefen und in Schnappach frühstückten“.

Mit seinen knapp zwei Quadratkilometern Fläche und rund 500 Einwohnern ist Schnappach zwar nicht der kleinste Sulzbacher Stadtteil, schließlich fällt Brefeld mit gerade mal einem Quadratkilometer Fläche und 450 Einwohnern noch einmal ein gutes Stück kleiner aus, so doch aber der jüngste. Denn erst mit der saarländischen Gebiets- und Landesreform 1974 wurde Schnappach an Sulzbach angegliedert. Zuvor gehörte es zur Stadt St. Ingbert. St. Ingbert wiederum gehörte als Teil der Saarpfalz von 1816 bis zur Gründung des Freistaates zum Königreich Bayern und bildete somit eine bayrische Enklave im sonst preußischen Umland. Und weil Bier in Bayern als Grundnahrungsmittel galt, war es in Schnappach wesentlich günstiger zu erstehen als in den preußischen Nachbargemeinden. So zog es auch die Bergbauarbeiter aus den umliegendem Gemeinden zum Bier nach der Schicht oftmals nach Schnappach. An den Steinkohleabbau in Schnappach selbst, unter anderem in der Mariannengrube, erinnert noch heute ein seitlich am Hang aufgestellter Förderwagen, eine Kohlenlore, am zweiten Ortseingang von Schnappach aus Richtung der Sechseichen-Höhe kommend. Gleich hinter dem Förderwagen führt eine Treppe zu dem, was wie ein Relikt längst überwundener Glanzzeiten des Patriarchats wirkt: Dank des großen Schildes, das über dem Eingang prangt, kann den Schnappacher Herrenclub eigentlich niemand verfehlen. Zumindest die Herren nicht, Frauen haben hier schließlich keinen Zutritt. Nunmehr seit 1966 kommen hier Männer zu gemeinsamen Clubabenden zusammen. Oder an Sonntagmorgen zum Frühschoppen.

Denn auch wenn das Bier in Schnappach längst so viel kostet wie andernorts auch, wird doch „auf der Schnappach“, wie man dort sagt, eine zünftige Trinkkultur gepflegt. Überhaupt scheinen die Schnappacher in ihrem Selbstverständnis der bayrischen Vergangenheit des Ortes nachzuhängen: So erstrahlt so manches Haus im Ort, der im Wesentlichen gerade einmal aus einer Hauptstraße und zwei Nebenstraßen besteht, in Blau und Weiß, den Farben der bayrischen Staatsflaggen und auch die kleinen Hütten, die manch Schnappacher hinter seinem eigentlichen Haus noch in den Hang gebaut hat, erinnern mehr an das bayrische Bergland als an den saarländischen Südwesten.

Auch die beiden Gaststätten des Ortes sind unverkennbar bayrisch inspiriert: Das Unterbayern, an der durch den Ort führenden Bayernstraße gelegen, bildet, wenn man so will, so etwas wie das Zentrum des Ortes. Etwas außerhalb, vorbei am   Spielplatz, dessen Eingangspforte irgendwie an die Architektur Friedrich Hundertwassers erinnert und noch hinter dem Schnappacher Sportplatz, auf dem der SV Schnappach nicht nur Fußball spielt, sondern sei 1999 auch das Ruhbachtalfest als Ersatz zur Schnappacher Kirmes veranstaltet, liegt das Ausflugslokal Bayrisch Zell. Gleich neben dem Bayrisch Zell befindet sich auch einer der Eingänge des Karl-May-Wanderwegs „Auf fremden Pfaden“. Der 2013 eröffnete und durch die beiden Zweckverbände „Brennender Berg“ und „Naherholungsgebiet Ruhbachtal“ getragene Wanderweg führt nicht nur durch die naturbelassenen Wege des zum Saarkohlenwald gehörenden Sulzbachtals, die von einer durch Landwirtschaft und Bergbau geprägten Vergangenheit zeugen. Sondern ist an 40 Stationen auch mit Informationstafeln rund um das Thema Karl May sowie durch den in Sulzbach ansässigen Motorsägen-Künstler Andreas Müller gefertigte Karl May-Holzskulpturen ergänzt. Die direkt hinter dem Bayrisch Zell gelegene erste Station des Wanderweges, die über Karl Mays Werk „Ardistan“ aufklärt, werden insbesondere Schnappacher allerdings mit Wehmut passieren. Bis Mitte der 1990er Jahre war hier noch das Ruhbachbad zu finden, ein Freibad, dass Anwohner noch heute „als das schönste Freibad im ganzen Saarland“ beschreiben. Direkt am Waldrand gelegen, wurden die Becken des Bades mit Wasser aus den noch heute im Ruhbachtal zu findenden Brunnen gespeist. Heute erinnert kaum noch etwas an die glorreichen Zeiten im Ruhbachbad, lediglich ein kleiner Weiher ist an selbiger Stelle übrig geblieben. Die Ruhbach plätschert indes weiter durch das Naherholungsgebiet im Schnappacher Wald. Daher hat der Ort übrigens auch seinen Namen: Schnappach leitet sich nämlich vom mittelhochdeutschen Wort für hüpfen ab. In Schnappach hüpft der Bach über die Steine.

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