Musik-Talent Nicole Johänntgen Das kreative Energiebündel „Nicole Jo“

Saarbrücken/Zürich · Die Saxofonistin spielt in etlichen Ensembles oder gründet selbst welche; sie unterrichtet, tourt, komponiert, macht Aufnahmen: Nicole Johänntgen. Jetzt kommt die gebürtige Saarländerin, die in Zürich lebt, als Kuratorin des neuen saarländischen Musikfestivals wieder öfter in ihre Heimat. Ein Porträt.

 Die Saxofonistin Nicole Johänntgen wird das neue Musikfestival im Saarland leiten.

Die Saxofonistin Nicole Johänntgen wird das neue Musikfestival im Saarland leiten.

Foto: Kerstin Krämer

Dieses Lachen! Diese Spontanität! Diese neugierige, Enthusiasmus-gedopte Unternehmungslust, mit der sie sich in neue Projekte hineinstürzt: Die Saxofonistin Nicole Johänntgen ist ein kreatives Energiebündel. 1981 in Fischbach geboren, machte sie sich schon lange vor ihrem Studium an der Musikhochschule Mannheim (Saxofon, Komposition, Arrangement) mit ihrem Bruder Stefan und ihrer Band „Nicole Jo. needs 2B funky“ einen Namen. Heute, 21 Jahre und elf CDs später, hat sich Johänntgen international etabliert. Und ihre erste Formation ist immer noch auf Tour – unter dem neuen Namen „Nicole Jo“, der nach außen trägt, dass die Band sich anderen musikalischen Einflüssen geöffnet hat.

Auch Johänntgen sucht ständig nach neuen Orten, Einflüssen und Formen des Musizierens. Dabei müht sie sich fortlaufend auch um Virtuosität im Dienst des Ausdrucks: „Ich versuche, immer neue Techniken zu entwickeln.“ Die kommen dann beispielsweise ihrem neuen Solo-Projekt entgegen, für das sie ungewöhnliche Aufführungsorte mit ausgeprägt halliger Akustik sucht. Mit der spielt sie und improvisiert passend zum Raum.

Eine entsprechende CD ist frisch raus, aufgenommen in der Andreaskirche in Zürich – seit 2005 ist die Schweizer Metropole Johänntgens Wahlheimat. So sehr die Saxofonistin es genießt, mit ihrem neuen Solo-Projekt flexibel unterwegs zu sein, pflegt sie doch parallel noch diverse andere Aktivitäten: Johänntgen spielt in etlichen Ensembles oder gründet selbst welche; sie unterrichtet, tourt, komponiert, macht Aufnahmen. Letztere entstehen gern auch mal spontan: Während ihres Stipendiumaufenthalts 2016 in New York guckte Johänntgen auch in New Orleans vorbei. Prompt ging sie mit drei jungen amerikanischen Jazzern ins Studio, um modernen New Orleans Jazz einzuspielen – so entstanden das Album und die Band „Henry“.

Aktuell ist Johänntgen mit ihrem eigenen Schweizer Quartett und dem Quartett „My good friend Jazz“, dem Duo „Henrietta“ und dem Schweizer Gitarristen und Singer/Songwriter Peter Finc auf Tour. Und 2015 gründete sie auf dem schwedischen Ystad Jazz Festival mit anderen Musikerinnen die Formation „Sisters in Jazz“, die in wechselnder internationaler Besetzung auftritt – zum Beispiel jetzt am 3. August wieder in Ystad, diesmal unter anderem mit der dänischen Sängerin Cæcilie Norby.

Zwei Jahre lang hat Johänntgen obendrein mal eine eigene monatliche Radiosendung moderiert. Wollte man aufzählen, was die Frau alles treibt – man würde nicht mehr fertig. „Kulturelle Zusammenarbeit finde ich total spannend“, sagt Johänntgen strahlend. So liebt sie Projekte, bei denen sie live zu Bildender Kunst, Stummfilm oder Literatur improvisiert – ganz aktuell stellt sie sich sogar der Herausforderung Comedy: Johänntgen ist die neue Bühnenpartnerin von Piet Klocke. „Ein Riesenspaß“, verrät sie. Wobei sie Klockes langjährige Begleiterin Simone Sonnenschein nicht imitiert, sondern den Part ganz anders gestaltet. Eigens dafür hat sich Johänntgen jetzt sogar ein Baritonsaxofon zugelegt; meist spielt sie ja Alt und Sopran. Außerdem engagiert sie sich für mehr Frauenpower und weibliches Netzwerken im Jazz. So rief sie das Projekt S.O.F.I.A. (Support Of Female Improvising Artists) ins Leben, das sich der Weiterbildung und Förderung junger europäischer Musikerinnen widmet. Dabei geht’s jedoch weniger um musikalische Inhalte als vielmehr um die Vermittlung von Insiderwissen zur Selbstvermarktung innerhalb der Musikindustrie: Wie verknüpft frau sich mit anderen Musikerinnen und behauptet sich gegenüber Veranstaltern, Buchungsagenturen oder Plattenlabels? „Sowas“, sagt Johänntgen, „macht mir extrem viel Spaß: mein Wissen weiterzugeben und den Leuten einen Rucksack zu füllen mit Knowhow übers Business.“

Mit der gleichen Leidenschaft unterrichtet sie auch, sei es im Projekt „Kids Jazz Club“ oder in Musikschulen. Wobei sie Letzteres schon reduziert hat, damit sich Lehren und Musizieren die Waage halten. Konkret darf man sich das so vorstellen, dass sie drei Tage zuhause und übers Wochenende drei bis vier Tage unterwegs ist. „Und mindestens ein Mal im Monat verbringe ich zwei bis drei Tage in den Bergen, um auszuspannen und Ideen zu sammeln.“

Jetzt kommt Johänntgen, 2018 zur Saarland-Botschafterin ernannt, außerdem wieder öfter in ihre alte Heimat. Dafür gibt’s einen triftigen Grund: Johänntgen ist, zusammen mit dem Trompeter Sebastian Studnitzky und dem Pianisten Julien Quentin, Kuratorin des neuen saarländischen Sparten-übergreifenden Musikfestivals, das vom Kultusministerium mit 600 000 Euro bezuschusst wird. Beim Mix unterschiedlicher Stile und Richtungen sollen vor allem auch junge Talente der Region gefördert werden – hier will Johänntgen ihre Erfahrungen mit S.O.F.I.A. einbringen. Derzeit spürt das Leitungs-Trio fieberhaft nach ungewöhnlichen, charmanten Konzertorten, bei denen „eine Seele mitschwingt“, wie Johänntgen formuliert. „Eine spannende Arbeit. Ich bin jeden Tag stundenlang am Arbeiten“, beteuert sie. „Ich habe viele KünstlerInnen kennengelernt, die ich noch nicht kannte.“

Dem eigentlichen Festival sollen ein Jahr lang ein Mal im Monat so genannte „Satelliten-Events“ vorgeschaltet werden: Das erste läuft am 6. Oktober 2019, der Ort wird noch bekannt gegeben. Bei diesem Auftakt werden dann auch das Logo, der Name und die detaillierte Ausrichtung des Festivals vorgestellt. Daneben freut sich die Saxofonistin darauf, bei der Gelegenheit auch ihr Solo-Programm vorzustellen – am 4.Oktober in der Stiftskirche St. Arnual und am 6. Oktober in St. Josef, Fischbach. Johänntgen: „Ich komme immer total gerne ins Saarland.“

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